Flüchtlinge in Brandenburg: Eisenhüttenstadt: Ein Zelt voller Hoffnungen
Brandenburg hat nicht mehr genügend Wohnraum für die eintreffenden Flüchtlinge. Seit Tagen gibt es für viele Männer in Eisenhüttenstadt nur noch Liegen in Armeezelten. Bis zur kalten Jahreszeit sind neue, feste Unterkünfte nicht fertig.
Eisenhüttenstadt - Es herrscht eine Bullenhitze in dem Zelt. 14 Albaner haben hier ihren Schlafplatz. Pro Mann eine Liege. Sie stehen dicht an dicht auf dem Erdboden, Privatsphäre ist nicht möglich. Brandenburg fehlt Wohnraum für die Flüchtlinge in der Erstaufnahmestelle der Zentralen Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt an der Grenze zu Polen. Seit dieser Woche gibt es die Notlösung mit den Zelten. Die Flüchtlingsströme haben zugenommen. „Wir stehen kurz vor einem Kollaps“, sagt der Leiter der Einrichtung, Frank Nürnberger, am Freitag. In den rund 20 Zelten sei es tagsüber viel zu heiß. Und: „Wir brauchen dringend Personal.“
Einer der Albaner geht in das grüne Armeezelt, das seine vorübergehende Bleibe geworden ist. Bis vor Tagen hat er noch in einer Turnhalle auf dem Gelände gewohnt, jetzt sind dort Familien untergebracht. Allein reisende Männer mussten dafür in die Zelte umziehen.
Flüchtling: "Wir fühlen uns wie Soldaten"
Seit etwa zehn Tagen sei er hier in Eisenhüttenstadt, sagt der 31-Jährige. „Morgens sind alle Sachen und Kleider feucht und tagsüber wird es dann unerträglich heiß“, beschreibt er das Leben in dem Zelt. Seinen Namen will er nicht nennen. Weil er dann Probleme in der Heimat bekommen könnte, sagt er auf Englisch. Unter seiner Pritsche liegen ein paar leere Flaschen herum. Und Plastiktüten von Discountern. „Wir fühlen uns hier irgendwie wie Soldaten“, sagt er über das Zelt.
Aus seiner Hosentasche zieht der 31-Jährige einen Geldbeutel und zeigt ein Foto. Darauf ist er mit einer Frau und einem jungen Mädchen abgebildet. Die drei lächeln. „Meine fünf Jahre alte Tochter“, sagt der Mann stolz. Seine Familie sei in Albanien geblieben. Er hofft, hier in Deutschland schnell eine neue Zukunft für alle aufbauen zu können. In Albanien gebe es keine Arbeit und viel Not. Vor Jahren sei er bereits nach Griechenland gegangen und habe dort zeitweise gearbeitet. Der Job sei aber inzwischen weg, deshalb sei er nach Deutschland gekommen.
Schwierige Zustände in der Erstaufnahmestelle Eisenhüttenstadt
Einer seiner Mitbewohner beklagt die Zustände in der Erstaufnahmestelle. In der Kantine seien die Teller teilweise nicht richtig gesäubert. „Sie sind manchmal klebrig“, sagt er auf Englisch. Und es gebe keinen Deutschunterricht für die Männer. Ein anderer junger Mann sagt: „Gebt uns eine Chance zu lernen.“ Nürnberger sagt, dass es Bemühungen gebe, die Betreuung zu verstärken. Von hygienischen Mängeln in der Kantine höre er zum ersten Mal. Er wolle das überprüfen.
Ihre Zukunft ist ungewiss, das bedrücke sie, sagen Asylsuchende auf dem Gelände. „Auch wenn keine Bomben in Albanien explodieren, sind die Zustände dort trotzdem unerträglich“, sagt ein 29-Jähriger. Aus Albanien kommen laut Innenministerium derzeit sehr viele Menschen nach Brandenburg.
