Kabinett entscheidet über Lockerungen: Brandenburg definiert neue Corona-Regeln
Während der Gewerkschaft die Schulöffnungen zu schnell kommen, fordert die Wirtschaft weitreichendere Liberalisierungen.
Potsdam - Vor der geplanten Wiedereröffnung von Schulen für bestimmte Klassen in Brandenburg in der Coronakrise hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bedenken. GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs sagte am Donnerstag, er habe erhebliche Zweifel, dass die Standards bis Anfang Mai umgesetzt werden können. Vor allem müsse geklärt werden, wie die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden könnten. „Gesundheit hat Vorrang vor Bildung“, sagte Fuchs.
Das Brandenburger Kabinett will am Freitag über die Lockerungen entscheiden. Die Schulen in Brandenburg sollen schrittweise ab 4. Mai wieder öffnen – zunächst für Abschlussklassen, Klassen, die im kommenden Jahr Prüfungen ablegen sowie die letzten Grundschulklassen. Ab Montag sollen in Brandenburg die schriftlichen Abiturprüfungen trotz geschlossener Schulen unter Einhaltung strenger Abstands- und Hygieneregeln beginnen.
Kitas sollen vorerst geschlossen bleiben
Ab 27. April sollen Prüfungen für Schüler der 10. Klasse an Oberschulen, Gesamtschulen und Gymnasien laufen, die in diesem Jahr den Mittleren Abschluss erreichen wollen. Der genaue Fahrplan werde auf einer Kabinettssitzung am Freitag besprochen, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums. Die Kitas sollen bis auf Weiteres geschlossen bleiben. Im Gegenzug soll die Notbetreuung für Eltern bestimmter Berufsgruppen ausgeweitet werden.
Der Brandenburger Wirtschaft gehen die in Aussicht gestellten Lockerungen nicht weit genug. Der Bund-Länder-Beschluss sieht vor, dass zuerst Geschäfte mit einer Ladengröße von bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen dürfen. Und unabhängig von der Ladengröße Autohäuser, Fahrradhändler und Buchhandlungen. Das konkrete Datum legen die Länder fest, Brandenburg also am Freitag.
Lichtblick für Gastronomie?
„Es gibt eine Reihe von wirtschaftlichen Aktivitäten, die schon jetzt ohne zusätzliche Gesundheitsgefahr wieder aufgenommen werden könnten“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmerverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), Christian Amsinck, am Donnerstag. Geschäfte im Einzelhandel sollten unabhängig von ihrer Größe wieder öffnen dürfen, fordert er. Nicht die Quadratmeterzahl eines Ladens sei entscheidend, sondern die Möglichkeit für alle Beteiligten, Abstand zu wahren.
„Geht die Infektionsgeschwindigkeit weiter zurück, sollten die Kontaktbeschränkungen ab Mai weiter gelockert werden, soweit das medizinisch vertretbar ist“, so Amsinck weiter. Das könne auch ein Lichtblick für die Gastronomie sein, die von der Coronakrise mit am härtesten betroffen ist. „Gesundheitsschutz und Wirtschaft müssen so gut es geht in Einklang gebracht werden. Die Unternehmen tun, was sie können, um die Abstandsgebote einzuhalten und ihre Beschäftigten und Kunden wirksam zu schützen“, sagte er.
"Vereinbarungen verantwortungsvoll in Brandenburg umzusetzen"
Bund und Länder trügen mit ihren Beschlüssen unter Beachtung des Gesundheitsschutzes auch den wirtschaftlichen Erfordernissen angemessen Rechnung, sagt hingegen der Präsident der Handwerkskammer Potsdam, Robert Wüst. „Jetzt gilt es, die getroffenen Vereinbarungen verantwortungsvoll in Brandenburg umzusetzen.“ Viele Handwerksbetriebe hätten in den vergangenen Wochen unter schwierigen Bedingungen und bei strikter Beachtung der gesundheitsspezifischen Vorgaben einen wichtigen Beitrag geleistet, um die Versorgung vor Ort sicherzustellen.
Angesichts dessen sei es gerechtfertigt, dass nun auch sogenannte Mischbetriebe des Handwerks mit Handelsbereich, also etwa Auto- und Fahrradhändler, ihre Geschäfte wieder vollständig öffnen können. „Wichtig ist aber auch die Ankündigung, dass die Notbetreuung von Kindern ausgeweitet wird“, so Wüst. In vielen Betrieben fehlten wichtige Beschäftigte, weil sie wegen der Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen. Damit könne die in zahlreichen Bereichen systemrelevanten Arbeiten kaum sichergestellt werden.
Um in Zeiten des Fachkräftemangels keine Azubis zu verlieren, fordert Wüst auch, dass nicht nur allgemeinbildende und berufliche Schulen wieder öffnen sollten. Auch die Bildungsstätten des Handwerks müssten spätestens ab dem 4. Mai 2020 ihren Betrieb wieder aufnehmen können, so der Handwerkskammerchef. Für die Ausbildungsbetriebe sei es von großer Bedeutung, dass das hohe Ausbildungsengagement des Handwerks durch die Coronakrise keinen Schaden nehme. „Uns muss bewusst sein, dass uns jeder Azubi, der krisenbedingt seine Ausbildung nicht zu Ende bringen kann, in der Zukunft als Fachkraft fehlen wird“, so Wüst. (mit dpa)
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