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Der Neue: Der brandenburgische Innenminister Dietmar Woidke (SPD) am Montag beim Betreten der brandenburgischen Staatskanzlei in Potsdam.
© Ralf Hirschberger/dpa

Platzecks Nachfolger Dietmar Woidke: Der Übernehmer

Erst Agrarexperte, dann Agrarminister, dann ausgestoßen, dann Fraktionschef, dann Innenminister - und nun: Regierungschef. Dietmar Woidke hat durchgehalten und soll nun das großes Erbe von Manfred Stolpe und Matthias Platzeck antreten und Brandenburg für die SPD halten.

Potsdam - Eigentlich sollte er schon einmal ausgemustert werden - doch jetzt ist er wieder ganz vorne mit dabei: Dietmar Woidke, 51, seit Oktober 2010 Innenminister Brandenburgs, von Herbst 2009 Chef der SPD-Landtagsfraktion und von 2004 bis 2009 Agrar- und Umweltminister in der rot-schwarzen Regierung, wird nun also Nachfolger von Matthias Platzeck. Nachfolger – schon wieder. Im Herbst 2010 war er Nachfolger von Platzecks Freund und Innenminister Rainer Speer geworden. Nun also der von Platzeck. Gewünscht hat er es sich nicht in diesen Tagen, in denen so viel spekuliert worden war über die Zukunft und den gesundheitlichen Zustand von Matthias Platzeck. So will niemand an ein Amt kommen. Woidke schon gar nicht.

Dass er es in der SPD in Brandenburg noch einmal bis nach oben schafft, war fast schon ausgeschlossen. Denn Platzeck selbst und die engste SPD-Führung hatten ihn 2009 im Zuge der Landtagswahl versucht, den damaligen Umweltminister Woidke abzuschieben in die Provinz - Landrat in Spree-Neiße sollte er werden und dort parteiintern gegen seinen Genossen und Landrat Dieter Friese antreten. Doch Woidke, der als Wackelkandidat bei einem rot-roten Projekt galt und dem engen Führungszirkel um Platzeck herum damals nicht geheuer war, wollte nicht, wehrte sich und paktierte mit dem bisweilen unberechenbaren Friese. Den wollte SPD-Generalsekretär Klaus Ness gern am Weitermachen hindern. Fiese galt als Risiko für die Partei. Doch Ness, so verbreitete es Woidkes Umfeld, wollte nicht offen gegen Friese vorgehen und Woidke vorschieben. Der, bis dahin immer loyaler Diener seiner Landesherren, berichtete Friese von den Putschplänen. Friese fertigte dann Ness bei einem Treffen mitten auf dem Marktplatz in Cottbus am 3. Oktober ab, gab ihm nicht die Hand und erklärte dem - der Überlieferung nach - verdatterten Ness, er könne sich die Frage, die er stellen wolle, "in den A... schieben" - er mache weiter.

Der Rest ist Geschichte: Als Friese dann Anfang 2010 bei der Landratswahl am CDU Gegenkandidaten scheiterte, war Woidke in Potsdam längst Chef der SPD-Landtagsfraktion. Woidke, seit 1993 SPD-Mitglied, hatte nach der Landtagswahl Ansprüche gestellt: Wenn schon kein Ministeramt bei Rot-Rot, dem er äußerst skeptisch gegenüber stand, dann aber eben eines in der Fraktion - das höchste.

Woidke konnte auch Ansprüche stellen: Er hatte seinen Wahlkreis direkt gewonnen - einen, den zuvor die CDU hatte, den man ihm angedient hatte, auch in der Hoffnung, er werde vielleicht scheitern. Doch statt über die Hintertür, die Landesliste in den Landtag einzurücken, nahm Woidke vorn die Freitreppe: Er war der einzige Sozialdemokrat, der einen neuen Wahlkreis geholt hatte - einen von der CDU. Die anderen, die ihn abschieben und keine Luft an den damaligen inneren Zirkel um Platzeck herum lassen wollten, waren beim Wähler fulminant gescheitert: Rainer Speer, der erstmals bei einer Wahl antrat, bekam in Falkensee weniger Stimmen als die SPD. Klaus Ness erging es in seinem Wahlkreis ähnlich. Speer verlor gegen CDU-Frau Barbara Richstein, Ness gegen die Linke Gerlinde Stobrawa. Gegen Woidke konnten sie nun nichts mehr tun.

Als Innenminister erbte Woidke von Speer sein bislang schwierigstes Projekt: die Polizeireform mit der massenhaften Reduzierung der Polizei im Land. Es hagelte Proteste und Probleme, steigende Kriminalität, weniger Polizeipräsenz in der Fläche, geschlossene Polizeiwachen. Woidke steuerte leicht gegen – ganz befriedet sind das Land und die Partei mit dem Projekt noch immer nicht. Aber es ist nicht mehr so schlimm. Woidke hat ein paar Pflaster geklebt auf Wunden – aber im Kern verringert er die Polizei auch weiterhin. Aber er hat sich damit bewährt, hat nicht gepoltert wie Speer, ist auf Gewerkschaften und besorgte Kommunalpolitiker zugegangen.

Zudem hat er seinen Regierungschef stets auch öffentlich gegen Kritik etwa in der Stasi-Debatte verteidigt. Selbst dann, wenn er eigentlich anderer Meinung war. Woidke hat sich loyal gezeigt, auch gegenüber dem Koalitionspartner von den Linken. Woidke mag die Linke nicht. Der traut er nicht. So, wie er schon der SED nicht traute.

Woidke, in zweiter Ehe verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter, hatte in den 1980er Jahren an der Berliner Humboldt-Universität Tierproduktion und Ernährungsphysiologie studiert. Er hatte nach der Wende von 1990 bis 1993 die wissenschaftliche Abteilung eines Mineralfutter-Herstellers geleitet und 1993 promoviert. Woidke gilt als umgänglich, auch Land-tauglich. "Er ist kein Großkotz", sagte ein langjähriger Wegbegleiter.

Jedenfalls zeigte Woidke, der von 1998 bis 2003 Stadtverordneter in seiner Heimatstadt Forst in der Lausitz war und von 1998 bis 2004 für die SPD im Kreistag Spree-Neiße saß, dass er doch verlässlicher ist, als Platzecks Einflüsterer um SPD-Generalsekretär Klaus Ness glaubten: Er wurde schon als Fraktionschef einer, der offen der Parteiführung zeigte, dass sie auf ihn zählen kann. Und dass er die Fraktion hinter sich und Platzeck und dessen SPD-Linken-Experiment sammeln kann. Über Speer, dessen ruppige Art er nicht immer schätzte und dessen Umgang er teils verachtete, hatte er einmal gesagt: "So was geht nicht ständig gut - irgendwann fliegt der Rainer mal darüber. Man kann sich nicht alles leisten, man kann sich nicht nur Feinde machen."

Dass Woidke nun Platzecks Nachfolger wird, zeigt vieles: Nämlich, dass er sich bewährt hat. Aber auch, dass es keinen anderen gibt. Es ist kein Besserer in Sicht. Der Kreis um Platzeck und Ness hat keinen Nachwuchs herangezüchtet, niemanden neben Platzeck groß werden lassen. Alle Kritiker des Kurses von Platzeck und vor allem Ness sind weg. Nun also Woidke, der sich einmal nicht hat klein kriegen lassen. Und mit dem für die Zeit nach der Landtagswahl  2014 auch eine alte Option für die SPD wieder offen ist: ein Bündnis mit der CDU. Woidke kommt aus einer eher traditionellen CDU-Familie.

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