Nach dem Rücktritt von CDU-Chef Senftleben: „Aushängeschild einer weltoffenen CDU“
Die Nachricht vom Rückzug Ingo Senftlebens platzt mitten in die Sondierungen. Wie reagiert die Politik in Brandenburg?
Potsdam - Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse, geht der Regieplan der Brandenburger CDU nicht mehr auf. Und dann geht plötzlich alles ganz schnell. Kurz nach 14.30 Uhr treten Brandenburgs CDU-Generalsekretär Steeven Bretz und der Bundestagsabgeordnete Michael Stübgen im Innenhof des Potsdamer Landtags vor die Presse und bestätigen, was die PNN zuvor berichtet hatten: Spitzenkandidat Ingo Senftleben zieht Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Landtagswahl vergangenen Sonntag und will am Dienstag von allen politischen Ämtern – Partei- und Fraktionsvorsitz – zurücktreten. Stübgen soll kommissarisch die Partei führen. Ein Paukenschlag mitten während der wichtigen Sondierungsgespräche, der ein Befreiungsschlag sein soll, nachdem der innerparteiliche Druck auf Senftleben in den vergangenen Tagen immer größer wurde.
Die Union kam nicht zur Ruhe
Der Landtagsabgeordnete Frank Bommert aus Oberhavel und die Potsdamer Abgeordnete und frühere CDU-Landesvorsitzende Saskia Ludwig, die Mitglied der Werte-Union ist, forderten wegen der Wahlniederlage der CDU Senftlebens Rücktritt.
Die CDU hatte mit 15,6 Prozent das schlechtes Ergebnis seit 1990 eingefahren. Seitdem kommt die Union nicht zur Ruhe, wurde der Riss immer größer. Auf der einen Seite forderten 14 Kommunalpolitiker, Bürgermeister und Landräte in einer Erklärung ein Ende der Personalquerelen. „Die Chance, wichtige Inhalte in den kommenden Jahren mitzugestalten, darf man jetzt nicht durch Personaldebatten verstellen.“ Unterstützung bekam Senftleben auch von Anja Schmollack, der Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft im Land.
Alleingänge und sein Wahlkampf werden ihm angelastet
Dagegen hatte der Kreisvorstand in der Uckermark, wo der Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen Vorsitzender ist, in einem Schreiben an den Landesvorstand zuletzt Senftleben „maßgeblich für das historisch schlechte Abschneiden“ verantwortlich gemacht, und „eine strukturelle und personelle Neuaufstellung der Führungsebene“ gefordert. Und zwar „spätestens“ zum Ende der Sondierungen. Angelastet werden Senftleben unter anderem, dass er eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausgeschlossen hatte, aber auch Alleingänge und sein Wahlkampf.
Senftleben ist seit 2014 Fraktionschef im Landtag. Ein Jahr später hatte er den Parteivorsitz übernommen. Unter seiner Führung war in den letzten Jahren wieder Geschlossenheit im für Querelen und Grabenkämpfe berüchtigten Landesverband eingekehrt, hatte sich die Union im Landtag als substanzielle Oppositionspartei profiliert. Sein Ziel, die CDU zur stärksten Partei zu machen und selbst Ministerpräsident zu werden, hat der 45-Jährige jedoch krachend verfehlt. Seitdem rumort es in der CDU. Und seine Gegner wollten keine Zugeständnisse machen. Zur Sondierung von SPD und CDU, die vom Machtkampf in der Union und der Spaltung der Fraktion überschattet wurde, hatte Senftleben erklärt: „Es ist klar, dass die Union genauso stabil sein muss wie die anderen Partner.“ Und: „Ich werde meinen Beitrag dazu leisten, dass wir ein verlässlicher Partner in einer Regierung werden können.“
Die Nachricht von Senftlebens Rückzug platzte am Freitagmittag in das gerade zu Ende gehende erste Sondierungsgespräch zwischen SPD und Grünen. Der sichtlich überraschte SPD-Generalsekretär Erik Stohn sagte in einer ersten Stellungnahme: „Die CDU muss für sich klären, ob sie ein stabiler Partner ist. Dieser Prozess ist auch mit dem Rücktritt von Ingo Senftleben nicht abgeschlossen.“ Er appelliere an die CDU als in den Landtag gewählter Partei, sich ihrer Verantwortung bewusst sein. „Es geht darum, eine stabile Regierung für Brandenburg zu bilden.“ Ob Jan Redmann der geeignete wäre, um die CDU-Fraktion stabil zu führen, wollte Stohn nicht kommentieren. „Die CDU muss ihren Weg finden.“
"Ehrlich gesagt sind wir ziemlich erschüttert"
Die Grünen wollten sich nicht sofort äußern, sondern verschickten zwei Stunden später eine Stellungnahme. Die Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl und Mitglieder des bündnisgrünen Sondierungsteams Ursula Nonnemacher und Benjamin Raschke erklärten am Freitagnachmittag: „Ingo Senftleben war für uns das Aushängeschild einer liberalen und weltoffenen CDU, mit der wir in den letzten fünf Jahren im Landtag gut zusammengearbeitet haben. Ehrlich gesagt sind wir ziemlich erschüttert, wie die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der CDU laufen und die Partei mit ihrem Spitzenpersonal umgeht.“ Es sei die weltoffene und liberale CDU, mit der sich die Grünen eine Zusammenarbeit in einer Kenia-Koalition als eine von zwei Optionen bislang zumindest vorstellen konnten. „Setzt sich jedoch der Siegeszug des rechtskonservativen Flügels um Saskia Ludwig und Frank Bommert fort und bleibt es dort bei Spaltung und Chaos, wäre Kenia für uns erledigt“, so Nonnemacher und Raschke.
Senftleben-Gegnerin Saskia Ludwig kommentierte dessen Rückzug am Freitag mit nur einem Wort: „Respekt!“ Mehr wolle sie nicht dazu sagen.
Die Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke hingegen reagierte mit einem Tweet, den im Netz viele als respektlos kritisierten. „FridaysForFuture auf Brandenburgisch“ schrieb sie zu Senftlebens Rückzug am Freitag.
Der Landesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Uwe Feiler, findet hingegen anerkennende Worte für Senftleben. Dessen Rücktrittsentscheidung nehme die Vereinigung „mit großem Respekt und großer Anerkennung zur Kenntnis“. Sie ermögliche der CDU jetzt eine personelle Neuaufstellung. Gleichzeitig appelliert Feiler an die Landtagsfraktion, bei der Neuwahl der Fraktionsspitze geschlossen aufzutreten. Der bisherige parlamentarische Geschäftsführer Jan Redmann soll am Dienstag statt Senftleben kandidieren – Frank Bommert will das mit einer Gegenkandidatur verhindern.
"Partei ohne Kompass und innere Stabilität"
Anja Mayer, die Chefin der Brandenburger Linkspartei, auf die sich Senftleben mit seinem liberalen, modernen Kurs zubewegt hatte, meint deshalb: „Die CDU Brandenburg ist und bleibt eine Partei ohne Kompass und innere Stabilität“, so Mayer. „Der Personalaustausch ändert nichts daran, dass die Partei zu einem Teil zur AfD tendiert und zum anderen Teil keine Strategie hat.“
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