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Erlebnisarchitektur in Potsdam: Biosphären-Umbau für 17 Millionen Euro

Attraktiver, aber auch teurer: Die Biosphäre im Bornstedter Feld soll umgebaut werden. Mehrere Erlebniswelten sind geplant. Das kostet - und hätte Folgen.

Potsdam  - Die Ernüchterung ist groß: Eigentlich beraten Experten und Stadtverordnete seit Monaten über Ideen, wie die Biosphäre attraktiver werden kann – damit mehr Gäste kommen und der bisher chronisch defizitäre Betrieb für das Rathaus zumindest zum Nullsummenspiel wird. Am Freitag treffen sich die Teilnehmer dieses Mammut-Workshops zu ihrer letzten Sitzung – doch nach PNN-Recherchen zeigt sich, dass die Tropenhalle auch in einer umgebauten und in Teilen neu konzipierten Version für die Stadt ein unkalkulierbares Zuschussgeschäft bleiben wird; zumal wesentliche Fragen immer noch nicht geklärt sind. Das geht aus den Konzeptunterlagen hervor, die den Teilnehmern des Workshops im Vorfeld zugegangen sind und die die PNN einsehen konnten.

Umbau und Sanierung

Für die Neukonzeption hatte sich die Stadt die renommierte Kommunikationsagentur Dan Pearlman ins Boot geholt. Sie ist auf Erlebnisarchitektur spezialisiert. Demnach soll die in die Jahre gekommene Biosphäre – zuletzt waren die Besucherzahlen bei bis zu 150.000 Gästen pro Jahr stagniert – umgebaut und ihre Hülle saniert werden.

Dafür werden vom Rathaus rund 17 Millionen Euro veranschlagt. Mit dem Geld sollen für die Besucher der „Biosphäre 2.0“ sieben Erlebniswelten geschaffen werden: etwa eine Korallenpassage oder ein Wüstenraum, der zusammen mit einer Eislandschaft im Bereich der jetzigen Orangerie entstehen könnte – mittels einer zusätzlich eingezogenen Decke. Das derzeitige Schmetterlingshaus soll bleiben, ergänzt werden soll etwa ein Otterbecken, ein Entdeckerpfad oder ein Fledermausbaum. Außerhalb sind eine Art „Kleingartenanlage“ und ein „Wasserplatz“ vorgesehen. Auch der Eingangsbereich soll dem Konzept nach aufgewertet werden. Weiterhin rechnen die Planer mit rund zwei Millionen Euro Fördermitteln für die Sanierung.

Klimahaus Bremerhaven als Vorbild

Als künftige Kooperationspartner für entsprechende Erlebnispädagogik werden laut Konzept jene wissenschaftlichen Institute aus Potsdam aufgeführt, die sich mit den Ursachen und Folgen des von Menschen gemachten Klimawandels befassen. Unter anderem soll es einen Simulator für Extremwetterereignisse geben. Dass das Thema Klimawandel interessiert, zeigt das Vorbild für diese Idee: Das 100 Millionen Euro teure Klimahaus Bremerhaven, das ohne öffentliche Zuschüsse funktioniert, zieht etwa 450.000 Besucher pro Jahr an.

Von solchen Massen geht man in Potsdam nicht aus – obwohl es Ziel des Workshops war, eine überregional bekannte Attraktion zu konzipieren, die auch mehrfach besucht werden kann. Mit dem Umbau könnte sich die aktuelle Besucherzahl im ersten Jahr verdoppeln, so die Erwartung – um sich dann auf etwa 260.000 Personen einzupendeln. Dabei sollen den Erwartungen nach nur knapp 18 Prozent der Gäste von außerhalb kommen – damit müssten also pro Jahr 187.000 Potsdamer die Biosphäre besuchen. Das Problem, wie es auch die Konzeptschreiber formulieren: Die Konkurrenz solcher Häuser und Anlagen sei enorm, als Beispiele werden das Sealife und die Zoos in Berlin, das Müritzeum an der Mecklenburgischen Seenplatte oder der Leipziger Tierpark genannt. Im pessimistischsten Fall werden sogar nur insgesamt 200.000 Besucher angenommen.

