Zukunft der EU: Zustimmung für Macrons Pläne in Österreich
Die EU-Reformvorschläge des französischen Staatschefs Emmanuel Macron stoßen bei der österreichischen Regierung in vielen Punkten auf Zustimmung.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron kann bei der Umsetzung seiner Pläne zur Reform der EU auf Österreich bauen. Als sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Ende der vergangenen Woche beim Gipfel im estnischen Tallinn zum informellen Abendessen versammelten, sprach sich Wiens Regierungschef Christian Kern (SPÖ) für die Schaffung einer Wirtschafts-, Sicherheits- und Sozialunion aus. Österreich sei „ein Land, das die verstärkte europäische Kooperation sucht und auch Beiträge dafür leistet, damit wir vom Fleck kommen“, erklärte Kern.
In der vergangenen Woche hatte Macron bei einer viel beachteten Rede an der Pariser Sorbonne-Universität zum Teil weit reichende Ideen für die Weiterentwicklung der EU vorgestellt. In den Augen des österreichischen Kanzlers Kern kommt mit Macrons Initiative zum Ausdruck, dass sich die Stimmung in Europa zum Besseren verändert hat. Kern ist der Ansicht, dass nun gemeinsame Projekte zügig und entschlossen angegangen werden müssten. Um die Entwicklung voranzutreiben, dürfe sich die EU nicht an den „langsamen“ Staaten im europäischen Geleitzug orientieren. Vielmehr sei jetzt „eine Koalition der Willigen“ gefragt, glaubt Kern.
"Kurswechsel in Europa"
Ähnlich denkt auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Wiens Chefdiplomat begrüßt nicht nur, dass nach Macrons Vorstoß eine Diskussion über die Zukunft der EU geführt wird. Darüber hinaus fordert er: „Wir brauchen einen Kurswechsel in Europa.“
Weil Österreich in der zweiten Jahreshälfte 2018 den Vorsitz im EU-Rat führen wird, nahm Kurz die Gelegenheit wahr, seine Reformvorschläge in die Diskussion einzubringen. Kurz spricht sich dabei für ein „Europa der Subsidiarität“ aus. Das heißt, dass die gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik künftig einen zentralen Schwerpunkt für die Gemeinschaft bilden soll. Dazu gehört nach der Vorstellung von Kurz unter anderem, aus der EU-Grenzschutzbehörde Frontex eine europäische Grenzpolizei oder eine europäische Eingreiftruppe zu machen. Allerdings soll es auch Bereiche geben, in denen Regelungen den Nationalstaaten oder Regionen überlassen werden. Dies soll für Probleme gelten, die man vor Ort bürgernäher und treffsicherer lösen kann.
Gefallen findet Österreichs Außenminister an der von Macron ins Spiel gebrachten Verkleinerung der EU-Kommission. Macron hatte vorgeschlagen, die EU-Kommission von derzeit 28 Mitgliedern langfristig auf 15 Mitglieder zu verkleinern. Frankreich wolle dabei mit gutem Beispiel vorangehen und auf seinen EU-Kommissar verzichten, hatte Macron an der Sorbonne erklärt. Skeptisch äußert sich Kurz allerdings angesichts der Idee Macrons, das Amt eines Euro-Finanzministers einzuführen. Denn bevor neue Posten und Strukturen geschaffen würden, gelte es zunächst, die bestehenden Regeln in der Euro-Zone überhaupt durchzusetzen, so Kurz.
FPÖ steht auf der Bremse
Auf einer ähnlichen Linie wie Kern und Kurz liegen auch die Grünen und die NEOS. Ulrike Lunacek, die Spitzenkandidatin der Grünen, erklärte euphorisch: „Chapeau, Monsieur Macron! Endlich redet auch ein Staatschef über konkrete Reformen für ein starkes, zukunftsfestes Europa“. Für den NEOS-Vorsitzenden Matthias Strolz hat Macron „eine mutige Vision von Europa gezeichnet“, auch wenn man nicht in allen Details mit Macron übereinstimme.
Kritische Worte fand nur die FPÖ. Deren EU-Parlamentarier Harald Vilimsky kritisiert, dass Berlin und Paris einen neuen „Zentralisierungsschub“ auslösen wollten. Für ihn stellen Macrons Ideen, „die völlig falsche Antwort nach dem Brexit-Schock“ dar.
Für Verärgerung sorgte bei den Freiheitlichen, dass Kern nach seiner Rückkehr vom EU-Gipfel nach Wien davon sprach, dass viele europäische Regierungschefs angesichts einer möglichen Regierungsbeteiligung der FPÖ besorgt seien. Dahinter wird zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Österreich bei den Freiheitlichen der Versuch vermutet, Stimmung gegen eine mögliche Regierungsbeteiligung der FPÖ zu erzeugen. Auslöser war unter anderem eine Aussage des ehemaligen FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer, der sein Interesse für das Amt des Außenministers bekundete und dabei betonte, dass er zwar nicht gegen Europa, aber gegen die derzeitige EU sei. Tatsächlich gehört die FPÖ im EU-Parlament zusammen mit dem Front National, der AfD und anderen rechtspopulistischen Parteien jener Fraktion an, die der europäischen Einigung besonders kritisch gegenüberstehen.
Erschienen bei EurActiv.
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Herbert Vytiska