Fünf Meter an der Hauswand vorbei: Anwohner gegen Krampnitz-Tram
Während Hauseigentümer eine Klage gegen die Tramtrasse nach Krampnitz ankündigen, werden die Planungen für das neue Stadtviertel vorangetrieben. Es gibt auch noch einige andere offene Fragen.
Krampnitz/ Neu Fahrland - Für ihre Planungen einer Tramtrasse vom Jungfernsee zum neuen Stadtviertel Krampnitz müssen sich die Stadt und ihr Verkehrsbetrieb auf langwierige Gerichtsverhandlungen einstellen. Denn mindestens einer der betroffenen Eigentümer entlang der Strecke an der Bundesstraße 2 will mit Anwälten gegen das millionenschwere Vorhaben kämpfen. Das Rathaus treibt derweil seine Planungen für das künftige Stadtviertel für bis zu 10.000 Menschen voran.
"Noch nie so eine irre Planung erlebt"
Die beabsichtige Klage kündigte am Dienstag Manfred Angel, Eigentümervertreter des vor der Fertigstellung stehenden Hauses in der Tschudistraße 6, auf PNN-Anfrage an. Denn: Die Trasse an der Bundesstraße würde nach jetziger Planung nur rund fünf Meter entfernt von der Hauswand verlaufen. Das sei ein viel zu geringer Abstand. „Ich habe bisher noch nie so eine irre Planung erlebt“, sagte Angel, der selbst als Verkehrsplaner tätig war. Sollte die Tram so nah am Haus entlang fahren, wäre das für die Eigentümer „faktisch eine Enteignung“, weil die Wohnungen massiv an Wert verlieren würden – schon wegen der Erschütterungen, die von der so nah vorbeifahrenden Straßenbahn ausgehe. Auch ein Schallschutz fehle. Vor einigen Monaten habe er bereits einen Anwalt beauftragt, die Interessen der 23 Eigentümer des neuen Wohnhauses zu vertreten. Unter anderem mit den ähnlich betroffenen Nachbarn in der Tschudistraße 5 und 7 wolle man sich zusammentun, kündigte er an.
Tiefgaragen-Einfahrt mit rund 15 Prozent Gefälle
Der Winkelbau in der Tschudistraße 6 war bereits vor rund fünf Jahren genehmigt worden. Weil der frühere Investor in finanzielle Nöte kam, bauten die Eigentümer schließlich in Eigenregie weiter, ab April soll der Bau bezugsfertig sein. Die Tramtrasse würde für die Eigentümer noch zu weiteren Problemen führen, sagte Angel. So müsste die Einfahrt für die Tiefgarage des Hauses noch steiler verlaufen als jetzt schon mit rund 15 Prozent Gefälle geplant – die Zufahrt wäre dann aus seiner Sicht kaum noch nutzbar. Auf all solche Belange gingen aber Bauverwaltung, Verkehrsbetriebe und Planer bisher nicht ein. „Man wird nur vertröstet, bekommt immer nur Ausreden.“ Eine Beteiligung an den Planungen erfolge nicht. „Ich würde hier gern einen Ortstermin mit den Verantwortlichen machen, damit die selbst sehen, was sie hier tun wollen.“ Vorgehen müsste Angel gegen das ab 2022 vorgesehene Planfeststellungsverfahren, hier will er auf eine Änderung der Pläne klagen. Nur eine Entschädigung für den Bau der Tramtrasse auf der geplanten Strecke komme nicht infrage: „Wir wollen hier ja eben auch wohnen.“
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Bekanntlich muss die Stadtverwaltung zum Bau der Trasse, die ab Ende 2029 fahren soll, ohnehin mit einigen Dutzend Grundstückseigentümern eine Einigung erreichen, um überhaupt notwendige Flächen erwerben zu können. Bisher hieß es stets, die Gespräche dazu führe man. Auch am Dienstag sagte eine Rathaussprecherin auf PNN-Anfrage, alle Grundstückseigentümer, die betroffen seien, würden in die Planungen einbezogen.
Viele Fragen offen
Bei der geplanten Tramstrecke sind zudem noch andere Fragen offen. So hat das Landesdenkmalamt bereits seinen Einspruch gegen den geplanten Abriss eines denkmalgeschützten Chausseehaus an der Bundesstraße 2 angekündigt. Dieses Haus müsste für den Bau der Trasse weichen.
