Landwirtschaft: Brandenburgs Bauern machen Minister den Hof
Der grüne Agrar-Ressortchef Axel Vogel muss geschickt zwischen den Landwirtschaftslobbys lavieren.
Krielow - Heimelig ist es in der guten Stube von Landwirt Marco Hintze in Krielow. Auf dem Tisch steht rustikales, blaues Keramikgeschirr, der Kaffee dampft, auf einem Teller locken halbe Schrippen mit grober Hausmacher-Leberwurst, Mett und Frischkäse. Aber Axel Vogel kann es sich nicht so richtig gemütlich machen. Auch wenn Bauer Hintze ein grünes T-Shirt angezogen hat – Brandenburgs neuer grüner Agrarminister sitzt zwischen den Stühlen an dieser Kaffeetafel.
Der Bauernbund Brandenburg hat Vogel auf den Hof des Verbandspräsidenten Hintze in Potsdam-Mittelmark geladen – um mit ihm über die Zukunft der EU-Agrarsubventionen und den Ausverkauf der märkischenLandwirtschaft zu diskutieren. Zuerst in kleiner Runde, dann wird neuer Kaffee aufgebrüht und das Gespräch über die Heuschreckenplage vor der Presse noch einmal durchexerziert.
Kleine und große Lobbyverbände
Eigentlich, vom Grundsatz her, liegen Bauernbund und Vogel auf einer Linie. Flächenverkäufe an ausländische Investoren sind auch dem grünen Minister ein Graus. Die Agrarstruktur, die in Folge der DDR-Landwirtschaft von großen Betrieben geprägt ist, bezeichnete Vogel schon früher als Problem. Aber: Vogel, gebürtiger Nordrhein-Westfale, seit 1991 in Brandenburg, weiß natürlich sehr genau, aus welchem Stall Hintze kommt: Der Bauernbund vertritt die kleineren Familienbetriebe in Brandenburg, hat 480 Mitglieder. Ein – im Vergleich zum Landesbauernverband, der sich selbst als Interessenvertretung aller rund 36.500 Brandenburger Landwirte versteht – kleiner Lobbyverband, der mit seinem Cowboyhut tragenden Präsidenten Hintze und seinem wortgewaltigen Geschäftsführer Reinhard Jung aber mächtig laut werden kann.
„Ich muss die gesamte Bauernschaft repräsentieren. Genossenschaften sind auch wichtig“, betont Vogel deshalb schnell, als ihm der Bauernbund seine Vorstellung präsentiert, wie die knapper werdenden EU-Fördermittel so umgelenkt werden könnten, dass nur kleine Betriebe profitieren und Heuschrecken, die sich Höfe einverleiben, abgeschreckt werden können. Die bäuerlichen Familienbetriebe wollen bei der Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik ab 2021 stärker berücksichtigt werden.
"Ausverkauf muss gestoppt werden"
Fördermittel, erklärt Jung, sollten nur bis zu einer Hofgröße von 400 Hektar gezahlt werden. Große Betriebe wären dann gezwungen, sich zu teilen, um in den Genuss der Förderung zu kommen. Die Antragsteller müssten dann unterschreiben, dass sie ortsansässig sind, in einem Umkreis von 30 Kilometern vom Hof wohnen und keine Anteile an einem weiteren Betrieb besitzen. Dass, so hofft der Bauernbund, würde Investoren und Holdings abhalten, die beispielsweise von den Niederlanden aus Großbetriebe in Brandenburg aus reiner Profitgier führen. „Der Ausverkauf der ostdeutschen Landwirtschaft muss gestoppt werden“, sagt Jung. Wenn das nicht auch im Sinne grüner Politik sei, „müssten wir uns sehr wundern“, fügt er hinzu.
Aber so einfach lässt sich Vogel, Brandenburgs erster grüner Agrarminister nach 19 Jahren SPD-Ressortführung, nicht den Hof machen. Er sei skeptisch, dass eine Bemessung der Fördermittel allein nach Fläche der richtige Weg sei. Diskutiert werde auch, dass die Zahl der Beschäftigten berücksichtigt wird – was den Familienbetrieben nicht gefällt. Vogel will ein Agrarstrukturgesetz, mit dem Flächenverkäufe an außerlandwirtschaftliche Investoren verhindert werden könnten. Die Preise könnten begrenzt werden, sowohl bei Pachten als auch bei Verkäufen. „Und wir können festlegen, dass ortsansässige Bauern bei der Vergabe von Flächen bevorzugt werden“, hatte Vogel bereits im Januar in einem PNN-Interview erklärt.
Weniger Bürokratie für kleine Höfe
Den Bauernbund befriedet das nicht, die Familienbetriebe würden trotzdem zu wenig beachtet. Zu einem Zugeständnis ringt sich Vogel schließlich durch: Er spricht sich für eine Erleichterung für kleine Höfe aus, was die bürokratischen Auflagen angehe. Bei Großbetrieben gebe es oft eine eigene Arbeitskraft, die sich nur um Förderanträge und Ähnliches kümmere. Das sei bei kleinen Betrieben nicht möglich. Hintzes Frau im Hintergrund nickt. Sie arbeite seit Jahren in dem Familienbetrieb, in dem rund 150 Rindern gehalten werden, mit – unentgeltlich.
Eine nostalgische Standuhr tickt wohlig vor sich hin. Aber der Minister macht sich vom Hof. Er muss weiter. So verpasst er Hintzes Nachhaltigkeitsplädoyer, das ihm wohl gefallen hätte. Wer ein Kilo Schweinehack für 1,99 Euro kaufe, dem müsse klar sein, wie das produziert werde, sagt Direktvermarkter Hintze. „Meine Tiere verlassen den Hof nicht auf dem Lkw“, sagt er, „sondern in der Handtasche“.
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