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Martialischer Anblick. Die mobile Kamera mit dem niedlich klingenden Namen „Evo“ überwacht Bewegungen im Außenbereich der FH nachts und am Wochenende, so der Sanierungsträger, der sie installieren ließ. 5000 Euro haben zwei Exemplare gekostet. Sie sind laut Sanierungsträger nicht dazu da, aufzuzeichnen.
© S. Gabsch

FH in Potsdam: Alles, nur keine zweite Besetzung

Die FH ist kurz vor ihrem Abriss zur Festung geworden – mit Kameras, Zaun und Brettern in den Fenstern.

Potsdam - Martialisch sehen sie aus mit ihren langen schwarzen, nach unten zeigenden Spitzen: die zwei mobilen Kameras, die am Gebäude der Fachhochschule (FH) am Alten Markt dafür sorgen sollen, dass sich niemand unbefugt dem umstrittenen Bauwerk nähert. Schon seit vier Wochen wachen die Kameras über den „Außenraum“ der FH parallel zur Friedrich-Ebert-Straße. Sie verdeutlichen eindrücklich, wie angespannt die Lage in der Stadt fünf Wochen nach der knapp zehnstündigen Besetzung der FH ist – zumindest unter jenen, die in der Debatte für und gegen den Erhalt des DDR-Baus Position beziehen.

Installiert wurden die schwarzen Kameras, die den eher niedlich klingenden Namen „Evo“ tragen, von der Firma Securitas im Auftrag des Sanierungsträgers Potsdam, einer Tochtergesellschaft der kommunalen Bauholding Pro Potsdam. 5000 Euro ist für die Aufstellung der beiden Geräte bezahlt worden. Sie seien „zur vorbereitenden Baustellensicherung und zur Erfassung des Außenraumes“ aufgestellt worden, teilte der Sanierungsträger am Dienstag auf PNN-Anfrage mit. Ihr Zweck: „Evo“ löse Alarm aus, wenn in der Nacht oder in Wochenendzeiten Bewegung wahrgenommen wird – also auch, wenn sich Eindringlinge der FH nähern würden.

Bewegung vor der Kamera löst Alarm aus

Der Sanierungsträger betont, dass es sich nicht um eine Videoüberwachung handle. „Evo“ sei keine Überwachungskamera, die den öffentlichen Raum filme. Ihr Einsatz erfolge lediglich auf Baustellengebiet und nicht tagsüber.

Auf der Internetseite von Securitas heißt es, die 20 Kameras der „Evo“-Flotte seien „vor allem für temporäre Lösungen“ konzipiert. Die „MobileCam“ sei je nach Kundenbedarf anpassbar. Das beinhalte „unterschiedliche Detektions-, Video- und Kommunikationssysteme“. Kunden könnten mit mobilen Endgeräten auf Livebilder des Systems zugreifen. Löst eine Bewegung einen Alarm aus, kann die Leitstelle der Securitas „im Ereignisfall“ interagieren, zum Beispiel mit einer „Live-Täteransprache“. Weiter heißt es auf der Homepage, es könnten „im Bedarfsfall Videonachweise“ gesichert werden. Das, so betont eine Sprecherin der Pro Potsdam, sei aber bei der FH eben definitiv nicht der Fall. „Es wird nichts nachverfolgt und auch nichts aufgezeichnet.“

Neben den zwei Kameras ist die FH zusätzlich im Untergeschoss mit Brettern gesichert. Die sogenannte Verbretterung habe man nach Abstimmung mit Stadt, Land und Sanierungsträger in Auftrag gegeben, sagte auf PNN-Anfrage FH-Sprecherin Patrizia Reicherl. Die Kosten in Höhe von 23 114,56 Euro brutto trägt der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen. Ende Juli wurden die Bretter angebracht – Auslöser seien die Besetzung, aber auch Vandalismus gewesen. „Uns sind Scheiben eingeschlagen worden“, sagt Reimar Kobi, der den Umzug der FH koordiniert. „Herumliegende Scherben können wir nicht verantworten.“ Sie würden ein Risiko für die Mitarbeiter der Umzugsunternehmen darstellen, die gerade in der FH arbeiten. Laut Sprecherin Reicherl wolle man außerdem eine zweite Besetzung der FH verhindern. Auch Statik und Baufälligkeit spielten eine Rolle.

Übergabe der FH an die Stadt soll in der vorlesungsfreien Zeit geschehen

An der Front der FH zum Steubenplatz hin sei indes keine Verbretterung geplant. Das könnte aber geschehen, „falls auch dort Scheiben eingeschlagen werden oder der Versuch gemacht wird, ins Gebäude einzudringen“. Noch ist die FH Hausherr des Gebäudes, das nach wie vor dem Land Brandenburg gehört. An die Stadt wird die FH nach erfolgtem Umzug und der Räumung übergeben. Das werde im Laufe der jetzt vorlesungsfreien Zeit geschehen. Ein genauer Termin stehe aber nach wie vor nicht fest. Inzwischen sei aber niemand mehr im Gebäude tätig – außer die Umzugsunternehmen, sagt Reicherl.

Die Kameras, der Bauzaun und die Verbretterung belegten, wie nervös man bei Stadt und Sanierungsträger sei, sagt André Tomczak vom Bündnis „Stadtmitte für alle“. „Uns zeigt das, wie in Sachen FH Fakten geschaffen werden“, sagt er. „Man versteckt sich hinter dem Zaun.“ Das Bündnis „Stadtmitte für alle“ war in den vergangenen Wochen gegen den Abriss der FH aktiv geworden. Zuletzt hatte es Stadt und Land ein Kaufangebot für die FH unterbreitet, das die Stadt auch mangels nachgewiesener Finanzierung und wegen des schon lange laufenden Vergabeverfahrens für die Grundstücke ablehnte.

Wabenfassade soll in der kommenden Woche demontiert werden

Das Bündnis „Stadtmitte für alle“ fordert weiter den Stopp des FH-Abrisses und des Vergabeverfahrens. Es solle eine verbindliche Bürgerbefragung geben, so Tomczak. Auch der Kreisvorsitzende der Potsdamer Linken, Stefan Wollenberg, hatte zuletzt eine Bürgerbefragung gefordert (PNN berichteten) – obwohl die Linke in der Stadtverordnetenversammlung dem Abriss zugestimmt hatte. Er halte dennoch eine Bürgerbefragung für eine Möglichkeit, einen tiefgehenden Konflikt beizulegen, so Wollenberg.

An diesem Freitag werden die Baugerüste für die Abrissvorbereitungen an der FH aufgestellt. Nächste Woche soll damit begonnen werden, die charakteristische Waben-Fassade des Gebäudes abzunehmen. Einzelne Teile dieser Fassade gehen dann an die Restaurierungswerkstatt der Fachhochschule sowie ans Potsdam Museum und das Museum Barberini. Der tatsächliche Abriss soll nach bisherigen Angaben im November beginnen.

PNN-Kommentar: Die abgesicherte, überwachte und verbarrikadierte Fachhochschule ist ein Anblick, den Potsdam sich besser erspart hätte, meint PNN-Chefredakteurin Sabine Schicketanz in ihrem Kommentar. 

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