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Debatte im Landtag Brandenburg: AfD auf der schiefen Ebene nach rechts

Die AfD-Fraktion hat sich am Donnerstag im Landtag Brandenburg selbst offenbart. Zuerst bei der Feierstunde zum Tag der Befreiung, später in der Debatte um minderjährige Flüchtlinge. Alexander Gauland kassierte auch noch einen Ordnungsruf.

Potsdam – Die rechtspopulistische AfD isoliert sich im Landtag Brandenburg immer stärker selbst. Am Donnerstag kassierte Fraktionschef Alexander Gauland einen Ordnungsruf von Parlamentspräsidentin Britta Stark. Es war eine hitzige Debatte an diesem Donnerstag im Landtag Brandenburg. Am Vormittag noch hielt das Parlament eine Feierstunde zum Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und zum Ende des II. Weltkrieges in Europa ab. Schon dabei hatte sich die AfD selbst offenbart. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte gesagt, nach einer Forsa-Umfrage würden 42 Prozent der Deutschen gern einen Schlussstrich unter die Debatte um die NS-Vergangenheit ziehen. „Das darf es nicht geben“, erklärte Woidke. Der gesamte Landtag applaudierte, lediglich die rechtspopulistische AfD klatschte nicht.

Königer warnte vor minderjährigen Flüchtlingen, die im Auftrag von Banden agieren

Schließlich befasste sich der AfD-Abgeordnete Steffen Königer aber hatte ein ganz anderes Problem. Er warnte vor minderjährigen Flüchtlingen, die im Dienst krimineller Banden Drogen verkaufen oder stehlen gehen.

Quelle Video: rbb/Parlamentsfernsehen

Bei einem anderen Tagesordnungspunkt dann eskalierte die Stimmung im Landtag. Die AfD hatte beantragt, Sicherheitspartnerschaften von Bürgern, die in ihren Gemeinden auf Kontrollgänge gehen, mit Eingriffs- und Hoheitsrechten ausstatten. Selbst CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher sprach von einem Antrag aus „der Schublade politische Kuriositäten und Absurditäten“. Und er sagte: "Wer soll Sie innenpolitisch noch ernst nehmen? Ich kann es nichts. Sie sind keine Alternative für Deutschland."

Noch deutlicher wurde Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher. „Wenn es noch irgendeines Beweises bedurft hätte, dass es sich bei der AfD um eine in Auflösung begriffene Demagogenstruppe handelt, der vorliegende Antrag räumt letzte Zweifel aus.“

"AfD verlässt Boden der Rechtsstaatlichkeit"

Nonnemachers rechnete in ihrer pointierten Rede mit der AfD ab und fand deutliche Worte. „Mit diesem Antrag verlässt die AfD-Fraktion den Boden der Rechtsstaatlichkeit hin zu einem beängstigenden rechtsfreien Paralleluniversum“, sagte sie. Die AfD sei auf einer Talfahrt auf der schiefen Ebene nach rechts. „Von einer eurokritischen Partei rechts der CDU hin zu einer Partei am äußeren rechten Rand mit kaum noch wahrnehmbarer Trennschärfe zum Rechtsextremismus“, sagte Nonnemacher (siehe Auszüge unten). Die AfD-Fraktion tobte. Fraktions- und Landeschef Gauland ließ sich zu dem Ausruf hinreißen: „Ihr seid doch alle bekloppt.“ Darauf sprach Landtagspräsidentin Stark gegen ihn einen Ordnungsruf aus.

Anträge zu Flüchtlingsheimen und die "Nazi-Keule"

Am Abend dann lagen dem Landtag noch zwei Anträge der AfD vor - beide wurden abgelehnt. Es ging um Flüchtlinge und neue Heime. In einem Antrag heißt es: „Niemand weiß mehr, wie die Flüchtlingssituation in seiner Kommune in einem Monat oder in einem Jahr aussieht. Schlimmer noch, die Menschen müssen befürchten, dass neben der ersten Flüchtlingsunterkunft bald eine zweite oder dritte aus dem Boden gestampft wird. Das ist nicht unbegründet, denn die unkontrollierte Zuwanderung und die fehlende Konsequenz bei gesetzlich gebotenen Abschiebungen sind keine Merkmale für eine Politik, deren zentrale Aufgabe ist, Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden.“

