Frankreich nach dem Angriff auf die Freiheit: Zwischen Anspannung und Streit - wie lange hält die Einheit?
In Frankreich geht die Sorge um die Sicherheit um – die Einigkeit des Landes wird aber nicht anhalten. Während die Sicherheitskräfte unter Hochdruck nach Komplizen fahnden, versucht Nicolas Sarkozy die Lage politisch auszunutzen.
Die Anspannung der letzten Tage klingt langsam ab. Das Leben normalisiert sich allmählich. Doch Frankreich wird noch lange vom Trauma der blutigen Ereignisse der vergangenen Woche gezeichnet sein. Von der Regierung beschlossene Sicherheitsmaßnahmen wie die höchste Stufe des Anti-Terror-Plans Vigipirate bleiben in Kraft oder werden noch verstärkt. Für den Schutz der 717 jüdischen Einrichtungen im ganzen Land sollen 4700 Polizisten und Gendarmen postiert werden, kündigte Premierminister Manuel Valls an. Die Zahl der zum Schutz von „sensiblen Punkten“ eingesetzten Soldaten soll um 2000 auf 6000 erhöht werden. Es ist das erste Mal, dass der in Frankreich übliche Einsatz von Militär zur inneren Sicherheit auf einen solchen Umfang steigt.
Die Maßnahmen begründete die Regierung nach einer Krisensitzung von Präsident François Hollande mit dem Regierungschef und den Ministern für Inneres, Verteidigung und Justiz mit der Gefahr neuer Anschläge. Die Sicherheitsdienste gehen davon aus, dass einer der Islamisten, der eine Polizistin und vier Geiseln in dem jüdischen Supermarkt erschoss, vermutlich einen Komplizen hatte. Nach ihm und anderen möglichen Unterstützern wird mit Hochdruck gefahndet. „Die Jagd geht weiter“, sagte Valls.
Einen Tag nach den Solidaritätskundgebungen für die 17 Opfer des islamistischen Terrors, bei denen am Wochenende Millionen von Franzosen in Paris und anderen Städten des Landes unterwegs waren, herrscht neben der Sorge um die Sicherheit auch die um Bewahrung der nationalen Einheit. Die Trauermärsche stellten eine „außergewöhnliche, noch nie erlebte Antwort“ auf die Attentate dar, sagte der Premierminister in einem Fernsehinterview. Auch die Presse ist in ihrem Urteil einhellig lobend. Als „historischen Tag“ bezeichnete „Le Monde“ den 11. Januar 2011. Die konservative Zeitung „Le Figaro“ titelte: „Frankreich steht auf.“ Ähnliche Schlagzeilen waren in der katholischen Zeitung „La Croix“ und dem kommunistischen Blatt „L’Humanité“ zu lesen. Die Wirtschaftszeitung „Les Echos“ schrieb: „Geeint für die Freiheit.“
Linke und Rechte streiten um neue Gesetze gegen den Terrorismus
Durch ihre internationale Dimension habe die Trauerkundgebung mit der Teilnahme der von der Menge mit Beifall begrüßten Staats- und Regierungschefs aus 44 Ländern auch zur Hebung des Ansehens Frankreichs in der Welt beigetragen, schrieb die Zeitschrift „Le Point“ in ihrer Online-Ausgabe. Nicht „politisches Kalkül“, sondern Größe sei jetzt von den Politikern gefordert. Was Präsident François Hollande und seine Regierung angeht, so haben sie im Urteil der Medien bewiesen, dass sie während der dramatischen Tage der Herausforderung gewachsen waren. Eine „fehlerfreie Strecke“ bescheinigte „Le Monde“ dem Präsidenten. Er habe gar kein Wort sagen müssen. Seine Haltung, seine Gesten bei der Begrüßung der ankommenden Staats- und Regierungschefs, bei der Begegnung mit den Hinterbliebenen der Opfer und beim Marsch an der Spitze des Trauerzugs hätten alles ausgedrückt: „Frankreich und die Welt stehen hinter François Hollande.“
Ob die Einigkeit lange anhält, bleibt jedoch abzuwarten. Spätestens bei der nun fälligen Debatte über notwendige neue Sicherheitsmaßnahmen könnte sie zwischen der linken Regierung und der rechten Opposition aufbrechen. Erste Risse zeigte sie bereits am gestrigen Montag, als der frühere Präsident und neue Chef der konservativen Oppositionspartei Nicolas Sarkozy mit Forderungen auf die sozialistische Regierung Druck auszuüben versuchte. Zum Teil handelt es sich um Vorschläge, die wie die Einzelhaft von verurteilten Dschihadisten auch von der Regierung erwogen werden, zum Teil aber auch um Forderungen, die wie die Ausweisung von Dschihadisten, die ihre Strafen verbüßt haben, keine Chance haben, wenn es sich, wie es meistens der Fall ist, um Leute mit französischem Ausweis handelt.
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