Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam: Ablehnung von Schüler war rechtswidrig
Das Verwaltungsgericht Potsdam hat eine Gesamtschule in Kleinmachnow verpflichtet, trotz fehlender Kapazitäten einen Schüler aufzunehmen. Um solche Fälle künftig zu vermeiden, will das Ministerium das Schulgesetz ändern.
Potsdam - Für viele Familien in Brandenburg ist es ein wegweisender Beschluss: Das Verwaltungsgericht Potsdam hat die staatliche Maxim-Gorki-Gesamtschule in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) in einem Eilverfahren verpflichtet, einen Schüler in die siebte Jahrgangsstufe aufzunehmen. Die Schulleiterin hatte den Aufnahmeantrag zuvor aus Kapazitätsgründen abgelehnt, wie das Gericht mitteilte.
Die Schulleiterin habe in dem Auswahlverfahren zuvor 23 Schüler aus besonderen Gründen angenommen, die weitere Aufnahme sei nach der Nähe des Wohnorts zur Schule erfolgt. Als „besondere Gründe“ habe die Schulleiterin eine besondere Eignung im Hinblick auf das Sportprofil der Schule akzeptiert. Zudem seien Kinder, deren Geschwister bereits die Schule besuchen, aufgenommen worden. Zehn Schülerinnen hätten einen Platz bekommen, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen herzustellen.
Gericht: Das Schulgesetz ist zu unpräzise
Diese Auswahlentscheidung hat das Gericht als rechtswidrig erachtet. Die für das Auswahlverfahren maßgebliche Vorschrift des Paragraphen 53, Absatz 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes genüge nicht dem sogenannten Gesetzesvorbehalt, weil der Gesetzgeber darin zwar das Vorliegen „besonderer Gründe“ als Auswahlkriterium genannt, diese Gründe aber nicht selbst im Gesetz näher definiert habe. Die Festlegung der Kriterien dürfe nicht der Schulverwaltung überlassen bleiben.
Zu viele Mädchen aufgenommen?
Bislang sind besondere Aufnahmegründe wie die Wahrung des Geschlechterverhältnisses nur in der Verordnung für die Sekundarstufe I geregelt, was aus Sicht des Gerichts nicht ausreicht. Selbst wenn so eine Verordnung eine ausreichende Rechtsgrundlage böte, sei unter Berücksichtigung des tatsächlichen Verhältnisses zwischen Mädchen und Jungen an der Kleinmachnower Schule die Aufnahme von zehn Schülerinnen nicht geboten. Die Quotendifferenz bei einem Verhältnis von 42 Mädchen zu 63 Jungen stelle sich nach Auffassung des Gerichts als nicht so signifikant dar, dass ein Ausgleich durch die Aufnahme von zehn Schülerinnen pädagogisch dringend geboten gewesen wäre, so die Begründung.
Der inzwischen rechtskräftige Beschluss sei grundsätzlich für die Aufnahme von Schülern in eine Gesamt- oder Oberschule bedeutend, erklärte Gerichtssprecher Ruben Langer. Gymnasien seien davon nicht betroffen, weil sie ihre Auswahl nach anderen Kriterien treffen. Dort gehe es mehr um besondere Eignung und Leistung.
Das Ministerium legte keine Beschwerde ein
Der Fall aus Kleinmachnow sei kein Einzelfall. Immer wieder würden Schüler abgelehnt, die Eltern versuchten dann über den Gerichtsweg, einen Platz für ihr Kind zu erstreiten – und würden dann meist doch aufgenommen. Hinweise an das Ministerium, für Klarheit zu sorgen, seien bislang nicht beachtet worden, so Langer. Der vorliegende Fall sei geeignet gewesen, um diesbezüglich einen Beschluss mit grundsätzlichem Charakter zu fassen. Die Möglichkeit, dagegen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einzulegen, habe das Ministerium nicht genutzt. Dieses sei nun in der Pflicht, sich mit dem Beschluss auseinanderzusetzen.
Die Schulleiterin äußerte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall, sondern verwies auf das Ministerium. „Die dargestellten Gründe, die nach Auffassung des Gerichts zur Rechtswidrigkeit des Auswahlverfahrens geführt haben, werden bei der nächsten Schulgesetzänderung berücksichtigt“, teilte Ministeriumssprecher Ralph Kotsch mit. In dieser Legislaturperiode, wird es aber keine Gesetzesänderung mehr geben, weil diese einige Zeit in Anspruch nimmt. In zehn Monaten wird ein neuer Landtag gewählt. Künftig sollen dann die besonderen Gründe für eine vorrangige Aufnahme an einer Schule direkt im Brandenburgischen Schulgesetz verankert werden, so Kotsch.
Auch bei der Aufnahme an Grundschulen gibt es Probleme
Auch im Grundschulbereich hatte es bereits juristischen Streit um die Aufnahme von Schülern gegeben. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hatte im Oktober 2015 die bisherige Geschwisterregelung im Land gekippt, weil ein Gesetz fehlte. Die Aufnahme von Geschwisterkindern an Grundschulen wurde an strenge Bedingungen geknüpft: Kinder haben nicht mehr automatisch einen Platz, wenn Bruder oder Schwester bereits an der Wunschschule sind. Eltern müssen im Einzelfall „individuell beachtliche Gründe“ vorweisen, warum der Besuch einer anderen Schule nicht zugemutet werden kann.