Zwei Jahre Klimanotstand in Potsdam: Aller Klimaschutz ist schwer
2019 wurde der Klimanotstand für Potsdam ausgerufen - die Bilanz nach dieser Zeit fällt zwiespältig aus.
Potsdam - Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, dass die Potsdamer Stadtverordneten für die Stadt einen Klimanotstand ausgerufen haben – als erste Kommune in Brandenburg. Doch die Meinungen, inwiefern dieser Beschluss hilfreich für die Begrenzung von klimaschädlichem Kohlendioxid war oder eher folgenlos, gehen in der Kommunalpolitik weit auseinander. Vor allem von der Opposition im Stadthaus kommt Kritik – allerdings gibt es gerade aus der rot-grün-roten Rathauskooperation auch neue Ansätze, wie Potsdam klimafreundlicher werden könnte. Ein Überblick.
Was verärgert die Opposition?
Vor allem die wahrgenommene Folgenlosigkeit der Entscheidung. Diese hatte damals auch die linksalternative Fraktion Die Andere mitinitiiert – und gibt sich nun desillusioniert. „Es hat sich nur wenig in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaschutz bewegt“, sagte der scheidende Fraktionschef Carsten Linke den PNN. Als Beispiele nannte er den sich zu lang hinziehenden Ausbau der Radwege oder den immer noch nicht ticketfreien öffentlichen Nahverkehr, den die Stadt allerdings umfangreich mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) abstimmen müsste. Ferner sind für beide Forderungen jeweils Millionenbeträge fällig.
Doch Linke geht in seiner Kritik noch weiter. So werde in Potsdam trotz Klimanotstand der Abriss sanierungsfähiger Gebäude wie dem Staudenhof oder dem Rechenzentrum vorangetrieben. Linke sagte: „Das verschwendet große Mengen grauer Energie“, gemeint ist also die nötige Energie für das Herstellen von Bauteilen. Auch in Krampnitz sei die Stadt weit vom eigenen Anspruch eines klimaneutralen Stadtteils entfernt. Der traurige Höhepunkt sei aber die geplante Fällung von großen Waldflächen für den Schulneubau am Bahnhof Rehbrücke.
Auch im bürgerlichen Lager gibt es Kritik: So war der Klimanotstand aus der CDU-Fraktion wiederholt als Symbolpolitik gegeißelt worden. Allerdings sagte deren Fraktionschef Götz Friederich auf PNN-Anfrage, einerseits habe der Beschluss durchaus Signalwirkung und führe zu einem Bewusstsein, Beschlüsse auch auf ihren menschgemachten Einfluss auf das Klima zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. „Wie schwer das ist, zeigt sich aktuell in Satzkorn: Dort soll ein Solarpark in der Größe von 77 Fußballfeldern entstehen, was energiepolitisch wünschenswert ist, andererseits aber auch einen massiven Eingriff in die Natur bedeutet im Sinne einer Versiegelung von Böden und der Verdrängung der Tierwelt.“ Hier hatte sich die Linke für eine Verkleinerung des Solarparks ausgesprochen. Das ist aus Sicht von Friederich politisch nur wenig glaubwürdig: „Damit steht der Beschluss nach wie vor im Verdacht einer reinen Symbolpolitik – was dem Bewusstsein für unsere Umwelt eher schadet, als nützt.“ Auch die AfD hatte den Beschluss abgelehnt: Die Fraktion lehnt die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum menschengemachten Klimawandel bekanntermaßen ab.
Die Stadtverwaltung hält übrigens dagegen: So habe man zum Beispiel beim Thema Baumschutz rund 500 Bewässerungssäcke an von Trockenheit bedrohten Standorten installiert. Dazu seien ab 2022 zusätzliche Bewässerungs-, Entsiegelungs- und Pflanzprojekte geplant, etwa am Schlaatz oder auf der Freundschaftsinsel. Ferner seien inzwischen Vertreter von Fridays For Future im Klimarat der Stadt und auch im Umweltausschuss der Stadtverordnetenversammlung. Schließlich gibt es bereits einen „Masterplan 100% Klimaschutz bis 2050“
Wie fällt die Bilanz der Kooperation aus?
