Museum Barberini Potsdam: Barberini-Architekt Albrecht: "Da kann man nur jubeln"
Barberini-Architekt Thomas Albrecht spricht im PNN-Interview über das neue Museum, dessen Rolle als würdiger Rahmen für die Meisterwerke und seinen Lieblingsbauherrn.
Herr Albrecht, der Palast Barberini, nach Entwürfen Carl von Gontards im 18. Jahrhundert erschaffen, galt als eines der schönsten Häuser der ganzen Stadt. Welchen Aufwand haben Sie betrieben, um diese Pracht wiedererstehen zu lassen?
Einen gewaltigen. Es ist wohl die teuerste, aber auch die schönste Fassade, die in den letzten 100 Jahren in Potsdam gebaut wurde.
Wie viel hat sie denn gekostet?
Ich will nur so viel sagen: Sie war sehr teuer. Allein die Fenster haben sehr viele unterschiedliche technische Funktionen – die Sie gar nicht sehen – und daher entsprechend viel Geld gekostet. Die Fassade besteht aus Naturstein. Bevor der gemeißelt werden kann, müssen Modelle im Maßstab 1:1 angefertigt werden, die wiederum von Denkmalpflegern abgenommen werden müssen. Das ist ein unglaublich aufwendiges Verfahren.
In einer knappen Woche wird das Haus als Museum Barberini eingeweiht, die Bundeskanzlerin kommt, Bill Gates vielleicht auch, das weltweite Medienecho dürfte gewaltig sein. Wie stolz sind Sie?
Wir sind sehr stolz, weil an dieser Stelle mehrere Faktoren zusammenkommen, die im Zusammenspiel den Wunschtraum eines jeden Architekten bilden: Erstens findet eine Stadtreparatur statt. Das Schloss steht wieder, Nikolaikirche, Altes Rathaus und Obelisk sind saniert und nun ist auch die Südkante des Alten Marktes mit den drei prägenden Palazzi wiederhergestellt. Das Ergebnis ist ein neuer, wunderbarer Stadtteil mitten im Zentrum einer Stadt, das gibt es nur ganz selten. Der zweite Punkt ist die wunderschöne Fassade. Drittens gibt es eine sehr großzügige Innenausstattung. Und wenn dann noch die Bilder als i-Tüpfelchen hinzukommen – dann kann man doch nur jubeln.
Nun ist der Wiederaufbau einer historischen Fassade ja eine Kopie – für einen Architekten im Allgemeinen eine recht unbefriedigende Aufgabe.
Das stimmt nicht. Wir betreuen derzeit drei solche Kopien oder, wie wir es nennen, Erinnerungsarchitektur: das Berliner Stadtschloss gemeinsam mit dem Architekten Franco Stella, die Potsdamer Garnisonkirche und eben das Museum Barberini. Wenn man so etwas macht, muss man sich bis ins Detail mit der Baustruktur des verloren gegangenen Originals auseinandersetzen. Man kann nur rekonstruieren, wenn man genau weiß, wie der Vorgänger gebaut hat, sonst wäre das Walt Disney. Man ist praktisch gezwungen, sich in das Denken der früheren Architekturkollegen hineinzuversetzen. Das ist eine faszinierende Aufgabe.
Das geht aber nur, wenn es genügend Quellen über den Vorgängerbau gibt. Wie war denn die Aktenlage beim Palast Barberini?
Zum Glück sehr gut. Es gab alte Pläne, viele hervorragende Fotos, bei denen man bis auf den Zentimeter genau Maße für die Rekonstruktion nehmen kann. Auch an den Fotos von der Zerstörung ließ sich viel ablesen. Das Köstlichste war, dass es im Potsdamer Bauamt sogar einen Querschnitt vom Mittelrisalit gab, den ein Handwerker in den 1920er-Jahren gezeichnet hat, sodass wir dort auf den Millimeter genau Bescheid wussten. So etwas gibt es nur ganz selten. Das versetzte uns in die Lage, auch alle Asymmetrien, alle Ungenauigkeiten nachzuvollziehen und wiederherzustellen. Das macht es für das Auge besonders angenehm. So ein Barockgebäude ist nie völlig präzise, es hat Unschärfen. Und die kann man jetzt wieder sehen.
Wie nah ist das Museum denn am Original?
Sehr nah. Ich würde sagen 99,9 Prozent. Wobei man natürlich fragen muss, was ist original, denn das Gebäude wurde ja im Laufe der Zeit mehrmals verändert.
