Unfälle zwischen Fußgängern und Radfahrern in Potsdam: Auf dem Fußweg nur geduldet
Immer wieder gibt es in Potsdam Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern. Der Flächenkonflikt lässt sich kaum auflösen.
Potsdam - Er hat ihn einfach umgefahren. Wolfgang H., begeisterter Radfahrer, war am 26. Februar zu Fuß unterwegs. Auf dem Bürgersteig in der Babelsberger Wattstraße kam es zum Unfall: Ein Radfahrer war viel zu schnell unterwegs, übersah den 62-Jährigen. Es kam zum Zusammenstoß. Die Folge: Wolfgang H.s Oberarm brach direkt unter dem Schultergelenk, Trümmerbruch im Ellenbogen, auch die Elle brach. Es folgten drei Monate Arbeitsunfähigkeit, 6000 Euro Verdienstausfall. Bis heute dauern die Schmerzen an, die Schulter wird dauerhaft geschädigt bleiben.
Am Mittwoch wurde gegen den Unfallverursacher vor Gericht eine Auflage verhängt, derzufolge er 200 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen muss. Dazu kommen nach Schätzungen von Wolfgang H.s Lebensgefährtin, Monika Mayer, 5000 Euro Behandlungskosten, die Zahlung des Verdienstausfalls und Schmerzensgeld. Einsicht, so erzählt Mayer, habe der Radfahrer nicht gezeigt. „Ich wette, er fährt weiter auf dem Bürgersteig“, sagt sie.
Immer wieder Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern in Potsdam
Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern gibt es in Potsdam immer wieder. 2017 waren es laut Angaben der Polizei 18, in den zwei Jahren davor jeweils 19. Bei einer Kontrolle am 17. Juli stellte die Polizei 61 Ordnungswidrigkeiten von Radlern fest. 32 fuhren entgegen der Fahrbahn, drei fuhren auf dem Bürgersteig, drei fuhren über die rote Ampel, bei drei Fahrern wurden technische Mängel am Rad festgestellt. Unfallschwerpunkte könne man indes nicht ausmachen, heißt es von der Polizei.
Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) kennt das Problem, dass Radfahrer auf Bürgersteigen unterwegs sind. „Gerade in der Innenstadt ist es das wertvolle Pflaster, das Radler auf die Fußwege zwingt“, sagt Lydia Heil von der ADFC-Ortsgruppe Potsdam. Auch Straßen, auf denen viele Autofahrer unterwegs sind, brächten Radler dazu, auf dem Bürgersteig zu fahren.
„Ihnen muss dann aber klar sein, dass sie dann defensiv unterwegs sein müssen“, betont Heil. „Fußgänger haben Vorrang.“ Viele seien sich aber längst nicht bewusst, dass sie auf Fußwegen nur geduldet seien. Neben der Innenstadt oder der engen Kurve am Landtag seien neuralgische Punkte in der Stadt zum Beispiel auch die verkehrsreiche Rudolf-Breitscheid-Straße in Babelsberg und die Behlertstraße, die Richtung Nauener Vorstadt zur Straße Am Neuen Garten wird. Dort gibt es zwar sogenannte Fahrradschutzstreifen, also Radwege auf der Fahrbahn der Autos, aber laut Heil sei die Straße sehr eng. „Autofahrer können dort die vorgeschriebenen anderthalb Meter Abstand zu einem Radfahrer gar nicht halten.“ Das führe dazu, dass viele Radler aus Unsicherheit auf den Fußweg wechselten – und so in Konflikt mit Fußgängern geraten. Auch Abbiegestreifen für Radler auf der Straße an den Ampeln würden Fahrradfahrer verunsichern. „Das sind alles Kompromisse, aber keine Ideallösung“, so Heil.
Vorsicht und Rücksicht geboten, wo Radfahrer und Fußgänger sich einen Weg teilen
Auch die Potsdamer Hegelallee sorgte in der Vergangenheit bereits für Ärger: In einem Urteil von 2016 entschied das Landgericht gegen einen Radfahrer. Der war auf dem von Radlern gern genutzten Mittelstreifen unterwegs. Ein Auto querte die Promenade, es kam zum Zusammenstoß. Der Radler bekam die alleinige Schuld an dem Unfall. Gleichzeitig appellierte der Richter an die Stadt: Denn die Beschilderung an der Hegelallee lasse zu wünschen übrig. Derzeit prüft die Verwaltung als einen ersten Schritt, die jeweils direkt am abgesenkten Bordstein gelegene Reihe der Pflastersteine im Querungsbereich der Radfahrer und Fußgänger dunkel einzufärben. So soll sich ein Bruch des durchgehenden Radweges ergeben. Den Mittelstreifen teilen sich die Radfahrer auch mit Fußgängern. Vorsicht und Rücksicht seien nach wie vor wesentlich im Verkehr, mahnt Heil. „Auch nonverbale Kommunikation gehört dazu.“ Das lernen Kinder bereits in den Radfahrprüfungen, die von der Polizei durchgeführt werden. In Potsdam haben in diesem Jahr rund 1860 Schüler die Prüfung abgelegt – 50 Schüler haben nicht bestanden. Eine Sprecherin der Polizei betont, dass neben den Lehrern in der Schule auch die Eltern maßgeblich zur Verkehrserziehung beitragen. Wer mit seinen Kindern Fahrradtouren unternimmt oder sie mit dem Rad zur Schule schickt, vermittle ihnen Sicherheit beim Fahrradfahren – und das Wissen, dass man auf dem Fußweg vorsichtig fahren muss.
„Es gibt immer Stimmen, die sagen, man müsse da ja als Radler nicht lang“, sagt Heil. Jeder habe aber andere Bedürfnisse und Sicherheitsbedenken. „Trotzdem: Fußgänger haben Vorrang.“ In den vergangenen 20 Jahren habe sich in der Stadt aber viel für Radler getan. Auch das Radverkehrskonzept bewerte sie positiv, so Heil. Aber eine Umgestaltung von städtischen Flächen sei eben auch nur langfristig möglich. Arbeiten müsse man beispielsweise an dem Platz für parkende Autos, die Fläche nehmen würden. Auch vorstellbar sei eine grüne Welle für Radfahrer, zum Beispiel auf der Breiten Straße. Auch wäre viel getan, wenn man an einigen Stellen auf eine zweite Autospur verzichten würde. „Aber noch ist die Zeit politisch dafür nicht reif“, sagt Heil.
Korrektur, 30.07.2018: Anders als ursprünglich berichtet, muss der Unfallverursacher, dem Wolfgang H. zum Opfer fiel, keine Gerichtskosten zahlen. Auch ist er nicht zu einer Geldstrafe verurteilt worden, stattdessen wurde das Verfahren gegen die Auflage einer Geldzahlung von 200 Euro eingestellt.
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