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Was wird aus Welzow nach dem Braunkohle-Ausstieg?
© Patrick Pleul/dpa

Gastbeitrag: Welzow nach dem Kohle-Ausstieg: Ein Schaufenster für die Lausitz!

Noch wird in Welzow Braunkohle gefördert. Aber was passiert nach dem Kohle-Ausstieg? Bürgermeisterin Birgit Zuchold schildert in einem Gastbeitrag, welche Ideen es gibt.

Welzow - Mit dem absehbaren Ende des Braunkohlebergbaus steht die Lausitz vor der großen Herausforderung, sich als Landschaft neu zu erfinden. An Ideen für eine Lausitz nach der Braunkohle wird in der Region vielerorts intensiv gearbeitet. Die Stadt Welzow ist mit ihren etwa 3 500 Einwohnern das Sinnbild für die Herausforderungen des anstehenden Strukturwandels. Namensgebend für den direkt an das Stadtgebiet angrenzenden Braunkohletagebau Welzow-Süd, bietet Welzow städtische Strukturen mit gut ausgebauten Straßen und sozialen Einrichtungen, aber zugleich in den Abendstunden eine fast dörfliche Ruhe.

Neue wirtschaftliche Impulse für die Region

Bereits vor einigen Jahren haben wir damit begonnen, den städtischen Industrie- und Gewerbepark zu revitalisieren, um neue Wirtschaftsansiedlungen unabhängig vom Braunkohlebergbau anzusiedeln. Ein schwieriges Unterfangen im ansonsten ländlich geprägten Süden Brandenburgs. Für das Ziel, neue wirtschaftliche Impulse für die Region zu generieren, muss man bereit sein, neue Wege zu gehen. Wir haben uns dabei bewusst für einen wissenschaftlichen Ansatz entschieden. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg verfolgt die Stadt nunmehr eine gänzlich neue Vision der wirtschaftlichen Entwicklung. Forscher und Studierende entwickeln speziell hier in Welzow mit uns gemeinsam neue Ideen für eine nachbergbauliche Landschaft.

Neuland zu entdecken

Dabei gibt es in Welzow buchstäblich komplettes Neuland zu entdecken, denn mit dem Näherrücken der Absetzer, die den Abraum aus der Braunkohlegewinnung direkt vor den Toren der Stadt aufschütten, entsteht ab 2021 unmittelbar am östlichen Stadtrand die „Neue Landschaft Welzow“. Für Welzow bietet sich dabei die einmalige Chance, eine einzigartige, 110 bis 120 Hektar große Landschaft entstehen zu lassen, deren Entwicklung und Nutzung allein in den Händen der Stadt liegt. Der Lausitzer Energiekonzern Leag übernimmt die nötigen Erdarbeiten, denn zur nachnutzungsfähigen Herstellung der Bergbaufolgelandschaft ist das Bergbauunternehmen laut Braunkohleplan verbindlich verpflichtet.

Ideen von Studierenden der BTU Cottbus-Senftenberg

Bereits Ende 2016 fand ein studentischer Ideenwettbewerb zur Gestaltung der stadtnahen Bergbaufolgelandschaft unter dem Titel „Welzow extended“ statt. Etwa 20 Studierende des Studiengangs Stadt- und Regionalplanung der BTU Cottbus-Senftenberg tüftelten drei Wochen an neuen Ideen zur Nutzung und Gestaltung der Flächen. Herausgekommen sind dabei unter anderem Ideen für einen Mountainbike-Park, für ein Waldlabor sowie für einen Wildpark mit Wisenten und Wildpferden.

Weil wir als Stadt an dieser Stelle thematisch und fachlich im wahrsten Sinne des Wortes „Neuland“ betreten, erfolgte im Zeitraum von elf Monaten die Erarbeitung einer vertiefenden Studie durch ein interdisziplinäres Team. Die Zielsetzung bestand darin, aufbauend auf den Ergebnissen der bisherigen studentischen Arbeiten, neue Leitbilder und Strategien zur Gestaltung der stadtnahen Bergbaufolgelandschaft zu entwickeln. Es gibt ja schon Praxisbeispiele, die uns als Ideengeber dienen können, aber was mich wirklich beeindruckte, war die 3D-Modellierung einer neuen Landschaft mit einer außergewöhnlichen Gestaltung. Die Abbildungen helfen dabei, die oftmals eher abstrakten Konzepte gerade für die Menschen anschaulich werden zu lassen, die sich in ihrem Alltag nicht regelmäßig mit derartigen Planungen konfrontiert sehen.