500 Asylsuchenede pro Woche
Knapp 200 von 280 Plätzen in den Zelten sind schon belegt, wie Nürnberger sagt. Pro Woche kämen derzeit 500 neue Asylsuchende an. Laut Innenministerium sollen weitere Zelte für bis zu 500 zusätzliche Flüchtlinge dazukommen. Die Standorte sind aber noch unklar. In Erwägung wurde demnach auch die Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt gezogen.
Das Land bemüht sich seit Längerem um zusätzliche Außenstellen der Erstaufnahmeeinrichtung, um die Wohnsituation zu verbessern. In einer Erstaufnahmestelle bleiben die Flüchtlinge nur vorübergehend. Wenn sie einen Asylantrag gestellt haben, werden sie auf Landkreise und Kommunen verteilt. Derzeit gibt es außer Eisenhüttenstadt noch die Oderlandkaserne in Frankfurt (Oder) und eine Unterkunft in Ferch (Potsdam-Mittelmark). Insgesamt sind in allen Liegenschaften laut Nürnberger derzeit insgesamt 2000 Asylsuchende untergebracht. Geplant sind weitere Plätze in Doberlug-Kirchhain (Elbe-Elster), Frankfurt (Oder) und Wünsdorf (Teltow-Fläming), doch fertig sind sie wohl erst Ende des Jahres. Und genau das ist das Problem: Die Zelte in Eisenhüttenstadt können bis maximal in den Oktober hinein als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt werden. Danach ist Schluss, dann brauchen die Asylbewerber ein festes Dach über dem Kopf. Zwischenlösungen müssen also her, eine Immobilie, die schnell als Unterkunft in Betrieb genommen werden kann.
Alternative: Viele leere Wohnungen
Der Flüchtlingsrat Brandenburg kritisiert, schon vor Jahren sei bekannt gewesen, dass die Zahl der Flüchtlinge steigen werde. Das Land habe es versäumt, rechtzeitig zu handeln, sagte ein Sprecher. Es gebe Alternativen: In Eisenhüttenstadt gebe es einen großen Leerstand an Wohnungen, den man hätte nutzen können.
Der Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher sagt, die Unterbringung der Flüchtlinge in Zelten dürfe kein Dauerzustand werden, genau das aber sei zu befürchten. Das Land müsse schneller als bisher die Erstaufnahmekapazitäten erweitern. Denn bereits jetzt steht fest, dass selbst die neuen Standorte und Erweiterungen schon bei der Eröffnung nicht ausreichen. Das hatte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) vergangene Woche im Landtag eingeräumt. Und auch dass weitergehende Ausbaupläne noch nicht vorliegen. Lakenmacher spricht von einem Zustand der Planlosigkeit, der schnellstmöglich beendet werden müsse.
Von der Realität überrollt
Tatsächlich steht die Landesregierung vor einem politischen Dilemma: Noch bei der ersten Flüchtlingskonferenz im Januar hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärt, er wolle in Brandenburg keine Zelt- und Containerstädte für Asylbewerber, wie es sie schon in anderen Bundesländern gibt. Nun ist die Landesregierung von der Realität überrollt worden.
Laut Innenministerium kamen im gesamten vergangenen Jahr 6315 Asylbewerber nach Brandenburg. Allein im ersten Halbjahr 2015 waren es bereits ähnlich viele – 5818. Bis Jahresende rechnet das Land mit insgesamt bis zu 14 000 Flüchtlingen. Noch sind die Prognosen nicht erneuert worden. Allerdings zeigt die Erfahrung auch, dass in der Vergangenheit die Zahlen im Laufe des Jahres immer nach oben korrigiert wurden.
Vor dem Zelt haben sich einige der Männer Stühle besorgt. Sie sitzen im Schatten und diskutieren. Sie schätzen die Lage auf dem Gelände als ruhig ein. „Wir wollen hier alle keinen Ärger, sondern eine Zukunft“, bringt es ein Mann auf den Punkt.
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