Ein Gebäude „für uns alle“: Baustart für die neue Synagoge in Potsdam
Der Grundstein wurde am Montag im Zentrum der Stadt gelegt. Bei der Zeremonie waren auch bisherige Kritiker des Baus dabei. Die Fertigstellung ist bis März 2024 geplant.
Potsdam - Fast 80 Jahre nach der Shoah bekommen die fünf jüdischen Gemeinden in Potsdam wieder eine Synagoge. Bei einer bewegenden Zeremonie – drei Kinder legten eine Kupferkapsel mit Bauurkunde, aktuellen Münzen und Zeitungen in das Fundament des Bauwerks – wurde am Montagmittag der Grundstein für das rund 13,7 Millionen Euro teure Bauwerk gelegt. Das moderne Synagogen- und Gemeindezentrum, das in der letzten Baulücke in der Schloßstraße im Potsdamer Zentrum errichtet wird, soll bis März 2024 fertig sein. Die Finanzierung übernimmt das Land, die Errichtung der Landesbetrieb Bauen.
Dass es sich keinesfalls um einen beliebigen Bau handelt, betonten alle Redner des Tages. Nach dem unermesslichen Leid, das der jüdischen Gemeinschaft mit der Shoah zugefügt wurde, sei die Grundsteinlegung ein nächster Schritt, damit Juden in Deutschland und Brandenburg wieder eine wirkliche Heimstatt finden, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Angesichts „abscheulicher Angriffe“ und offenem Antisemitismus sei dies besonders wichtig und notwendig, betonte er.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sprach von einem „deutlichen und sichtbaren Zeichen unseres Glaubens und an eine Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland“. Der offizielle Baubeginn kurz vor dem 83. Jahrestag der antijüdischen NS-Pogrome vom 9. November 1938 habe auch eine „große symbolische Kraft“. Die historische Synagoge am heutigen Platz der Einheit war nach den Pogromen von der Post genutzt und im April 1945 bei einem Luftangriff zerstört worden. Das jüdische Leben in Potsdam sei damals faktisch ausgelöscht worden, erinnerte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD).
Kulturministerin Schüle konnte Streit weitgehend auflösen
Besonders viele Danksagungen erhielt Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) die den über Jahre hinweg verfahrenen Streit der Gemeinden untereinander um die Synagoge weitgehend auflösen konnte. Sie betonte, die Synagoge werde nicht aus schlechtem Gewissen gebaut, sondern weil die Potsdamer Jüdinnen und Juden „sonst keinen sicheren und würdigen Platz zum Beten und Feiern“ hätten. Für sie sei die Grundsteinlegung der glücklichste Tag ihrer Amtszeit, fügte sie hinzu. Allerdings würde das Haus ohne die Hilfe des Zentralrats der Juden und der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) nicht gebaut, so Schüle – ohne deren Unterstützung hätte sie bei der Lösung des Konflikts wohl auch den Mut verloren, bekannte sie.
Der Baubeginn war wiederholt an einer Kontroverse zwischen den jüdischen Gemeinden gescheitert, besonders mit Blick auf Gestaltungsfragen zu dem bereits vor mehr als zehn Jahren vorgelegten Entwurf des Berliner Architekten Jost Haberland. Nun soll die ZWST die Synagoge nach ihrem Bau drei Jahre lang betreiben, danach soll dies der Landesverband der jüdischen Gemeinden übernehmen. Die ZWST erhält für ihre Arbeit 650 000 Euro pro Jahr.
Ausdrücklich dankte Schüle einem der größten Kritiker des Vorhabens: dem bei der Grundsteinlegung anwesenden Ud Joffe, Vorsitzender der Potsdamer Synagogengemeinde. Niemand habe den Bau mit so viel Leidenschaft begleitet, so Schüle: „Ich weiß, Sie sind mit Ergebnis nicht einverstanden – aber ich wünsche mir, dass diese Synagoge auch irgendwann Ihre Synagoge wird.“ Joffe selbst sprach am Montag von einem Gebäude „für uns alle“. Nun sei es wichtig, wie sich die verschiedenen Profile der Gemeinden in der Synagoge wiederfinden könnten. Im Vergleich zu den Plänen von vor zehn Jahren biete das neue Haus dafür mehr Platz.
