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Die Polizei setzte Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein.
© AFP
Update

Vor Erdogan-Besuch in Köln: Zwei Tote nach Ausschreitungen in der Türkei

Am Samstag kommt der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan nach Köln. Vorher hat es in der Türkei wieder blutige Proteste gegeben. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben.

Kurz vor dem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln an diesem Samstag ist die türkische Metropole Istanbul von neuen blutigen Unruhen erschüttert worden. Bei Straßenschlachten wurden zwei Menschen getötet. Die Erinnerung an den Beginn der Gezi-Proteste vor fast genau einem Jahr und der viel kritisierte Umgang der Regierung mit dem Grubenunglück in Soma waren die Auslöser für die neuen Auseinandersetzungen. Erdogan selbst fachte den Streit mit der Protestbewegung noch weiter an. An seiner Reise nach Köln halte er aber fest, sagte er am Freitag.

Die Auseinandersetzungen spielten sich im Istanbuler Stadtviertel Okmeydani ab, in dem viele Aleviten wohnen. Die Aleviten sind eine islamische Religionsgemeinschaft von rund 20 Millionen Menschen, die sich von der sunnitischen Mehrheit in der Türkei unterdrückt fühlen. In Köln hat die Alevitische Gemeinde Deutschland zu Protesten gegen Erdogan aufgerufen. Der Premier, der als Kandidat für die türkische Präsidentschaftswahl im August gehandelt wird, will in Köln vor tausenden türkischen Wählern sprechen.

Laut der Erdogan-treuen Tageszeitung „Yeni Safak“ kritisiert die türkische Regierung die Zulassung der Aleviten-Demonstration und anderer Protestkundgebungen in Köln. Ankara befürchte, dass Erdogan die Schuld an etwaigen Ausschreitungen in die Schuhe geschoben werden solle. Außenminister Ahmet Davutoglu sagte, er erwarte, dass die deutschen Behörden alle Provokationen gegen Erdogan verhindern.

Erdogan heizt die Debatte weiter an

In Okmeydani war Ugur Kurt, der Besucher einer Trauerfeier, die nicht mit den Protesten zusammenhing, am Donnerstag von einer Kugel aus einer Polizeiwaffe am Kopf getroffen worden und gestorben. Die Dienstwaffen von 20 Beamten, von denen einige zur Tatzeit bei einer Straßenschlacht in der Nähe mehrere Warnschüsse abgegeben hatten, werden derzeit untersucht. In der Nacht starb ein weiterer Mann am Rande der fortgesetzten Auseinandersetzungen. Er soll von einer mit Splittern verstärkten Brandbombe der Demonstranten getroffen worden sein. Auch am Freitag hielten die Unruhen an. Demonstranten in Okmeydani griffen einen Polizeibus mit Steinen an.

Vertreter der Aleviten in Okmeydani warfen der Polizei vor, die Minderheit bewusst unter Beschuss zu nehmen. „Sie zielen regelrecht auf uns“, sagte Zeynel Sahin, der Vorsitzende eines Aleviten-Verbandes in dem Stadtviertel, der Zeitung „Cumhuriyet“. Ein Besucher der Trauerfeier, bei der Kurt getroffen wurde, sagte der Zeitung: „Besteht unsere Schuld darin, dass wir Aleviten sind?“

Erdogan goss noch mehr Öl ins Feuer, indem er in einer Rede den Anlass für die Protestkundgebungen in Okmeydani kritisierte. Die dortigen Demonstranten wollten unter anderem an den Tod des 15-jährigen alevitischen Jungen Berkin Elvan erinnern, der bei den Gezi-Unruhen des vergangenen Jahres von der Tränengaskartusche der Polizei am Kopf getroffen wurde und nach mehreren Monaten im Koma starb. Erdogan sagte dazu, er frage sich, ob „wir für jeden Toten eine Gedenkveranstaltung abhalten müssen. Er ist tot, es ist vorbei.“ Zugleich lobte Erdogan die „Geduld“ der Polizei beim Umgang mit den Protesten. Zum Jahrestag des Beginns der Gezi-Proteste in der Türkei am 28. Mai ist mit weiteren Demonstrationen zu rechnen.

Den Köln-Besuch verteidigt er weiter

Er werde sich durch die „Anschwärzungskampagne“, die gegen seinen Besuch in Köln im Gange sei, nicht von der Visite abhalten lassen, sagte Erdogan vor Vertretern seiner Regierungspartei AKP in Ankara. Einige in Deutschland seien möglicherweise wegen des wirtschaftlichen und politischen Aufstiegs seines Landes besorgt.

Erdogans Berater und die regierungsfreundliche Presse vertreten seit längerem die Auffassung, Deutschland wolle die Türkei schwächen, weil es die neue Stärke des Landes am Bosporus fürchte. So hatte ein ranghoher AKP-Politiker die Lufthansa für die Gezi-Unruhen verantwortlich gemacht: Die deutsche Fluggesellschaft wolle das Großprojekt des neuen Istanbuler Flughafens verhindern, weil der Airport dem Frankfurter Drehkreuz den Rang ablaufen werde.

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