Türkei nach dem Putschversuch: Zustimmung zur Todesstrafe wächst
Der türkische Präsident Erdogan schließt trotz internationaler Warnungen die Rückkehr zur Todesstrafe nicht aus. In einem CNN-Interview beruft er sich auf den Willen den Volkes.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan würde das Verfahren zur Wiedereinführung der Todesstrafe starten, wenn das Parlament dies so entscheiden sollte. "Das ist ein klarer Fall von Hochverrat, und die Bitte (der Bürger) kann nicht von der eigenen Regierung abgelehnt werden", sagte Erdogan laut seinem Übersetzer in einem CNN-Interview. "Doch auf jeden Fall bedarf es einer Entscheidung des Parlaments."
Das Thema müsse diskutiert werden, um eine entsprechende Maßnahme zur Änderung der Verfassung einzuleiten. "Ich als Präsident werde jedes Ergebnis, zu der diese Diskussion kommen sollte, akzeptieren", sagte Erdogan im ersten TV-Interview nach dem Putschversuch. Dabei präsentierte sich Erdogan als ein Staatspräsident, der ein Gespür für den Willen des Volkes hat und dessen Bitten hört.
"Wir haben die Todesstrafe abgeschafft, aber wir können immer zurückgehen und sie wieder einführen", sagte Erdogan. Nach Ansicht des türkischen Volkes sollten Terroristen getötet werden und nicht etwa lebenslange Haftstrafen bekommen. "Die Menschen sagen: Warum soll ich sie über Jahre versorgen und füttern."
Die Menschen wollten ein schnelles Ende für die Täter. "Denn sie haben Verwandte, Nachbarn und Kinder verloren, sie leiden", sagte Erdogan. "Die Menschen sind sehr empfindlich, und wir müssen sehr vernünftig und einfühlsam agieren."
Das türkische Parlament hatte die Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten 2002 beschlossen. 2006 war dann auch die Todesstrafe in Kriegszeiten abgeschafft worden, da die Türkei über einen EU-Beitritt verhandeln wollte. Die Debatte um eine Rückkehr zur Todesstrafe wurde aber auch durch den Kampf der Regierung gegen die Kurden immer wieder aktuell.
Die ultrarechte Oppositionspartei MHP hat ihre Unterstützung für eine mögliche Wiedereinführung der Todesstrafe zugesagt. "Wenn die (Regierungspartei) AKP dazu bereit ist, sind wir es auch", sagte MHP-Chef Devlet Bahceli bei einer Fraktionssitzung in Ankara. "Auch wir würden das befürworten und das Nötige ohne Bedenken tun.“ Die MHP sei nicht dagegen, die Todesstrafe etwa bei Putsch-, Kriegs- oder Terrorgefahr anzuwenden. "Die Putschisten sollen nie wieder Tageslicht sehen." Mit der Unterstützung der MHP hätte die AKP ausreichend Stimmen, um ein Referendum für eine entsprechende Verfassungsänderung zu beschließen. Dann würde eine einfache Mehrheit im Volk reichen, um die Todesstrafe wieder einzuführen. EU-Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten Erdogan gewarnt, die Todesstrafe sei nicht mit einem EU-Beitritt der Türkei vereinbar.
Militärs in U-Haft
26 türkische Generäle müssen wegen ihrer mutmaßlichen Verwicklung in den gescheiterten Putschversuch in Untersuchungshaft. Ein Gericht in Ankara ordnete nach einer Anhörung am Montagabend an, dass die ranghohen Militärs bis zum Beginn ihres Prozesses im Gefängnis verbleiben müssen. Ein Termin für den Beginn des Verfahrens wurde nicht genannt. Den Generälen wird versuchter Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung, das Anführen einer bewaffneten Gruppe sowie die versuchte Ermordung des Präsidenten zur Last gelegt.
Zu den Beschuldigten zählt der frühere Kommandeur der türkischen Luftwaffe, Akin Öztürk. Er bestritt eine Verwicklung in den gescheiterten Putschversuch. "Ich bin nicht derjenige, der den Putsch geplant oder angeführt hat", erklärte er laut der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Er wisse nicht, wer hinter dem Umsturzversuch stecke.
Eine Gruppe von Militärs hatte in der Nacht zum Samstag versucht, die Macht im Land zu übernehmen. Nach der Niederschlagung des Umsturzversuchs kündigte Präsident Recep Tayyip Erdogan ein hartes Vorgehen gegen die Putschisten sowie die "Säuberung" der Armee an.
Inzwischen wurden nach Regierungsangaben mehr als 7500 Verdächtige festgenommen, unter ihnen ranghohe Soldaten sowie Staatsanwälte, Richter und Polizisten. Die Zahl der Suspendierungen von Staatsbediensteten mit angeblichen Verbindungen zu dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen stieg am Dienstag auf knapp 30 000. Die Regierung entließ fast 9000 Bedienstete des türkischen Innenministeriums, vor allem Polizisten und Gendarmen. Auch das Bildungsministerium hat mehr als 15.000 Beamte vom Dienst suspendiert. Insgesamt 15.200 Staatsbedienstete aus dem Bildungsbereich würden verdächtigt, Verbindungen zur Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen zu haben, teilte das Ministerium am Dienstag mit. Gegen sie werde nun ermittelt. Der türkische Hochschulrat forderte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu zudem die Rektoren aller staatlichen und privaten Universitäten zum Rücktritt auf. Die Telekommunikationsbehörde RTÜK entzog 24 Radio- und Fernsehstationen die Sendelizenz.
Die Zahl der Toten bei dem Putschversuch stieg nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auf mindestens 264. Bei ihnen handele es sich um 173 Zivilisten, 67 regierungstreue Sicherheitskräfte sowie 24 Putschisten, meldete Anadolu. 1390 Zivilisten seien bei dem Putschversuch verletzt worden. Insgesamt seien seit dem Putschversuch 8660 Menschen festgenommen worden, die meisten davon Soldaten beziehungsweise Richter und Staatsanwälte.
Das harte Vorgehen der türkischen Regierung stößt international auf deutliche Kritik. Die Bundesregierung und die EU riefen Ankara zur Mäßigung auf. Auch die USA, die Nato und die UNO forderten die türkische Regierung zur Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung auf. (mit AFP,dpa)