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Hoch erfreut zeigten sich die Gemeinde Adass Israel zu Potsdam und die Jüdische Gemeinde der Stadt. Nach „vielen Jahren des Hoffens und der Enttäuschungen“ erfülle sich nun für die Mehrheit der Juden in Potsdam „der Traum von einem religiösen und kulturellen Zentrum“, teilten die Vorstände der Gemeinden mit, Aleksander Kogan und Evgeni Kutikow: „Wir waren in den letzten Jahren oft verzweifelt, weil wir nach den vielen Rückschlägen nicht mehr daran geglaubt haben, dass wir noch eine würdige Synagoge bekommen. Einige Gemeindemitglieder sind inzwischen verstorben. Heute sehen wir aber mit großem Optimismus und Zuversicht in die Zukunft.“
Die Synagoge wird nach der im August eröffneten kleinen Synagoge auf dem Areal der Universität Potsdam am Neuen Palais das zweite neue jüdische Gotteshaus in der Stadt. Potsdam war bisher die einzige Landeshauptstadt in Deutschland, in der es keine Synagoge gab.
Der Synagogenraum befindet sich in der ersten Etage
In dem viergeschossigen Bau für bis zu 200 Gäste sind neben Gebets- und Gemeinderäumen auch ein Veranstaltungssaal und ein Besuchercafé geplant, zudem eine Bibliothek und ein Musikraum. Als Fassadenmaterial dient sandfarbener Ziegel, der Eingang befindet sich unter einem zweigeschossigen Bogen. Dahinter befinden sich eine Sicherheitsschleuse und das Foyer, hieß es vom Landesbetrieb Bauen (BLB).
Der Synagogenraum, der religiöse Mittelpunkt des Baus, wird in der ersten Etage zu finden sein. Auf der Dachterrasse könnten künftig religiöse Veranstaltungen wie das Laubhüttenfest stattfinden. Im Keller wird sich eine sogenannte Mikwe befinden, ein im Judentum wichtiges Tauchbad, dessen Wasser der Erlangung ritueller Reinheit dient. Aus religiösen Gründen wird das Bad dabei mit Regenwasser gespeist. Während der Bauzeit müsse das Grundwasser vor Ort abgesenkt werden, so der BLB.
Antisemitismusbeauftragter fordert Gesetz zur Demokratie-Stärkung
Zum heutigen Jahrestag des NS-Novemberpogroms von 1938 hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein die künftige Regierung gemahnt, bald ein Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen. Es gebe eine „Kontinuität deutscher Gewaltgeschichte“, sagte Klein unter Hinweis auf die Morde von Halle und Hanau. Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie starkmachten, müssten endlich verlässlich finanziert werden.
Ein solches Gesetz war in der vergangenen Legislaturperiode an der Union gescheitert. Demokratische und antirassistisch Engagierte werden bisher meist projektbezogen gefördert. Es gebe auch nach wie vor nicht genügend Initiativen, die sich gegen den Hass einsetzten, sagte Anetta Kahane, Leiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich auf dem Feld engagiert und Engagierte unterstützt.
9. November ein Datum mehrfachen Gedenkens
Die Lage der Juden ist nach Kleins Auffassung ein Gradmesser dafür, wie es um die Gesellschaft und ihr Versprechen von Sicherheit und Freiheit für alle steht. Kahane sagte, das große Problem Judenhass sei auch Jahrzehnte nach den NS-Verbrechen noch da und werde wieder größer. Sie verwies auf die Querdenker- und Coronaleugnerszene und deren Wiederbelebung antisemitischer Klischees. Überall in der Gesellschaft stoße man auf Antisemitismus. Kahane äußerte sich besorgt, dass Kulturschaffende Sympathien für die BDS-Bewegung hätten, die zum Boykott Israels aufruft. Ende letzten Jahres hatten öffentliche Kulturinstitutionen einen Bundestagsbeschluss gegen BDS gerügt, weil er die Freiheit der Kunst und Wissenschaft einschränke.
Der 9. November ist in Deutschland ein Datum mehrfachen Gedenkens, auch als Tag des Mauerfalls vor 32 Jahren und der Ausrufung der Republik 1919. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wüteten SS- und SA-Schläger erstmals offen gegen jüdische Menschen und deren Wohn- und Arbeitsstätten und steckten Synagogen in Brand. (mit dpa/epd)
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