Potsdamer Schwimmsport: Auf halber Strecke nach Rio
Johannes Hintze und Christian Diener meistern Teil eins der Olympia-Qualifikation. Sollten sie auch die zweite Hürde nehmen, würde das bedeuten, dass seit langer Zeit mal wieder mehr als nur ein Potsdamer Schwimmer bei olympischen Spielen dabei ist. Das gab es zuletzt 1992.
„Lane to Rio“ hat sich der Deutsche Schwimm-Verband als Slogan für die Vorbereitung seiner Sportler auf Olympia 2016 ausgedacht. Auf dieser Bahn Richtung Einzelstart bei den Sommerspielen am Zuckerhut haben 15 deutsche Beckenschwimmer – exklusive der nunmehr bereits sicher qualifizierten Top-Stars Paul Biedermann und Marko Koch – die Hälfte des Weges geschafft. Sie erfüllten bei der deutschen Meisterschaft, die von Donnerstag bis zum gestrigen Sonntag in Berlin stattfand und Teil eins von zwei der Olympia-Qualifikation war, die entsprechenden Vorgaben. Immer dann, wenn dies einem oder gleich mehreren Athleten in einem Rennen gelang, wurde in der Halle des Europasportparks der 1990er-Jahre-Hit „Samba de Janeiro“ aufgedreht sowie die brasilianische Flagge und das Wort „Normknacker“ auf der Videoleinwand eingeblendet. Ein klein bisschen Rio-Feeling im Prenzlauer Berg.
Zwei jener Sportler, die dafür sorgten, sind Johannes Hintze und Christian Diener vom Potsdamer SV. Der noch 16 Jahre alte Youngster Hintze wurde über 400 Meter Lagen zum „Normknacker“, der amtierende Vize-Europameister Diener auf der 200-Meter-Rücken-Distanz. Um es auch tatsächlich zu ihren ersten Spielen zu schaffen, müssen die beiden aber noch mal ihr Können unter Beweis stellen. Und zwar gilt es für sie, bei den German Open Anfang Juli – ebenfalls in Berlin – erneut in Vor- und Endlauf Zielzeiten zu erreichen, die dann jedoch 1,5 Prozent langsamer im Vergleich zu den nationalen Titelkämpfen sind.
Krankheit macht Yannick Lebherz einen Strich durch die Olympia-Rechnung
Gelingt es dem Duo, auch die zweite Hürde zu nehmen, würde es bedeuten, dass zum ersten Mal seit 24 Jahren wieder mehr als nur ein Schwimmer vom Luftschiffhafen in olympischen Gewässern dabei ist. Zuletzt war das 1992 der Fall, als sogar fünf Potsdamer ins Becken von Barcelona sprangen. Einer von ihnen war Jörg Hoffmann, der damals Bronze über 1500 Meter Freistil gewann. Inzwischen ist er leitender Cheftrainer am Schwimmstützpunkt der brandenburgischen Landeshauptstadt. Er sagte über die Bilanz der ersten Qualifikationsrunde: „Zwei Leute sind in Ordnung. Aber wenn wir Yannick durchbekommen hätten, wäre es natürlich noch deutlich besser gewesen.“
Yannick – damit war Yannick Lebherz gemeint. Eine Krankheit machte dem Staffel-Europameister von 2014 einen Strich durch die Olympia-Rechnung. Unmittelbar vor Beginn der deutschen Meisterschaft setzte ihn eine Seitenstrangangina außer Gefecht, die mit einem Antibiotikum behandelt werden musste. Über die 200 Meter Rücken am Samstag verzichtete der 27-Jährige deshalb auf einen Start, gestern suchte er dann seine Chance in der 200-Meter-Freistilkonkurrenz. Doch nach Rang acht in einem immens starken Feld stehen seine Chancen auf einen Rio-Staffelplatz nicht gut. „Es ist extrem traurig, dass das so gelaufen ist, denn er war sehr gut drauf“, sagte Lebherz’ Coach Jörg Hoffmann. Wenn es der Gesundheitszustand seines Schützlings zulässt und auch Chefbundestrainer Henning Lambertz zustimmt, würde sich Hoffmann freuen, wenn Lebherz nächste Woche bei der Europameisterschaft im Londoner Aquatics Centre, wo er 2012 Olympia-Elfter über 400 Meter Lagen geworden war, starten dürfte: „Wäre doch schön, wenn Yannick von seinem guten Training wenigstens etwas haben könnte.“
Famose Schlussbahn von Johannes Hintze über 400 Meter Lagen
Johannes Hintze und Christian Diener – die nach der ersten Auslese verbliebenen beiden olympischen Schwimmhoffnungen aus Potsdam – werden bei der EM nicht im Einsatz sein. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich nun ausschließlich auf die German Open, wo sie auch den zweiten notwendigen Leistungsnachweis erbringen wollen. „Der erste Schritt war der deutlich schwierigere. Deshalb ist mir auch ein riesiger Stein vom Herzen gefallen, als ich gesehen habe, dass ich es gepackt habe. Das gibt Motivation für die nächste Aufgabe“, erzählte Diener, der über 200 Meter Rücken als Vizemeister in 1:57,46 Minuten sein Soll erfüllt hatte. Es gewann Jan-Philipp Glania (SG Frankfurt/1:56,01). Auf der halb so langen Strecke wurde Diener ebenfalls Zweiter (54,71 Sekunden) hinter Glania (53,61), der als einziger die Norm meisterte.
Zum Auftakt des Championats am Donnerstag hatte Johannes Hintze über 400 Meter Lagen den Qualifikationswert unterboten und mit der deutschen Altersklassenrekordzeit von 4:14,72 Minuten einmal mehr seinen Status als Ausnahmetalent untermauert. Vor allem die Schlussbahn von Hintze war dabei herausragend. Wie das Internet-Fachportal „swimsportnews.de“ recherchierte, soll bis auf den Ungarn Gergo Kis, der 2009 26,74 Sekunden brauchte, weltweit niemand sonst die letzten 50 Meter eines 400-Meter-Lagen-Rennens so schnell absolviert haben wie der Potsdamer Sportschüler (26,87). Nicht einmal die US-Stars Michael Phelps und Ryan Lochte.
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