Brandenburg: Berlins Polizeipräsident Kandt muss gehen
Innensenator versetzt 57-Jährigen in einstweiligen Ruhestand und hat Favoriten für die Nachfolge.
- Alexander Fröhlich
- Frank Jansen
- Ronja Ringelstein
Berlin - Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) will bis Mitte April einen neuen Polizeipräsidenten berufen. Am Montag versetzte er den bisherigen Behördenchef Klaus Kandt in den einstweiligen Ruhestand. Der Innensenator begründete dies mit fehlendem Vertrauen in Kandt, den Neuanfang in der Berliner Polizei glaubhaft zu verkörpern, da der 57-Jährige vor allem mit früheren Problemen im Verbindung gebracht werde. „Die Polizei muss frei gemacht werden von den Debatten der Vergangenheit“, sagte Geisel. Nach einem Jahr Aufarbeitung des Terroranschlags am Breitscheidplatz vom Dezember 2016 müsse der Blick nach vorne gerichtet werden.
Geisel hat für Kandts Nachfolge bereits einen Favoriten, hüllte sich aber in Schweigen, wen er dem Senat vorschlagen will. Ausgeschrieben wird der Posten nicht. In Sicherheitskreisen hieß es, treibende Kraft sei Innenstaatssekretär Torsten Akmann, der einen Beamten aus dem Bund holen wolle. Geisel sprach von einer neuen Doppelspitze aus externem Sachverstand und Berlinkompetenz.
In mehreren Fällen sah sich der Senator wegen fehlender Informationen brüskiert
Bis ein neuer Polizeipräsident antritt, soll der dienstälteste Polizeiführer, der Chef der Direktion 5 (Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg), Michael Krömer, ab 1. März die Behörde kommissarisch führen. Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers wird dann Generalstaatsanwältin. Wenn sie Anfang September auf dem neuen Posten die Probezeit überstanden hat, wird ein neuer Polizeivize nach einer Ausschreibung ernannt. Der Wechsel von Koppers sei die Gelegenheit für einen Neustart, sagte Geisel. Er „brauche einen Polizeipräsidenten, der die Erneuerung mit Leidenschaft angeht“.
Konkrete Gründe für Kandts Rausschmiss nannte Geisel nicht. Er erinnerte aber an den Anschlag des islamistischen Terroristen Anis Amri. Hierbei habe Kandt eine „selbstkritische und schonungslose Aufarbeitung“ betrieben. Einen Zusammenhang mit dem Untersuchungsbericht der von Kandt eingesetzten „Taskforce Lupe“ zu den Pannen im Fall Amri, der demnächst fertig sein soll, bestritt Geisel. Sein Verhältnis zu Kandt galt seit Langem als angespannt. In mehreren Fällen sah sich der Senator wegen fehlender Informationen brüskiert. Hinzu kam der Zustand der Schießstände, weshalb gegen Kandt und Koppers aufgrund möglicher Gesundheitsgefahr wegen Körperverletzung im Amt ermittelt wird. Zuletzt hatte die Polizeiakademie – mit Disziplinlosigkeit, kriminellen Anwärtern, Personalnot und Reformchaos – Aufsehen ausgelöst.
Vom Bundesgrenzschutz an die Spitze der Berliner Polizei
Kandt selbst zeigte sich überrascht, er akzeptiere aber den Entschluss für den innenpolitischen Neuanfang. In einem internen Schreiben erklärte er gemeinsam mit Koppers, die Polizei sei gut aufgestellt, der Aufbruch längst im Gange – mit mehr Personal, mehr Nachwuchs, dem Ende des Beförderungsstaus und mehr Geld für neue Technik. Zudem sei eine Trendumkehr bei Kriminalitätsbelastung und Aufklärungsquote geschafft.
Die Opposition im Abgeordnetenhaus zeigte sich uneins: CDU-Fraktionschef Florian Graf sprach von einem „brutalen Angriff auf die Unabhängigkeit der Polizei“ und vermutet politische Gründe; Kandt ist CDU-Mitglied. Es dürfe keine Auswahl nach Parteibuch geben. FDP-Innenexperte Marcel Luthe nannte Kandts Entlassung längst überfällig. Wie Luthe kritisierte AfD-Fraktionschef Georg Pazderski, dass auch Koppers Verantwortung trage, nun aber befördert werde. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nannte Geisels Schritt folgerichtig. Zuweilen habe man bei Kandt Führungsstärke vermisst – intern und gegenüber dem Senat. Erwartet hatte das freilich kaum jemand. Schließlich hat der gebürtige Schwabe, der seit 1986 in Berlin lebt, eine herausragende Karriere als Elitepolizist vorzuweisen. Härte und Kompetenz im Einsatz hat ihm nie jemand abgesprochen.
Er startete beim Bundesgrenzschutz, wechselte dann zur Anti-Terror-Eliteeinheit GSG 9. Bei seinen nachfolgenden Stationen als Leiter der polizeilichen Spezialeinheiten in Brandenburg tat er sich bei spektakulären Einsätzen gegen die organisierte Kriminalität hervor. Auch als sachkundiger Polizeipräsident von Potsdam ab 2005 oder als Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin von 2008 bis 2012 empfahl sich Kandt für weitere Aufgaben.
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