Höhere Eintrittspreise

Das alles hat Folgen für die Kosten der über eine städtische Gesellschaft betriebenen Biosphäre. Denn deren Betriebskosten bleiben wegen der großen Gesamtfläche hoch, bei rund 3,1 Millionen Euro pro Jahr. Aufgefangen werden soll das durch höhere Eintrittspreise, die die Gäste für das attraktivere Angebot zahlen sollen: Für Erwachsene würden dann 16 Euro fällig, jetzt sind es 11,50 Euro. Die Frage, ob durch die höheren Preise vielleicht auch Besucher verschreckt werden könnten, lässt das Konzept unbeantwortet.

Jedenfalls gehen die Planer davon aus, dass die Biosphäre auch in der umgebauten Variante ein Zuschussgeschäft bleiben wird – und pro Jahr rund 450.000 Euro aus dem städtischen Haushalt fällig werden. Zuletzt lag die Summe bei 900.000 Euro, in früheren Zeiten sogar bei 1,5 Millionen Euro.

Hotel als Einnahmequelle

Unklar ist, ob sich das Defizit noch verringern ließe. So berichteten Workshop-Teilnehmer den PNN, es habe einen klaren Auftrag an die beauftragten Planer gegeben, auch mit dem möglichen Neubau eines Hotels samt Wellnessbereich an der Biosphäre zu kalkulieren, dieses könnte zum Beispiel auf dem jetzigen Wirtschaftshof des Hauses errichtet werden. Die Idee dahinter: Mit dem Hotel sollen Einnahmen gemacht werden – auch über Tagungen –, die Gäste in die Biosphäre lotsen sollen. Doch ausgerechnet dazu haben die Planer laut dem Konzept keine Berechnungen vorgenommen – sondern nur damit kalkuliert, dass die Stadt das Grundstück für ein Hotel für drei Millionen Euro an einen privaten Investor abtritt und damit nur einmalig Einnahmen generiert.

Weitere noch offene Fragen sollen am Freitag, 1. Februar 2019, ab 15 Uhr geklärt werden, wenn die Workshop-Teilnehmer sich treffen. Gegen 17.15 Uhr hat die Stadtverwaltung eine Pressekonferenz angesetzt, bei der es dann Antworten geben soll.

Seit Jahren schon debattieren die Stadtverordneten über die Zukunft der Biosphäre, selbst ein Abriss stand bereits im Raum, das wird aber von einer Mehrheit im Stadtparlament abgelehnt. Verschiedene Nutzungskonzepte – darunter als Schule – scheiterten bisher vor allem an hohen Betriebs- und Umbaukosten. Zugleich hatte der Bund der Steuerzahler die für 29 Millionen Euro errichtete Biosphäre schon mehrfach als Beispiel für Verschwendung öffentlicher Mittel gebrandmarkt (siehe unten).

Hintergrund

Die Biosphäre wurde zur Bundesgartenschau 2001 als Blumenhalle errichtet, dann als Tropenhalle 2002 eröffnet. Von den 58 Millionen D-Mark waren 43 Millionen Fördermittel. Die Prognosen gingen von bis zu 350 000 Besuchern im Jahr aus. 247.000 Besucher kamen 2003, dann gingen die Zahlen deutlich runter. 2005 meldete die damalige Betreiberfirma Insolvenz an. 2007 wurde die Biosphäre von der Stadt Potsdam über die kommunale Bauholding Pro Potsdam übernommen. 2017 endete die Fördermittelbindung für das Haus, seitdem könnte der Bau auch umgenutzt werden – jedoch müssten alle Änderungen in Abstimmung mit den Architekten der markanten Halle erfolgen. In der jahrelangen Debatte war zeitweise sogar von Abriss die Rede, vom Umbau zu einer Schule oder einem Stadtteilzentrum, was sich jedoch jeweils als zu teuer erwiesen hatte.

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