Königer beklagte sich, dass stets die “Rechtsextremismus- und Nazi-Keule” geschwungen werden, wenn Bürger Vorhaben für neue Flüchtlingsheime in ihren Gemeinden ablehnten. Die Bürger würden zu wenig eingebunden. Zudem sprach er von direkten Folgen einer verfehlten Asylpolitik, warf der Landesregierung zu weniger Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und eine fehlenden Einbindung der Bürger vor. In dem Antrag selbst forderte die AfD konkret, nur dort Flüchtlingsheime zu erreicht, wo es die Bürger dem mehrheitlich zustimmen. Damit sollen Flüchtlingsunterkünfte dort “vermieden werden, wo die gesellschaftliche Akzeptanz am geringsten ist”.  

CDU wirft AfD Fremdenfeindlichkeit vor

Es folgte erneut eine hitzige Debatte, wo SPD, Linke und CDU sich zuvor abgesprochen hatten, das zu den Heim-Anträge jeweils nur ein Vertreter der drei Fraktionen spricht. In diesem Fall war es Barbara Richstein (CDU). Sie ersparte sich, wie sie sagte, überhaupt noch mit einem fachlichen Argument zu reagieren. “Ihre Anträge schlagen dem Fass den Boden aus”, sagte sie. Und die Anträge der AfD seien unlauter - gerade mit Blick auf die Feierstunde des Landtags am Vormittag zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren. Schon reagierte die AfD mit lauten Zwischenrufen, Landtagspräsidentin Stark müsste um “Mäßigung bitten”. Richstein. “Ich möchte mir nicht vorwerfen lassen, dass wir den Opfern von Diktaturen nicht die Hilfe zuteil haben zukommen lassen, die sie hier gesucht haben”, sagte Richstein. Die AfD biete keine Lösungsansätze an. Bei fehlender Akzeptanz für Flüchtlingsheime vor Ort seien Aufklärung und Bildung nötig, nicht Ausgrenzung. Richstein warf der AfD vor, die aktuelle Lage “zu missbrauchen, um ihre politische Fremdenfeindlichkeit darzustellen”. Sozialminister Diana Golze (Linke) reagierte noch gelassen auf die AfD. Es werde immer Menschen geben, die Ängste ausnutzten, um Ablehnung zu schüren, sagte sie.

Königer redete sich noch einmal in Rage. Den anderen Fraktionen warf er vor: “Ihnen ist das Volk egal.” Zudem verglich er die politische Lage im heutigen Brandenburg mit jener in der Wendezeit im Oktober 1989 in der früheren DDR. Die anderen Parteien würden den Ausspruch “alle Staatsgewalt geht vom Volke aus” nicht mehr ernst nehmen.Die Grünen könnten mit SPD und Linken eine “SED 2.0” bilden, die CDU kenne sich als “Blockflöte” ja aus, dann sei Brandenburg eine “DDR 2.0”.

Linksfraktionsvize Ralf Christoffers wollte das alles nicht unerwidert im Raum stehen lassen. Er verwahre sich dagegen, dass die AfD definiert, wer das Volks sei und was es wolle, erklärte er. Dieser Plenartag im Landesparlament sei beschämend und ein absoluter Tiefpunkt.

Neue Strategie der Rechtspopulisten

Tatsächlich verfolgte AfD mit dem Antrag eine perfide Strategie. Dazu stellte sie sechs weitere Entschließungsanträge zu sechs konkret geplanten Flüchtlingsheimen. Zudem hatte die AfD eine namentliche Abstimmung gefordert, alle Anträge wurden abgelehnt. Damit kann sie nun in den sechs betroffenen Städten und Gemeinden Stimmung gegen die übrigen im Landtag vertretenen Parteien machen - dass jene nämlich angeblich die Probleme und Sorgen der Bürger dort nicht ernst nehmen.

