Monitoringbericht für Brandenburg: Fälle von Antisemitismus bei Anti-Corona-Demos
Die Fachstelle Antisemitismus zählt in Brandenburg bislang 14 judenfeindliche Vorfälle im Zusammenhang mit der Pandemie. Die Hälfte davon ereignete sich bei Demonstrationen.
Potsdam - Verletzende Äußerungen im Internet, Schmierereien, herabwürdigende Plakate und Anfeindungen bei Demonstrationen: Im Kontext der Corona-Pandemie ist es auch in Brandenburg zu antisemitischen Vorfällen gekommen.
Von April bis August hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) der in Potsdam ansässigen Fachstelle Antisemitismus Brandenburg 14 anti-jüdische Vorfälle registriert, die im Zusammenhang mit der Coronakrise zu sehen sind. Sieben davon spielten sich bei sogenannten „Hygienedemos“ ab. Allein sechs der insgesamt 14 antisemitischen Vorfälle mit Corona-Bezug fanden in der Landeshauptstadt Potsdam statt.
„Es zeichnet sich ab, dass bedingt durch die Corona-Pandemie Vorfälle mit Bezügen des modernen Antisemitismus auch in Brandenburg eine Konjunktur erleben“, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Monitoringbericht. Zwölf der Vorfälle wiesen demnach Stereotype und Erzählungen des modernen Antisemitismus auf - also Äußerungen, in denen Juden mit ökonomischer und politischer Macht verbunden werden. Im gesamten Jahr 2019 wurden zehn solcher Vorfälle erfasst.
250 Versammlungen bislang in Brandenburg
Landesweit seien laut RIAS seit Mitte April knapp 250 angemeldete und unangemeldete Versammlungen und Veranstaltungen „aus rechtsextremen und verschwörungsideologischen Milieus“ bekanntgeworden. „Auch in Brandenburg wurden die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie als Indizien einer größeren Verschwörung gesehen, so weitgehend, dass die Existenz des Covid 19-Virus geleugnet wurde“, schreibt die Fachstelle.
In wenigen drastischen Fällen seien Parallelen zu Repressionsmaßnahmen des Nationalsozialismus und des DDR-Regimes gezogen worden. In einem Fall sei es zu einer NS-Verharmlosung gekommen. So habe ein Teilnehmer bei einer Kundgebung in Cottbus am 5. Mai ein Schild mit einem „Judenstern“ gezeigt, in dem „ungeimpft“ stand. Er habe damit eine Form von Selbstviktimisierung betrieben, indem er Impfungen mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus gleichsetzte.
Bis zu 3000 Rechtsextremisten und Reichsbürger bei Demo in Berlin
Bei der Großdemonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung vor eineinhalb Wochen mit 38.000 Teilnehmern waren nach vorläufigen Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes auch bis zu 3000 Rechtsextremisten und Reichsbürger dabei. Die Zahl könnte allerdings weiter steigen. Es sei noch umfangreiches Bildmaterial auszuwerten, sagte der Leiter des Berliner Verfassungsschutzes, Michael Fischer, am Mittwoch im Abgeordnetenhaus.
Im Vergleich zur Corona-Demonstration am 1. August habe sich die Zahl der Rechtsextremen deutlich erhöht. Zugleich griffen im Spektrum der Anti-Corona-Initiative „Querdenken“ zunehmend „zentrale Narrative“ der rechtsextremistischen Szene und der Reichsbürger sowie „antisemitische Verschwörungsmythen“ um sich, sagte Fischer.
Dazu zählten Forderungen nach einer neuen, gültigen Verfassung und der Abschaffung des Grundgesetzes. Rechtsextremisten und Reichsbürgern sei es gelungen, „ein nicht zu übersehender Teil der Protestbewegung zu sein“. Die Teilnehmer der Corona-Demonstrationen müssten sich bewusst sein, dass sie sich gemein machten mit jenen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung abschaffen wollten.
Die Erstürmung der Reichstagstreppen wertet der Verfassungsschutz indes als spontane und nicht vorhersehbare Aktion – trotz vorheriger Ankündigungen aus der Reichsbürgerszene. (mit axf)
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