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Frische Brötchen vom Bäcker gibt es am Schlaatz und in der Teltower Vorstadt am Wochenende derzeit nicht.
© Andreas Klaer

Nahversorgung am Schlaatz: 14.000 Potsdamer, keine frischen Brötchen

Im Sommer hat im Schlaatz die letzte Bäckereifiliale geschlossen und auch in der Teltower Vorstadt gibt es keinen Bäcker.

Potsdam - Robert Geschke wohnt in der Teltower Vorstadt. Wenn er frische Brötchen vom Bäcker kaufen will, muss er zum Bahnhof oder nach Babelsberg. „Seit die Bäckerei im Rewe-Markt am Schlaatz zugemacht hat, gibt es hier überhaupt keinen mehr“, beschreibt er. „Viele meiner Nachbarn fahren sonntagmorgens mit dem Auto nach Babelsberg, um Brötchen zu holen.“ Zwar gebe es noch einen industriellen Backshop im Rewe, aber die Qualität könne mit der eines handwerklichen Bäckers nicht mithalten. „Am Schlaatz ist kaum noch etwas, der Stadtteil ist heruntergewirtschaftet, das ist traurig für die Bewohner“, sagt Geschke, der selbst am Schlaatz aufgewachsen ist.
In der Tat hat die Bäckerei Steinecke ihre Filiale im Rewe an der Alten Zauche Mitte August geschlossen. Wie es von Steinecke heißt, wurde der Mietvertrag von Rewe gekündigt, weil die Supermarktkette die Fläche nun selbst nutzt. Wie berichtet wurde die Filiale im Sommer umgebaut. Neueröffnungen seien im Schlaatz oder der Teltower Vorstadt derzeit nicht geplant, teilte die Bäckerei Steinecke mit.

Für die rund 14.000 Einwohner von Schlaatz und Teltower Vorstadt gibt es damit keinen ständigen Bäcker mehr. Ein Angebot macht die Bäckerei Lenz mit ihrem mobilen Verkaufswagen in der Heinrich-Mann-Allee – allerdings nur unter der Woche von 8 bis 15 Uhr. „Wir können diese Zeiten auch nicht erweitern, weil es keine Bäcker mehr gibt, die die ganze Arbeit machen können“, sagte Robert Lenz auf Anfrage. Am Schlaatz gibt es ebenfalls einen Bäckereiwagen, er verkauft aber nur einmal wöchentlich. 

Die Stadt sieht keine Steuerungsmöglichkeit

Die Stadt Potsdam sieht keine Möglichkeit, hiergegen vorzugehen. Die Verwaltung habe „keine unmittelbare Steuerungsmöglichkeit“, sagt Stadtsprecherin Christine Homann auf Anfrage. Es gebe in den Gebieten sogenannte Mischgebiete im Bebauungsplan, in denen sich Bäcker ansiedeln könnten. Doch die Initiative müsse von den Unternehmen selbst kommen. Wenn man Tim Spotowitz, seit September Pädagogischer Leiter des Bürgerhauses am Schlaatz, fragt, was ihm zum Thema Bäcker in dem Viertel einfällt, sagt er: „Ich hätte gerne einen.“ Der Schlaatz sei geprägt von mehr als 60 Prozent Singlehaushalten, darunter viele ältere Menschen. „Ich finde es problematisch, wenn die Infrastruktur für die Grundversorgung hier nach und nach verschwindet“, sagt Spotowitz. Das habe auch einen gesundheitlichen Aspekt: Ein Toast aus dem Supermarkt oder ein Aufbackbrötchen aus der Tüte seien weniger gesund als ein frisches Bäckerbrötchen. „Durch die fehlende Infrastruktur werden auch die Zugangsmöglichkeiten zu einem gesunden Leben eingeschränkt“, so Spotowitz.

"Zu wenig Interesse", sagt Exner

Bäcker Tobias Exner hatte fünf Jahre lang eine Filiale am Schlaatz. „Es hat sich nicht gelohnt“, sagt er. Vergangenes Jahr hat er dicht gemacht, weitere Pläne für den Schlaatz hat er nicht. „Die Menschen dort gehen lieber zum Discounter, es gibt zu wenige Interessenten für handwerkliche, regionale Produkte“, so Exner. Natürlich seien die Brötchen bei ihm teurer als im Backshop. „Aber ich bezahle auch meine Mitarbeiter ordentlich“, betont er.
Martina Wilczynski, Leiterin des Schlaatz-Bürgerclubs, glaubt nicht, dass es an Nachfrage mangelt. „Die Leute hier haben darunter gelitten, dass der Bäcker bei Rewe zugemacht hat“, sagt Wilczynski, die sich schon lange für den Stadtteil einsetzt. In den 1990er-Jahren habe es eine gute Versorgungsstruktur gegeben, aber nach und nach seien die Drogerie, ein Blumenladen und Connys Container mit allerlei Hausrat verschwunden. Dabei gehöre so etwas zum Kiezgefühl. Ein Bäcker, bei dem man sonntags für das Familienfrühstück frische Brötchen holen kann, bedeute auch ein Stück Lebensqualität. „Die Schlaatzer wollen auch mal einen Kaffee trinken, ein Stück Kuchen essen, den Nachbarn treffen“, beschreibt sie. „Natürlich würde das Angebot angenommen.“

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