Logik-Experte kritisiert Brandenburger Ministerium: Gab es im Mathe-Abi einen Fehler?
Der Potsdamer Mathematik-Experte Helmut Assing will in den Abitur-Aufgaben einen Fehler gefunden haben. Das sieht er als ein klares Indiz für die „mangelnde Gründlichkeit des Bildungsministeriums“.
Potsdam - Das Mathe-Abitur war in diesem Jahr schwerer als im Vorjahr. Aber nicht nur das: Eine Aufgabe soll fehlerhaft gewesen sein. Zu diesem Schluss kommt der Potsdamer Mathematik-Experte Helmut Assing, der seit Jahren dafür kämpft, das Niveau der Mathematik-Abschlussprüfungen in Brandenburg wieder anzuheben. Er habe die Lehrerausgabe der Prüfungen, die vergangenen Freitag geschrieben wurden, durchgesehen, und dabei eine Ungereimtheit festgestellt. Im Gebiet Stochastik, in dem so mancher Lehrer unsicher sei, gebe es „einen groben Sachfehler“, so Assing. Und zwar erhalte die Aufgabe 4.2 e, die ohne CAS, also ohne Taschenrechner, gelöst werden muss, einen Widerspruch in der Aufgabenstellung.
So war die Aufgabe formuliert
Die Aufgabe ist folgendermaßen formuliert: „Ein Unternehmen organisiert Fahrten mit dem Ausflugsschiff. Betrachtet wird zunächst eine Fahrt, bei der das Schiff mit 60 Fahrgästen voll besetzt ist. Zu Beginn der Fahrt werden drei Fahrgäste zufällig ausgewählt, diese erhalten jeweils ein Freigetränk.“ Später heißt es dann: „Möchte man an einer Fahrt teilnehmen, so muss man dafür im Voraus eine Reservierung vornehmen. Erfahrungsgemäß erscheinen von den Personen mit Reservierung einige nicht zur Fahrt. Für die 60 Plätze lässt das Unternehmen deshalb bis zu 62 Reservierungen zu. Es soll davon ausgegangen werden, dass für jede Fahrt tatsächlich 62 Reservierungen vorgenommen werden. Erscheinen mehr als 60 Personen mit Reservierungen zur Fahrt, so können nur 60 von ihnen daran teilnehmen, die übrigen müssen abgewiesen werden. Vereinfachend soll angenommen werden, dass die Anzahl der Personen mit Reservierung, die zur Fahrt erscheinen, binominal verteilt ist, wobei die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine zufällig ausgewählte Person mit Reservierung nicht zur Fahrt erscheint, 10 Prozent beträgt.“ Nun sollen die Abiturienten unter e, folgende Aufgabe lösen: „Bestimmen Sie die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mindestens eine Person mit Reservierung abgewiesen werden muss.“
So war die Aufgabe formuliert
Bei der Beschreibung der erwarteten Schülerleistung in der Lehrerausgabe heißt es nun: „X: Anzahl der Personen mit Reservierung, die abgewiesen werden.“ Gerechnet wird also mit der Anzahl X der Personen mit Reservierung, die abgewiesen werden. Dort spiele aber „X kleiner/gleich 1“ eine Rolle, obwohl ja mindestens eine Person abgewiesen werde, erläutert Assing. „Dieser Widerspruch ist selbstverständlich nicht lösbar“, sagt Assing. Möglich sei jedoch ein Ausweg, wenn der Text geändert werde. Anzusetzen wäre „X: Anzahl der nicht erschienenen Personen mit Reservierung.“ Dazu passten dann Rechnung und Ergebnis.
Für Assing, emeritierter Professor habilitiert im Fachgebiet mathematische Logik, ein klares Indiz für „mangelnde Gründlichkeit des Bildungsministeriums“. Seit Jahren liefert er sich einen Disput mit dem Ministerium über das Mathe-Abitur, auch der Petitionsausschuss des Landtages hat sich wie berichtet mit seiner Beschwerde befasst. Daraufhin musste das Ministerium einräumen, in den vergangenen Jahren teilweise die Aufgaben nicht so gestellt zu haben, wie es die Vorgaben der Kulturministerkonferenz verlangen. Das Abitur sei nun in der Tat etwas schwerer gewesen als das von 2018, konstatiert Assing. Nach den aktuellen Matheprüfungen hatte es in mehreren Ländern Proteste gegeben, weil die Aufgaben zu schwer gewesen seien. Auch in Brandenburg haben Schüler wie berichtet eine Online-Petition gestartet. Das Ministerium erklärte auf PNN-Anfrage, dass es bislang keine Anzeichen für Unregelmäßigkeiten gegeben habe.