Unterschiedlich, aber in der Tendenz durchaus positiv. Die meisten Bauchschmerzen haben noch die Grünen. So habe der Notstandsbeschluss zwar Rückwind für wichtige Weichenstellungen wie die Dekarbonisierungsstrategie der Stadtwerke gegeben, erklärte Fraktionschef Gerd Zöller den PNN in seiner Bilanz. Als weiteres Beispiel nannte er die Wiedervernässung von Mooren – ein Vorhaben, für das aber zuerst bis nächstes Jahr ein Konzept geschrieben werden soll. Auch verwies Zöller auf einen aktuellen Vorschlag der Stadt, zukünftig bei allen Beschlüssen die Klimawirkung auszuweisen – was auch eine Forderung in Zusammenhang mit dem Klimanotstandsvotum war. Auch wenn solche Umsetzungen zu lange dauern würden, sei das doch ein wichtiger Schritt in die Zukunft, so Zöller. „Noch vollkommen unzureichend“ sei aber die Personalausstattung im Rathaus zur Umsetzung der Klimaschutz-Beschlüsse der Stadtverordneten. Das Rathaus hält dagegen: Man habe seit 2020 immerhin zehn zusätzliche Stellen eingerichtet, die Klimaschutz und -anpassung gerade im Baudezernat „verstärkt integrieren“, sagte Stadtsprecher Markus Klier. Zöller hingegen sagte: „Und es gibt die Unsicherheit bei der Finanzierung wichtiger Maßnahmen wie dem 1000-Bäume-Programm.“ Das würde 670 000 Euro pro Jahr kosten – und begonnen hat das Projekt noch nicht.
Und es wird voraussichtlich nicht einfacher. Denn mit der Corona-Pandemie hat Potsdam mit Haushaltslöchern in mehrstelliger Millionenhöhe zu kämpfen. Wie man dies genau mit Klimaschutz verbinden will? SPD-Fraktionschef Daniel Keller betont jedenfalls, das Thema sei in den strategischen Zielen und damit im Haushalt „abgebildet“. Es seien „die großen Projekte“ wie Krampnitz oder die anstehende Sanierung im Schlaatz, für die der Beschluss zum Klimanotstand feste Leitlinien gebracht habe, sagte SPD-Fraktionschefin Sarah Zalfen – die zugleich ein Spannungsfeld von Klimaschutz und einer sozialen Entwicklung mit guter Infrastruktur und bezahlbaren Mieten ausmacht. Ferner habe man laut SPD-Mann Keller auch eigene Klima-Akzente gesetzt, etwa mit dem beschlossenen Ausbau des Radverleihsystems oder des E-Ladesäulennetzes sowie einem aktuellen Antrag für eine Solaranlage auf der Deponie Golm.
Ihr Engagement für mehr Klimaschutz betonen auch die Linken – wobei Teile der Fraktion immer noch Ideen wie einem dritten Havelübergang für Autofahrer hinterherhängen oder den besagten Antrag für einen kleineren Solarpark in Satzkorn schrieben. Dazu gehört Anja Günther nicht. Die Stadtverordnete erklärte den PNN, man habe vielerlei Initiativen gestartet, aktuell zum Beispiel für eine Gründachstrategie oder mehr Hitzschutzprojekt. „Das geht teils über die Maßnahmen des städtischen Klimaschutzplans hinaus.“ Und man setze sich auch für den Erhalt von Gebäuden oder den ticketfreien Nahverkehr ein – also die Kritikpunkte der Fraktion Die Andere an der Kooperation. Allerdings vermeiden die Linken in ihrer Stellungnahme offene Kritik an dem noch nicht Erreichten.
Woran hapert es zum Beispiel?
Das ist unterschiedlich. Mal sind es Details von Forderungen, manchmal überheben sich die Stadtverordneten aber auch. Ein Beispiel: der vergangene Bauausschuss. Dort ging es um einen Linken-Antrag für das ökologische Bauen neuer kommunaler Gebäude. Dies solle „mit einem sehr hohem Anteil nachwachsender Rohstoffe“ geschehen, also Holz – was ein klimaneutralerer Baustoff als etwa Beton ist. Allerdings hatte der Chef des für die Bauten zuständigen Kommunalen Immobilienservices (Kis), Bernd Richter, erhebliche Schwierigkeiten mit dem Antrag. So arbeite die Industrie bereits an treibhausneutralem Zement, wandte er ein – womöglich könne man diesen schon 2025 verwanden. Außerdem verbiete das Landesbaugesetz bei größeren Gebäuden, diese nur in Holzbauweise zu errichten. Auch die Grünen mäkelten an einigen Details – so sei es beispielsweise technisch gar nicht möglich, dass für kommunale Gebäude der Energiebedarf „ vollständig lokal und aus erneuerbaren Quellen gedeckt werde“, so ihr Argument. Die Debatte wurde schließlich vertagt.
Generell hat die Stadtverwaltung bereits festgestellt, dass beim Klimaschutz aus ihrer Sicht Grenzen bestehen: Das Ziel des Bundes – 95 Prozent Reduktion der Treibausgase und 50 Prozent der Endenergie bis 2050 – sei in Potsdam vor allem durch das starke Bevölkerungswachstum und den großflächigen Denkmalstatus aus heutiger Sicht kaum möglich: „Für die Erreichung erscheinen noch nicht absehbare Technologien und Organisationsformen notwendig.“ Wichtig bleibe gleichwohl etwa die Abkehr vom fossilen Individualverkehr und eine stärker an Klimaschutz orientierte Stadtplanung.
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