Gastbeitrag zum Umzug des Ministeriums: "Aktionismus schadet vielen"
Der von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke angekündigte Umzug des Wissenschaftsministeriums ist kein Zeichen des Respekts, findet sein Parteifreund. Ein Gastbeitrag.
Das MWFK soll in die Lausitz! Will man damit die Landesregierung willkürlich teilen? Auspice finem! Beachte was daraus folgt ... Aktionismus ist, wenn man etwas tut, damit man etwas getan hat. Aktionismus hilft wenig und schadet vielen! Um es vorweg zu sagen und um nicht missverstanden zu werden in einer Region, die ich vier Jahre im Bundestag vertreten habe: Natürlich muss etwas getan werden, wenn die industrielle Basis einer Region nach einer notwendigen und richtigen politischen Entscheidung in Zukunft nicht mehr da sein wird. Aber gerade weil die Kohleabbaggerung und Kohle-Verstromung zwar Gewinn brachte, aber nicht mehr nachhaltig ist, muss man nun für das entstandene Problem aus RGW-Zeiten Antworten finden, die endlich nachhaltig sind.
Die Menschen, die nicht nur mit ihrer Hände Arbeit den Strom für den Osten über 70 Jahre organisiert haben, sondern auch Jahrzehntelang am Grauschleier ihrer draußen auf der Leine getrockneten Wäsche gesehen haben, dass das für sie nicht gesund ist, haben den Respekt und die Solidarität aller verdient. Dass sich mit der von uns allen gewollten Deutschen Einheit vor 30 Jahren vieles ändern würde, war klar und gewollt. Fast als erstes traf es übrigens Bonn. Bonn konnte nun nicht mehr Bundeshauptstadt sein. Die Regierung sollte wieder in der zehnmal größeren Stadt Berlin sein. Bonn hat mit allen Tricks und Kniffen gekämpft und verloren. Weil alles dafürsprach, dass die Hauptstadt vom großen Rhein an die kleine Spree zieht. Und geteilte Hauptstädte mit geteilter Regierung sind nun einmal schlicht Blödsinn. In Bonn blieben Außenstellen, die Köpfe der Ministerien sitzen in Berlin. Und geflogen wird von Jahr zu Jahr weniger. Das wusste man hier in der Region und vor allem in Potsdam doch sehr klar, als es um die Bundeshauptstadt ging. Der Bund hat Bonn geholfen und heute lebt es sich dort so gut wie noch nie in der langen Geschichte.
Mehrere Städte und Dörfer in Brandenburg haben in den letzten 30 Jahren eine Halbierung erlebt. Und existieren immer noch. Und zwar nicht schlecht. Weil sie nachhaltige und hilfreiche Unterstützung bekamen. Eine andere Stadt Brandenburgs hat sich verdoppelt. Auch die brauchte Hilfe. Übrigens gegen das lang verfolgte und nie offiziell beerdigte Konzept der dezentralen Konzentration. Das immer nur gut gemeint war!
Die Bundesregierung nimmt ja einmal mehr Rücksicht auf den Osten, in dem sie zuerst die Braunkohle-Kapazitäten im Westen zurückfährt. Damit bleibt Zeit für sinnvolle Hilfe und kluges Management im Osten. Aber die will klug genutzt sein. 150 Arbeitsplätze, die nun aus Potsdam nach Cottbus umgezogen werden sollen, sind bei mehreren Tausend Arbeitsplätzen, die mittelfristig dort gebraucht werden, bestenfalls ein Tröpfchen auf den heißen Generator der Braunkohleverstromung.
Außerdem: Aus guten Gründen hat man die TU Cottbus doch erst vor Kurzem mit der FH Lausitz fusioniert. Damit ist nun aber von nur noch acht Hochschulen Brandenburgs nur noch eine südlich von Wildau. Und Wildau zählt nun ja wirklich noch nicht zu Südbrandenburg. Es geht doch auch gar nicht zuerst um die Städte, sondern um die Menschen, die dort wohnen. Die Bevölkerung in Cottbus hat sich von 51 622 Menschen im Jahr 1949, als die DDR gegründet wurde, auf 128 943 Einwohner im Jahre 1989, als wir sie beendet haben, mehr als verdoppelt. Und ist in den letzten 30 Jahren schon um rund 30 000 gesunken. Dieser Prozess lässt sich nicht stoppen! Denn die Menschen, vor allem die jungen Leute, gehen dahin, wo es für sie attraktiv ist.
Deshalb ist es wichtiger, Forschungseinrichtungen dort zu etablieren, die mit ihren Ausgründungen neue, bleibende und nachhaltige Arbeitsplätze schaffen. Und wenn man für die Bundespolizei, die mit ihrer Zentrale nach Potsdam kommt, Cottbusern eine vorrangige Chance und zugleich bezahlbaren Wohnraum gibt, gewinnt man damit die Zeit, die man braucht, um in der doch nun wirklich schönen und lebenswerten Stadt Cottbus neue Investoren anzusiedeln.
Man muss die Ausgründungen der Uni Cottbus dafür mit so viel Geld unterstützen, dass es sich für sie lohnt, in der Lausitz, im Spree-Valley zu bleiben. Auch die Teilung der Landesregierung durch Umsiedlung des Wirtschaftsministeriums nach Cottbus ist nur so viel sinnvoller wie Unfug halt sinnvoller als Unsinn ist.
Der Umzug des MWFK aber ist kein Zeichen des Respekts! Weder für die Lausitz, noch für das MWFK sowie Wissenschaft, Forschung und Kultur. Diese Entscheidung ist nicht nachhaltig, denn dieser Aktionismus wird nach den Wahlen wieder kassiert werden. Unter den Blinden ist der Einäugige König. Aber wer nur mit einem Auge sieht, der sieht nur, dass was passiert! Und sieht nicht, was es bewirkt. Und diese Einäugigen hatten ja leider nicht einmal den Mut zu notwendigen und richtigen Entscheidungen! Wie zum Beispiel der seit Jahren notwendigen Kreisreform. Insofern lassen Sie uns hoffen, dass wie bei der Kreisgebietsreform jetzt auch hier gilt: Außer Spesen (also Diäten) nichts gewesen.
Der Autor gehörte 1989 zu den Mitbegründern der Sozialdemokratischen Partei der DDR (SDP) und war nach der Vereinigung von SDP und SPD bis Juli 2000 Landeschef der SPD Brandenburg. Von 1994 bis 1999 war er Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg.
Und was meinen Sie? Schreiben Sie uns an leserpost@pnn.de!
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