Konkret heißt es in den Anträgen, dass der Landtag sich zur Solidarität mit Asylbewerbern, sich zugleich aber auch zur Solidarität mit den Bürgern in Wustermark (Havelland) bekenne, die “aufgrund bereits eingerichteter sowie geplanter Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber vor großen Herausforderungen stehen”. Dasselbe gibt es dann für Zützen, Massow (Dahme-Spreewald), Bliesdorf (Märkisch-Oderland), Kittlitz (Oberspreewald-Lausitz) und Oderberg (Barnim). In den Entschließungsanträgen beklagt die AfD, Verwaltungsentscheidungen für die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften “über die Köpfe der betroffenen Anwohner hinweg”. Die Akzeptanz für Flüchtlingsunterkünfte werde vorausgesetzt und “wer diese nicht vorbehaltlos aufbringt, wird immer häufiger und immer schneller als fremdenfeindlich abgestempelt”. Die Anträge lassen sich hier nachlesen

Asylheime für AfD "Fremdkörper in jeder Gemeinde"

In einem weiteren Antrag forderte die AfD mehr "Tranzparenz für die Bürger" bei neuen Standorten für die Erstaufnahmeeinrichtung und deren Außenstellen für Asylbewerber. Demnach sollte die Landesregierung monatlich berichten, welche Standorte, möglich, in Planung oder fertig geplant sind. Im Antrag selbst ist die Rede davon, dass damit die Akzeptanz bei den Bürgern gesteigert werden könnte. Im Plenum aber machte der AfD-Abgeordnete deutlich, worum es ihm eigentlich geht. "Erstaufnahmestellen sind Fremdkörper in jeder Gemeinde", sagte er. Die andere Fraktionen reagierten empört und lautstark mit Zwischenrufen. Der Linksfraktionschefin Margitta Mächtig etwa empfahl Königer daraufhin das Beruhigungs- und Schlafmedikament Valium, damit sie entspannter sein könne.

Die Linke-Abgeordnete Andrea Johlige sagte, es gehe der AfD mit dem Antrag lediglich darum "Angst zu schüren" und politisches Kapital herauszuschlagen. Die Grünen-Abgeordnete Nonnemacher: "Nach außen hin geht es um Transparenz bei der Schaffung von Erstaufnahmestellen für Flüchtlingen, aber eigentlch ist es nur ein weiterer Versuch der AfD, ihre gegen Flüchtlinge gerichtete Politik zu thematisieren."

Noch mehr zu den Anträgen gibt es hier zu lesen und hier.

Auszug aus der Rede von Ursula Nonnemacher:
„Mit diesem Antrag verlässt die AfD-Fraktion den Boden der Rechtsstaatlichkeit hin zu einem beängstigenden rechtsfreien Paralleluniversum. Die Entwicklung der Brandenburger AfD von der Parteigründung im April 2013 bis zum Pritzwalker Parteitag zwei Jahre später ist eine einzige Talfahrt auf der schiefen Ebene nach rechts. Von einer eurokritischen Partei rechts der CDU hin zu einer Partei am äußeren rechten Rand mit kaum noch wahrnehmbarer Trennschärfe zum Rechtsextremismus.  
Wenn der Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion in der Potsdamer SVV mit der Begründung, sie gleite in eine „nationalvölkische Richtung“ ab, aus der Partei austritt, so spricht dies Bände. Wir erinnern uns an den Auftritt von Herrn Gauland vor der „Staats-und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“in Hamburg, der „Erfurter Erklärung“, in der sich die AfD als Widerstandbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“ definiert bis hin zum Rücktritt von Olaf Henkel aus dem Bundesvorstand mit der Begründung, die Partei werde von „Rechtsideologen“ übernommen. Auch die Einschätzung, bei der AfD wären immer mehr „wolkige Phrasen aus dem Arsenal rechter Splitterparteien“ zu vernehmen, ist jüngeren Datums. Schaut man sich die absurden Machtkämpfe in Kreisvorstand undFraktion in Märkisch Oderland oder in Frankfurt/Oder an, so verfestigt sich der Eindruck von Selbstdemontage. Während –nicht nur in Brandenburg –immer mehr wirtschaftsliberale, europakritische und wertkonservative Parteimitglieder fluchtartig die Parteiverlassen, steigt die Attraktivität für den rechten Bodensatz. Dem trägt der vorliegende Antrag voll Rechnung.“

Mehr dazu lesen Sie in der SAMSTAGSAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN

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