Geflüchtete Lehrer: Aus Aleppo nach Geltow
28 geflüchtete Lehrer dürfen nun in Brandenburg unterrichten - so wie Alaa Kassab aus Syrien. Sie hat das Refugees Teachers Welcome Program der Universität Potsdam absolviert. Jetzt arbeitet sie an einer Grundschule in Geltow.
Potsdam - Stressig ist es gewesen, und ziemlich intensiv, aber Alaa Kassab hat es geschafft: Ab Oktober kann die junge Syrerin, die vor knapp zwei Jahren aus Aleppo nach Potsdam geflohen ist, an einer deutschen Schule arbeiten. Eineinhalb Jahre straffes Programm hat sie hinter sich, Sprachunterricht, Pädagogik, Kurse zum deutschen Schulsystem. „Ich war nicht sicher, ob es klappen würde“, erzählt die 24-Jährige in flüssigem Deutsch. Nun kann man ihr den Stolz ansehen, das Lächeln will gar nicht mehr aus ihrem Gesicht verschwinden.
Alaa Kassab ist eine der 28 ersten Absolventinnen und Absolventen des Refugee Teachers Welcome Programs der Universität Potsdam. Am gestrigen Dienstag erhielten die Teilnehmer des Qualifizierungsprogramms für geflüchtete Lehrer zum Abschluss ein Zertifikat. Das zumindest bei der Gründung im Frühjahr 2016 bundesweit einmalige Programm hatte im vergangenen Jahr große Beachtung gefunden. Inzwischen gibt es ähnliche Angebote in Göttingen und Bielefeld. Zur Verleihung am Campus Am Neuen Palais sind wieder zahlreiche, auch überregionale Medien gekommen. Die Idee, die Initiatorin Miriam Vock, Professorin an der Universität, hatte, war im Grundsatz simpel: Flüchtlinge, die schon in ihrer Heimat als Lehrer gearbeitet hatten, sollten in kurzer Zeit durch Sprachkurse und zielgerichtete Weiterbildung so qualifiziert werden, dass sie in brandenburgischen Schulen lehren können. Die Umsetzung war ein Experiment. In Vocks Ansprache bei der Absolventenfeier wird deutlich, dass die Umsetzung auch für sie und ihre Kollegen mit viel Unsicherheit verbunden war. Würde überhaupt Interesse bei den Flüchtlinge bestehen? Wie groß würde die Bereitschaft der Schulen sein, die geflüchteten Lehrer für ein Praktikum zu empfangen? „Wir waren vollkommen überrascht von dem Ansturm“, erinnert sich die Professorin. 700 Bewerbungen haben sie aus der ganzen Bundesrepublik bekommen, geplant waren 15 Plätze. Mit Unterstützung verschiedener Landesministerien konnte das Angebot ausgedehnt werden auf rund 30 Plätze. Bald startet schon der vierte Durchgang. Auch die Schulen seien sehr offen gewesen.
Alle Absolventen des ersten Jahrgangs werden direkt in Brandenburger Schulen eingestellt
Für Brandenburgs Wissenschaftsministerin Martina Münch ist das Programm ein doppelter Gewinn. Die qualifizierten Fachkräfte und Lehrer würden dringend gebraucht. „Die Absolventen können auch eine wichtige Brückenfunktion für zugewanderte Kinder einnehmen und die interkulturelle Kompetenz der anderen Lehrer im Kollegium stärken.“
Alle Absolventen des ersten Jahrgangs werden direkt in Brandenburger Schulen eingestellt. Allerdings vorerst nicht als Lehrer, sondern als Zusatzkräfte. Alaa Kassab wird im Oktober in der Meusebach-Grundschule in Geltow anfangen. Sie wird einen Jahresvertrag bekommen, wie alle anderen Teilnehmer des Programms. Noch diese Woche fährt sie ins Schulamt, um den Vertrag zu unterschreiben. „Endlich“, sagt die 24-Jährige. „Ich freue mich so, jetzt arbeiten zu können.“ Im ersten Jahr wird sie im Unterricht mithelfen, zusammen mit einem anderen Lehrer. Alle Stellen für die Absolventen wurden zusätzlich zu den regulären Lehrerstellen geschaffen, sodass die überwiegend syrischen Teilnehmer nicht sofort alleine vor der Klasse stehen. Für Kassab ist das aber ganz klar das Ziel: „Ich möchte genau wie die anderen Lehrer arbeiten. Ich will nicht mehr anders sein!“ Vor der Flucht hat sie in Syrien englische Literaturwissenschaft studiert und drei Jahre in einem Kindergarten Englisch gelehrt.
Noch macht die Vorstellung Angst, allein auf Deutsch zu unterrichten
Die PNN hatten zu Beginn des Programms schon einmal über Alaa Kassab und ihr Praktikum bei der Da-Vinci-Gesamtschule berichtet. Damals fiel ihr die deutsche Sprache noch schwer. „Jetzt ist Deutsch nicht mehr mein Problem. Ich mache zwar noch Fehler, aber ich verstehe fast alles und kann das meiste ausdrücken.“ Unterstützt hat sie auch ihr deutscher Verlobter, den sie schon von Syrien aus über das soziale Netzwerk Facebook kennenlernte. „Mit ihm fühle ich mich sicherer, er kennt das System und hat mir auch bei der Bürokratie geholfen“, sagt Kasseb. Viele Dinge musste sie auch allein verstehen, aber inzwischen reichen ihre Sprachkenntnisse. Trotzdem habe sie Angst davor, auf Deutsch allein zu unterrichten. „Es ist seltsam, wenn die Schüler die Sprache besser können als ich.“
An Alaa Kassab kann man sehen, was Wissenschaftsministerin Münch meint, wenn sie das Refugee Teachers Welcome Program „ein Stück gelebte Integration“ und einen „Schlüssel zur Teilhabe an der Gesellschaft“ nennt. Über die Universität, das Praktikum und die Umgebung hat Alaa Kassab schnell Anschluss gefunden. „Ich fühle mich wirklich wohl in Potsdam, habe viele Freunde und habe mich an das Leben hier gewöhnt“, erzählt die 24-Jährige, die mit ihrem Verlobten in Potsdam-West wohnt. Fühlt sie sich hier zu Hause? „Ja.“ Sie zögert kurz. „Fast immer. Heimweh tut weh.“ Die umtriebige junge Frau engagiert sich bei der Potsdamer Tafel, übersetzt hin und wieder für die Diakonie. Ihr Weg, um genau das zu tun, was ihre Kommilitonin Wafaa Mahmoud bei ihrer Rede so rührend formulierte: „Was ihr für uns getan habt, tragen wir in unserem Herzen und wollen es an euch und eure Kinder weitergeben.“
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