Auch bei der Finanzierung gibt es noch Klärungsbedarf: So hat das Rathaus auf Nachfrage des Stadtverordneten Andreas Menzel die aktuellen Schätzkosten für die Tram – inklusiver ihrer Verlängerung nach Fahrland – mit 150 Millionen Euro angegeben. Allein die Planfeststellung werde 22 Millionen Euro kosten, für den Erwerb der notwendigen Grundstücke seien 4,7 Millionen Euro vorgesehen. Allerdings könne man hier noch keine genauen Angaben machen, so hätten die Ankaufsverhandlungen erst begonnen, so die Verwaltung. Die Stadt will die Trasse dabei mit Fördermitteln des Bundes und des Landes stemmen – auf AfD-Anfrage rechnet man damit, dass Förderquoten zwischen 75 und 90 Prozent erreicht werden könnten, abhängig von den zur Verfügung stehenden Mitteln in diesen Töpfen.
Kunst und Kultur im Offizierskasino
Derweil werden vor Ort in Krampnitz, wo zunächst bis zu 5000 Einwohner und nach Start der Tram sogar 10.000 Menschen wohnen sollen, die Planungen fortgesetzt. Am Dienstag verkündeten das Rathaus, der kommunale Entwicklungsträger und die Deutsche Wohnen als größter bisher vor Ort tätiger Investor einen Flächentausch. Demnach erhält Potsdam Neubauflächen und Flurstücke mit Altgebäuden mit einer Gesamtgröße von rund 50.000 Quadratmeter zurück. Das bedeute für die kommunalen Pläne mehr Gestaltungsspielraum, so die Bauverwaltung. Zu dem Paket gehört auch das ehemalige Offizierskasino – was möglichst noch in diesem Jahr mit Kunst und Kultur belebt werden soll, wie es in einer gemeinsamen Erklärung hieß. Auch später könnte das prägende Gebäude teilöffentlich genutzt werden, hieß es. Zugleich könne die Deutsche Wohnen durch eine höhere bauliche Dichte auf ihren Flächen mehr Wohn- und Gewerbeeinheiten realisieren als ursprünglich geplant. Es geht um bis zu 1800 Wohnungen.
Die Pläne für das neue Viertel sorgen seit Jahren für Streit, gerade im Potsdamer Norden ist der Unmut aus Sorge vor einem dauerhaften Verkehrschaos groß. So beschloss erst vor wenigen Wochen der Ortsbeirat Groß Glienicke, dass man weitere Planungsschritte für das Viertel ablehne – bevor nicht ein besseres Verkehrskonzept vorliegt. In dieser Woche meldete sich die Bürgerinitiative Sacrow zu Wort: Wenn Krampnitz gebaut würde, drohe in dem beschaulichen Örtchen ein totaler Verkehrskollaps: „Es wird Verstopfungen und Staus bis zur Heerstraße geben, die ganz Kladow und Gatow massiv betreffen werden. In Potsdam werden sich die Blechlawinen die ganze Bundesstraße 2 entlang bis ins Zentrum stauen“, lauten die Befürchtungen.
Deutlich mehr Verkehr erwartet
Die Stadt hat bereits analysiert, dass deutlich mehr Verkehr zu erwarten ist. Gleichzeitig heißt es, dass ein Ausbau von stauanfälligen Verkehrsknotenpunkten im Stadtgebiet Berlin oder Potsdam „aufgrund der generellen Kapazitätsgrenzen der Straßeninfrastruktur in den Stadtzentren nicht umsetzbar“ wäre, so die Bauverwaltung. Daher setze man auf den Umweltverbund aus Fahrrad- und öffentlichem Nahverkehr, so ist auch ein Radschnellweg für 6,4 Millionen Euro in Richtung Innenstadt geplant. So könne man insgesamt mit einer „geringeren Flächeninanspruchnahme mehr Verkehrsteilnehmer“ abwickeln“, so die Hoffnung der Stadt.
Doch daran glaubt Eigentümer Angel nicht, die Anwohner in Krampnitz würden natürlich auch mit Autos fahren wollen, ist er überzeugt. Und statt der Tram könnten aus seiner Sicht auch viel preiswerte Lösungen gefunden werden – zum Beispiel Elektrobusse mit Oberleitungen. „Dann wäre die Trasse nicht nötig“.
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