Selbstbestimmung über die Gestaltung

Denn gerade die Teilhabe der Einwohner Welzows am gesamten Planungsprozess ist für das Gewinnen von Akzeptanz von entscheidender Bedeutung. Darin bin ich mir mit der Leiterin des Gestalterteams, der Landschaftsarchitektin Christine Fuhrmann, einig. Den Menschen soll so die Selbstbestimmung über die Gestaltung ihrer Umwelt zurückgegeben werden. In mehreren Workshops mit Fachexperten sowie im Rahmen einer Bürgerwerkstatt wurden bereits zahlreiche Vorstellungen und Wünsche aus der Bevölkerung in die mögliche Gestaltung mit einbezogen.

Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD).
Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD).
© John MacDougall/AFP

Die entstehenden Flächen sollen möglichst innovativ und zukunftsweisend genutzt werden. Geholfen hat mir hier ein Verbund von über 30 Partnern des Landes Brandenburg aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaft, der BTU Cottbus-Senftenberg sowie aus der Wirtschaft. Das langfristige Ziel des Verbunds ist die Bewältigung des Strukturwandels durch die Entwicklung der Lausitz hin zu einer Modellregion der Bioökonomie unter den Bedingungen des Klimawandels.

Neben der BTU Cottbus sind renommierte Forschungseinrichtungen wie das Deutsche Geoforschungszentrum, das Fraunhofer Institut für Angewandte Polymertechnik in Golm sowie Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft wie das Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg, das Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Bornim und das Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren an den Planungen beteiligt. Für die Wissenschaftler bietet die Neue Landschaft Welzow ein ideales Reallabor, in dem unter den Bedingungen der nährstoffarmen und schnell trockenfallenden Böden der Bergbaufolgelandschaft neue Methoden der Landnutzung erprobt werden können.

Klimaangepasste Landwirtschaft soll entwickelt werden

Vor dem Hintergrund des Klimawandels, dessen Auswirkungen sich schon jetzt gerade bei uns in der Lausitz am deutlichsten durch Hitzewellen und Dürreperioden bemerkbar machen, soll eine klimaangepasste Landwirtschaft entwickelt werden, bei der Bodenmelioration, wassersparende Anbausysteme und modernste, sensorgestützte Digitaltechnik zusammenwirken, um beispielsweise hochwertige Obst- und Gemüsekulturen gewinnbringend anzubauen und gleichzeitig die Biodiversität in der Landschaft zu erhöhen. Gemeinsam mit den Stadtplanern und den Bürgerinnen und Bürgern wollen wir aber auch in der Stadt selbst daran arbeiten, Quartiere neu zu ordnen und eine attraktive urbane Kulturlandschaft zu gestalten.

Für unsere Stadt und ihre Bürger könnte eine Art Schaufenster entstehen, das im kleinen Maßstab die mögliche Zukunft der Lausitzer Landschaften und Städte vorwegnimmt. Nicht zuletzt erhoffe ich mir von so einem Schaufenster auch einen touristischen Mehrwert, der interessierte Besucher aus dem weiteren Umland nach Welzow locken soll.

Mit der Ansiedlung der Forschungsinstitute wären weitere, positive Effekte für die Stadt Welzow verbunden. So ist geplant, vor Ort eine Außenstelle der BTU Cottbus-Senftenberg einzurichten, wo nicht nur geforscht, sondern das Erforschte auch vermittelt und erlebbar gemacht werden soll. Und nicht zuletzt soll am Ende der neuen bioökonomischen Wertschöpfungskette auch eine industrielle Verarbeitung stehen, bei der Biomasse zu biologisch abbaubaren Agrarfolien und vielseitig einsetzbaren Bio-Membranen verarbeitet wird. Zur Errichtung von Produktionsanlagen stehen im Welzower Industrie- und Gewerbepark ja bereits großzügige Flächen zur Verfügung. Da absehbar ist, dass solche nachhaltig erzeugten Produkte der Bioökonomie künftig weltweit mehr und mehr nachgefragt werden, ist nicht ausgeschlossen, dass eine solche Pilotanlage die Ansiedlung weiterer Fertigungsbetriebe nach sich zieht – und damit auch wieder Industriearbeitsplätze nach Welzow bringt.

Neue Perspektiven nach dem Strukturwandel

Eine Strategie also, die sowohl die Wissenschaft, die Stadt und die zivilgesellschaftlichen Akteure, als auch den Energiekonzern Leag zusammenbringen kann, um der Region neue Perspektiven für den anstehenden Strukturwandel zu eröffnen. Denn genau das ist es, was wir Menschen uns gerade in der Lausitz am meisten wünschen und im derzeitigen Dialog um die Zukunft der Kohle einfordern.

Birgit Zuchold

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