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Potsdam: „Bei Böhm finden Sie nie leuchtende Farben“

Bernd Richter, Leiter des Kommunalen Immobilien Service der Stadt Potsdam, über die Gründe für das ausgeblichene Dach des Hans Otto Theaters

Herr Richter, 2006 wurde das neue Hans-Otto-Theater an der Schiffbauergasse nach den Entwürfen des Star-Architekten Gottfried Böhm fertiggestellt. Bereits zwei Jahre später begann die rote Farbe der drei geschwungenen Dächer auszubleichen. Woran liegt das?

Technisch gesehen ist das der ganz normale Bewitterungsprozess durch UV-Strahlung und Wind und Wetter, wie bei jedem Kunststoff. Durch das Aufrauen der Fläche lagert sich Staub ein. Die Dächer sind aus etwa 40 Zentimeter dickem Beton, darüber befindet sich eine 20 Zentimeter dicke Dämmungs- und Abdichtungsschicht, auf die die Farbe in einem Mehrschichtverfahren aufgetragen wurde. Damit verlassen wir allerdings die Materialwelt von Gottfried Böhm und sind beim Kunststoff.

Kunststoff wird von ihm sonst nicht verwendet?

Böhm ist ein Altmeister der Architektur, in seinen anderen Werken wurden kaum andere Materialien als Beton, Stahl und Glas verwendet. Und er legt bei all seinen Gebäuden viel Wert auf blasse oder verwitterte Oberflächen, die ganz bewusst den natürlichen Alterungsprozess der Bauwerke zeigen – da werden Sie nirgendwo ganz klare, leuchtende und frische Farben finden. Sowohl Böhm als auch sein Vater haben viele Kirchen gebaut, das Thema Vergänglichkeit spielt bei ihm immer eine große Rolle.

Die verblasste Farbe war also vom Architekten so gewünscht?

Ja. Eigentlich wollte Böhm den Verwitterungseffekt gleich bei der Fertigstellung des Theaters so haben, es gab zum Beispiel die Überlegung, durch ein Sprühnebelverfahren Kalkfarbe aufzutragen, um den jetzigen Charakter des Daches vorwegzunehmen. Nach langen Diskussionen waren alle überzeugt, die Dächer so zu gestalten, dass sie nach gewisser Zeit von selbst verblassen. Das kann man schön finden oder auch nicht, aber es gehört zu Böhm dazu. Ähnliche Diskussionen gibt es in der Architektur über Holz-Außenhüllen: Lässt man sie silbergrau verwittern oder frischt man sie mit Ölen wieder auf? Den einen gefällt das Verwitterte total, den anderen nicht.

War sich die Stadtverwaltung im Klaren darüber, dass das Theater später diesen Charakter haben würde?

Böhm ist eine herausragende Persönlichkeit und der einzige deutsche Pritzker-Preisträger, was sozusagen der Nobelpreis für Architektur ist. Die Stadt war sich bewusst, wen man sich da holt. Auch von Seiten der Theaterbetreiber gab es grundsätzlich Verständnis für Böhms künstlerischen Ansatz.

Bekommen sie manchmal Fragen von Bürgern, warum das Dach so bleich ist?

Ja, mindestens einmal im Jahr haben wir dazu eine Besucheranfrage und erklären dann den Hintergrund.

Wird das Dach jetzt so bleiben?

Im Wesentlichen ja, das Verblassen geschieht in den ersten Jahren sehr stark und kommt dann irgendwann zum Stillstand. Die Farbe wird aber niemals völlig ausbleichen.

Ist geplant, das Dach später einmal neu zu streichen?

Nein, schon allein aus Respekt vor Herrn Böhm.

Wäre es denn rein technisch möglich?

Natürlich. Das müsste man am besten nach einer Reinigung des Daches machen, würde aber sicher eine sechsstelligen Summe kosten, da das Dach komplett eingerüstet werden müsste.

Ein Kontrast besteht ja auch zwischen den Dächern und der Außenfassade des Theater-Hauptgebäudes, die ein viel kräftigeres Rot hat.

Das ist natürlich ein anderes Material. Auch diese Farbe ist etwas verblasst, aber natürlich nicht so stark. Hier gab es ebenfalls lange Diskussionen, ob die beiden Gebäudeteile nicht die gleiche Farbe haben sollten; technisch wäre das machbar gewesen. Aber Herr Böhm hatte sich letztlich für die jetzige Lösung entschieden.

Das Interview führte Erik Wenk

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