Am benachbarten Landtagsschloss wurden Spolien, also Schmuckfragmente des historischen Stadtschlosses, in die Fassade integriert. Warum wurde das nicht auch am Palast Barberini gemacht?
Wir hatten keine. Wir hätten es gerne gemacht, aber wir haben trotz intensiver Suche keine Spolien auftreiben können. Das ist schade, denn ich finde, es ist eine schöne Konvention.
Das Vorbild für den Gontard-Bau, der Palazzo Barberini, steht in Rom. Worin unterscheiden sich beide Gebäude?
Die unterscheiden sich so stark, dass Sie eher nach den Gemeinsamkeiten suchen müssen. Gontard war in Rom und sah sich das Gebäude an, übernahm aber nur einzelne Elemente wie das Mittelrisalit. Dieses tritt in Rom aber gegenüber der übrigen Fassade zurück, hier ist es genau andersherum. Es gibt Ähnlichkeiten, mehr nicht. Man wollte sich wohl auch mit dem Namen schmücken, schließlich waren die Barberinis damals eine der wichtigsten Familien der Welt.
Ursprünglich war ein anderes Architekturbüro mit dem Projekt beauftragt. Wie kam Hasso Plattner auf Sie?
Wir haben den großen Vorteil, dass wir schon zwölf Museen gebaut haben oder noch bauen. Und weil der Bau möglichst schnell gehen sollte, war es dem Bauherrn wichtig, dass er auf jemanden mit entsprechender Erfahrung setzen konnte.
Plattner gilt als jemand, der recht klare Vorstellungen von seinen Projekten hat. Gab es viele Vorgaben oder hatten Sie freie Hand?
Das Ganze lief immer im Dialog – wobei die Besprechungen immer spannend und erstaunlich kurz waren. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Plattner war der beste Bauherr, den ich je hatte.
Das klingt jetzt aber sehr nach Schmeichelei.
Nein, das stimmt nicht. Man sieht es, glaube ich, dem Gebäude auch an.
Das dürfte nicht zuletzt auch am Budget gelegen haben. Plattner ist als Mitbegründer des Softwarekonzerns SAP mehrfacher Milliardär. Nicht nur die Fassade ist aufwendig, auch im Innern finden sich nur die edelsten Materialien. Spielten die Baukosten bei dem Projekt überhaupt eine Rolle?
Baukosten spielen immer eine Rolle. Aber die Kunstwerke, zum Beispiel die Impressionisten, die dort jetzt ausgestellt werden, gehören zum wertvollsten Erbe der Menschheit überhaupt. Das Museum hat also die Aufgabe, auch den entsprechenden, würdigen Rahmen dafür zu bilden. Wenn man als Besucher vor einem solchen Meisterwerk steht und ein paar Meter weiter gibt es ein Geländer, macht es schon einen Unterschied, ob es aus Aluminium oder aus Bronze besteht.
Wer Kunst von Weltgeltung ausstellen will, muss auch technisch den höchsten Ansprüchen genügen.
So ist es, sonst bekommt man von keinem großen Museum eine Leihgabe. Wenn dort Werke von Impressionisten hängen, muss allein die Klimaanlage solche Dimensionen haben, dass man mit einem Auto hindurchfahren könnte. Es gibt zudem sehr hohe Anforderungen an den Brandschutz und an die Sicherheit. Das alles soll aber möglichst verschwinden hinter der historischen Architektur – und das ist sicher die schwierigste, aber auch schönste Aufgabe für einen Architekten. Nach dem Rundgang sollen die Besucher sagen, das waren tolle Gemälde in einem wunderbaren Raum – an die Details kann ich mich zwar nicht erinnern, aber es hatte eine sehr stimmige Atmosphäre.
Haben Sie sich von anderen Museen Anregungen geholt?
Wir haben ja selbst einige Erfahrung im Museumsbau. Natürlich kann man nicht alles neu erfinden. Das Gebäude, auf das wir uns am stärksten bezogen haben, ist die Gemäldegalerie am Kemperplatz im Berliner Tiergarten, die 1998 eingeweiht wurde. Das ist ein klassisches Gebäude für klassische Malerei bis 1810 – und darauf beziehen sich auch die Räume.
Wenn Sie ein Besucher nach dem perfekten Rundgang durch das Haus fragen würde, wie lautet Ihre Antwort?
