Die Geduldsspielerin: Anna Gasper ist eine der Führungsfiguren bei Turbine
Anna Gasper hat bei Turbine lange auf ihre Chance gewartet. Nun gehört sie schon zum Nationalteam. Am Samstag müssen aber erstmal drei Punkte her im "letzten" Klassiker des deutschen Frauenfußballs.
Eine Busfahrt kann sich ziehen. Die Zeit nutzt Anna Gasper gern, um ihre Unterlagen rauszuholen. Das hätte sich auch am vergangenen Sonntag angeboten, von Hoffenheim nach Hause sind es fast 600 Kilometer. „Im Bus gibt es sonst nicht viel zu tun. Ich kann da sehr gut lernen“, sagt die Mittelfeldspielerin von Turbine Potsdam, die ein Studium in der Sportfördergruppe der Landespolizei Brandenburg absolviert. Aber diesmal hatte sie keine Lust, „zum Glück stehen die nächsten Prüfungen erst Ende Januar an“. Das Geschehen im Dietmar-Hopp-Stadion hatte aufs Gemüt geschlagen: Turbine war in der Frauenfußball-Bundesliga bei der TSG Hoffenheim nach 1:0-Führung 1:5 untergegangen.
Beim Tabellenzweiten darf man verlieren, doch die Art und Weise ärgert Gasper auch noch mit einigem Abstand zum Spiel: „Wir waren nicht richtig auf dem Platz, sind nicht in die Zweikämpfe gekommen und haben nicht zusammen agiert. Das darf nach einer Führung erst recht nicht passieren“, sagt Gasper. All das, was nicht geklappt hat, zog in Summe die hohe Niederlage nach sich.
Und bedeutete gleichzeitig das Ende der schönen Serie von vier gewonnenen Pflichtspielen nacheinander. „Insgesamt sehe ich uns aber auf einem guten Weg“, sagt Gasper. In diesem Jahr hat Turbine noch zwei Gelegenheiten, dies unter Beweis zu stellen. Die erste bietet sich am Samstag (13 Uhr, Karl-Liebknecht-Stadion) gegen den 1. FFC Frankfurt, danach geht es am 15. Dezember zum Schlusslicht FF USV Jena. Frankfurt ist Fünfter, Turbine Siebter, „wir sind auf Augenhöhe“, betont Gasper.
Die Anfangszeit bei Turbine war für sie nicht einfach
Sie ist 22 Jahre alt, woanders wäre Gasper eine der jüngeren Spielerinnen. Bei Turbine gehört sie zu denen mit der meisten Erfahrung. Zudem sind einige ältere Teamkolleginnen derzeit verletzt. Von ihr wird erwartet, dass sie Verantwortung übernimmt – und das tut sie. „Ich versuche, den Jüngeren zu helfen. Vor allem denen, die selten spielen. Ich kenne dieses Gefühl auch.“ Die gebürtige Kölnerin kam nach dem Abitur 2016 von Bayer Leverkusen. Die Trainingsmöglichkeiten, Gespräche mit Trainer Matthias Rudolph und die Chance auf das Studium hatten sie überzeugt, den Schritt raus aus der Heimat zu gehen.
Dort war sie einst durch ihre beiden älteren Brüder zum Fußball gekommen, diese sind mittlerweile stark in Kölner Karnevalsgesellschaften engagiert. Gasper mag Karneval auch, „wenn man damit aufgewachsen ist, ist das in einem drin“. So groß wie bei ihren Brüdern ist die Begeisterung aber nicht, „vielleicht liegt das auch an der Entfernung. Ich bin ja weit weg von zu Hause“. Ihre Familie kommt oft zu Auswärtsspielen, vor allem ihre Eltern. In Hoffenheim waren sie nicht, zumindest aus sportlicher Sicht „war das ganz gut“, sagt Gasper.
In der ersten Zeit saß sie in Potsdam meist auf der Bank. Nicht ärgern, weiter trainieren, sich anbieten – lautete die Theorie. „Meist habe ich das gut hinbekommen“, erinnert sich Gasper. Einmal habe ihr Tabea Kemme, damals eine der Führungsspielerinnen, sehr geholfen. „Sie hat mich zur Seite genommen und gesagt, ich soll nicht den Kopf hängen lassen. Ich würde meine Chance bekommen.“ Kemme, die 2018 zum FC Arsenal nach London wechselte, behielt recht.
Eine Konstante in Zeiten des Umbruchs
Der Durchbruch gelang Anna Gasper in der vergangenen Saison. Danach hat sie sich entschieden, den bis 2020 laufenden Vertrag vorzeitig um zwei Jahre zu verlängern. Trainer Rudolph bezeichnet sie als wichtigen Baustein beim Aufbau eines neuen Teams. In Zeiten des großen personellen Umbruchs ist sie eine Konstante.
Die guten Leistungen blieben nicht unbemerkt – Gasper erhielt mehrfach Einladungen zur Nationalmannschaft. Für die EM-Qualifikationsspiele gegen die Ukraine und in Griechenland im Herbst musste sie verletzungsbedingt absagen, beim Testspiel in England vorigen Monat war sie dabei. Im Wembley-Stadion, vor rund 80.000 Zuschauern. Deutschland siegte 2:1. Gespielt hat sie jedoch nicht. „Ich habe auf eine Einwechslung gehofft. Aber als nach der Halbzeit andere zum Warmmachen geschickt wurden, war mir recht klar, dass es nichts wird.“ Das Warten aufs Nationalteam-Debüt geht weiter.
„Noch freue ich mich, wenn ich überhaupt dabei bin“, sagt sie. Doch natürlich soll es bald klappen mit dem ersten Einsatz. Die nächste Chance bestünde im März beim Algarve-Cup in Portugal. Damit beschäftigt sie sich noch nicht. Wichtig sind jetzt die beiden Spiele mit Turbine bis Weihnachten. „Wir wollen auf jeden Fall sechs Punkte holen“, sagt Gasper. Um auf den guten Weg zurückzukehren.
+++ Zum letzten Mal 1. FFC Turbine Potsdam gegen 1. FFC Frankfurt +++
1. FFC Turbine Potsdam gegen 1. FFC Frankfurt: der Klassiker des deutschen Frauenfußballs. Aller Voraussicht nach findet das Duell der beiden führenden Teams in der Ewigen Bundesligatabelle am Samstag in dieser Konstellation zum letzten Mal statt, weil der hessische Club ab kommender Saison als Eintracht Frankfurt antreten will. Am Mittwoch soll die Mitgliederversammlung des Deutschen Rekordmeisters über die Fusion mit dem Männer-Bundesligaverein abstimmen. Es ist ein vermeintlich formaler Akt, dann „sind wir hoffentlich bald in der glücklichen Situation, erfolgreichen Frauen- und Männerfußball unter einem Dach präsentieren zu können“, sagte FFC-Manager-Urgestein Siegfried Dietrich jüngst der FAZ. Auf ihrer dann letzten Versammlung im Frühjahr müssen die Mitglieder letztlich über die Auflösung des 1. FFC votieren. Im Falle einer Fusion verlieren alle Verträge der aktuellen Bundesligaspielerinnen mit dem 1. FFC zum 30. Juni 2020 ihre Gültigkeit – für Dietrich bedeutet das viele Vertragsgespräche mit künftigen Eintracht-Kickerinnen.