Kritik an Kriminalstatistik Brandenburg: Die Pflicht eines Beamten
Die Recherchen von PNN und RBB über die umstrittene Dienstanweisung der Polizeidirektion West zur Kriminalstatistik, bestätigte nun der Landeskriminaldirektor. Der Vorwurf: Die Statistiken sind geschönt.
Potsdam - In der Affäre um eine Dienstanweisung der Polizeidirektion West zur Kriminalstatistik hat erstmals Brandenburgs höchster Kriminalbeamter die Recherchen von PNN und RBB bestätigt. Damit gerät der neue Innenstaatssekretär Arne Feuring, der als Polizeipräsident die Verantwortung für die Vorgänge in der Affäre trug, weiter ins Zwielicht.
Landeskriminaldirektor Roger Höppner, der die Fach- und Dienstaufsicht führt, sagte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags, dass die umstrittenen Anweisungen nach seiner Auffassung von den bundeseinheitlichen Richtlinien des Bundeskriminalamts (BKA) abweichen und damit auch die angestrebte Vergleichbarkeit der Statistiken über die Jahre hinweg in Frage stellt.
Verfälschte Aufklärungsquote
Wie berichtet hatte die Direktion West im Sommer 2013 mehrere Handlungsanweisungen zur statistischen Erfassung von Diebstählen und Sachbeschädigung von Autos erlassen, verfasst von einem Vertrauten Feurings, den er später in seinen Stab ins Polizeipräsidium holte. Demnach sollten etwa mehrere solcher Taten in einer Nacht, in einem Straßenzug mit mehreren Geschädigten in der Statistik nur noch als ein Fall erfasst werden. Der Effekt: weniger erfasste Fälle und eine bessere Aufklärungsquote. Als die Vorgänge im Frühjahr 2014 publik geworden waren, musste sich Feuring gegen den Verdacht wehren, dass mit der Anweisung die Statistik geschönt werden sollte.
Frühzeitig hatten auch andere Experten vor der neuen Anweisung gewarnt. Sowohl das brandenburgische LKA als auch das BKA und die Bundespolizei sowie Vertreter anderer Länder hatten bereits im Oktober 2013 das Vorgehen der Polizei in Brandenburg beim Erfassen von Diebstählen aus Autos und Sachbeschädigung von Autos gerügt. Bei einem Workshop der „Kommission Polizeiliche Kriminalstatistik“ lehnten sie die Vorschläge aus Potsdam und die Handlungsanweisungen aus der Polizeidirektion strikt ab, weil die Gefahr bestehe, dass die Statistik „verfälscht wird“. Auch das LKA, das in Brandenburg für die Einhaltung der BKA-Vorgaben zuständig ist, kam danach zu einem klaren Ergebnis. In einem internen Protokoll von Mitte Oktober 2013 heißt es: „Die vorliegenden Handlungsanweisungen (...) weichen in ihrer Gesamtheit bei Umsetzung im Land Brandenburg von den bundeseinheitlichen Richlinien zur Führung der PKS (...) ab.“ Und weiter: „Diese Handlungsanweisungen sind im Sinne einer einheitlichen Erfassung im Land Brandenburg und einer vergleichbaren Erfassung mit anderen Bundesländern mit sofortiger Wirkung zurückzuziehen.“
LKA: Anweisung muss nicht aufgehoben werden
Wenige Tage später dann entschied das LKA aber, dass die Anweisung nicht im Wortlaut gegen die BKA-Richtlinie verstößt und nicht aufgehoben werden muss – eine Spitzfindigkeit in der Wortwahl. Verantwortlich dafür war LKA-Chef Dirk Volkland, der die Einschätzung seiner Fachleute kassierte. Er trat im Innenausschuss wie ein Entlastungszeuge für Feuring auf – und er ist übrigens als Nachfolger als Polizeipräsident im Gespräch.
Schließlich erfuhr auch Landeskriminaldirektor Höppner Mitte März 2014 durch einen Bericht des RBB-Politmagazins „Klartext“ von den Vorgängen. „Ich habe meine fachlichen Bedenken dargelegt, wie es die Pflicht eines Beamten ist“, sagte er. Als die Kommission der Länder für die Kriminalstatistik im Mai beschlossen haben, dass die Handlungsanweisung nicht „richtlinienkonform“ ist, habe er sich bestätigt gesehen. Nach einer ersten Schätzung waren laut Höppner durch die dann einkassierte Anweisung, die neun Monate galt, 20 Prozent der erfassten Eigentumskriminalität betroffen. Mehrmals habe er beim damals vom Feuring geführten Polizeipräsidium nachgefragt, warum er an dem Verfahren um die Anweisung – entgegen der Vorschrift – nicht beteiligt worden sei. Und welche Folgen die Anweisung für die Statistik hat. Die Antwort fiel knapp aus: Es sei nichts feststellbar.
Vergleichbarkeit ist nicht gegeben
Auch Feuring selbst will erst im März 2014 von der Anweisung erfahren haben, vor Kurzem noch hatte er sich nicht erinnern können. Schon als Polizeipräsident sagte er immer: Ein Fehler sei es gewesen, dass die Anweisung nicht landesweit eingeführt wurde. Tatsächlich wurde sie eingestampft, Unschärfen in den Begriffen in der BKA-Richtlinie angepackt. Aber obwohl Fachleute im LKA und später auch eine Mehrheit von 12 Bundesländern und des Bundes das Vorgehen als Verstoß gegen die Statistik-Richtlinie ablehnten, blieb Feuring bei seiner Haltung. Auch Landeskriminaldirektor Höppner, im Range eines Referatsleiters, wurde als Fachmann im Innenministerium schlicht übergangen. Der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, Herbert Trimbach, sagte es so: Nach einem Diskussionsprozess sei man zu dem Ergebnis gekommen, „dass am Ende aus meiner Sicht die Richtlinienkonformität jedenfalls nicht ausgeschlossen ist“.
Andreas Schuster, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, sieht das anders: Die Vergleichbarkeit der Kriminalstatistik sei durch die Anweisung der Direktion West erschwert. „Da hat man zu spät reagiert“, sagte er. CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher wurde noch deutlicher: „Weder eine Vergleichbarkeit zu den Vorjahren noch eine Vergleichbarkeit zu anderen Bundesländern ist gegeben.“
Wie sehr Feuring die Debatte und die Aussagen des Landeskriminaldirektors reizt, zeigte der Staatssekretär im Ausschuss: Als Höppner den Vorgang rekapitulierte, fiel Feuring ihm harsch ins Wort und fragte, was seine persönliche Meinung sei. Dann gab er Volkland das Wort, was aber nur der Ausschusschef darf. Doch Sören Kosanke ließ ihn gewähren.
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