Eins der wichtigsten Merkmale ist die absolute Offenheit des Hauses. Sobald man es durch die Drehtür betreten hat, ist man in einem Luftraum mit der ausgestellten Kunst, die nur ein paar Dutzend Meter weiter zu sehen ist. Der große Trumpf des Gebäudes ist seine – verglichen etwa mit dem Pariser Louvre – relativ geringe Größe. Man kann sich das Museum als Besucher leicht erobern, es hat einen einfachen, übersichtlichen und symmetrischen Grundriss, erlebbare Sichtachsen. Jeder kann seinen persönlichen Rundgang selbst wählen, es gibt keine Zwangsführung. Diese Freiheit ist das Schöne.
Was unterscheidet dieses Museum von anderen großen Kunstmuseen der Welt?
Das Hauptmerkmal drückt sich schon im Namen aus – es ist die Wiederherstellung eines Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert.
Ist das ein Alleinstellungsmerkmal?
Das ist es ganz sicher. Wir haben in Münster ein Picasso-Museum wiederaufgebaut, das aus zwei Teilen bestand, einer stammte von 1705, der andere von 1908. In Potsdam ist es nur ein Haus. Zudem folgen wir auch im Innern an vielen Stellen der alten Raumaufteilung. Das macht den Palast Barberini besonders – und die Tatsache, dass er eben speziell als Museum wiederaufgebaut wurde. Ein anderes Beispiel für eine solche Kombination fällt mir nicht ein.
Es ist das 13. Museumsprojekt Ihres Büros. Ist es auch das schönste?
Ich würde mit Stolz sagen: Ja.
Anders als bei anderen Wiederaufbauvorhaben ist der Palast Barberini von den Streitigkeiten um die Potsdamer Mitte weitgehend verschont geblieben. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Ich verstehe sowohl die Diskussionen über das Stadtschloss als auch die über die Garnisonkirche. Ich glaube aber, wenn die Gebäude längere Zeit stehen und zu wirken beginnen, wenn wir sie täglich sehen und „benutzen“ – dann ändern viele Menschen, viele Bewohner der Stadt auch ihre Meinung über Rekonstruktionsarchitektur. Seit 300 vor Christus baut die Menschheit verloren gegangene wertvolle Gebäude wieder auf. Rekonstruktion von Erinnerungsarchitektur ist etwas absolut Übliches, das es zu allen Zeiten und in allen Ländern der Welt gegeben hat. Es geschieht nur nicht sehr oft. Wenn es denn aber angegangen wird, nehmen die Menschen es auch sehr schnell als etwas wahr, was dort schon immer gestanden hat und auch dorthin gehört. So mancher Streit wird sich darum auch in Luft auflösen.
Das Stadtschloss steht. Mit dem Barberini hat der Alte Markt nun an der Alten Fahrt seine Fassung wieder. Obwohl der Abriss der Fachhochschule beschlossene Sache ist, wird noch immer darüber gestritten. Können Sie sich vorstellen, dass der DDR-Bau stehen bleibt?
Nein. Ich glaube, aus dieser Epoche werden nur solche Gebäude Bestand haben, die das Herz der Menschen erwärmen oder die sie lieben. Nehmen Sie als Beispiel die Frankfurter Allee, früher Stalinallee, in Berlin. Niemand käme auf die Idee, die Häuser dort abzureißen – einfach, weil sie schön sind. Diese Qualität hat die Fachhochschule nicht. Ein Gebäude aus rein ideologischen Gründen stehen zu lassen, funktioniert nicht. Spätestens die nächste Generation wird es dann doch abreißen.
Das Gespräch führte Peer Straube
ZUR PERSON: Thomas Albrecht wurde 1960 in München geboren. Er studierte Architektur an der TH München und am Illinois Institute of Technology in Chicago. Seit 1986 arbeitet Albrecht im renommierten Architekturbüro Hilmer & Sattler, seit 1994 ist er dort Partner, drei Jahre später wurde das Büro in Hilmer & Sattler und Albrecht umbenannt. Albrecht ist zudem Visitor professor an der Northumbria University Newcastle, die ihn 2006 auch zum Ehrendoktor ernannte. Zu seinen wichtigsten Projekten zählen das Berliner Schloss, das Globushaus im Barockgarten am Schloss Gottdorf, Schleswig, und das Ritz-Carlton Hotel in Berlin.
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