Zwist zwischen CDU und CSU: Zusammenhalten, irgendwie
Flüchtlinge, Obergrenzen: Die Lage der Union ist nach dem Zerwürfnis verfahren. Auch das Verhältnis zwischen Merkel und Seehofer steht weiter nicht zum besten.
Eigentlich ist Volker Bouffier nicht der Typ, der um den heißen Brei herumredet. Nur ist genau das an diesem Samstag sein Auftrag. Der CDU-Bundesvize sitzt in einer kahlen Würzburger Kongresshalle vor einer blauen Wand, die mit lauter „CDU“ und „CSU“ gesprenkelt ist. So nah sind die zwei Schwesterparteien sich im Moment sonst nicht. Bouffier ist der leibhaftige Beweis dafür, schließlich hat er neulich im CDU-Präsidium – nur halb im Scherz – dem CDU-Generalsekretär geraten, nach einer Immobilie in München für eine CDU-Filiale zu schauen, wenn die von der CSU nicht aufhören zu stänkern.
Jetzt soll er über Zusammenhalt reden. Zusammenhalt, ausgerechnet, ist das Oberthema der ersten aus einer Reihe von Versöhnungskonferenzen, bei denen die Spitzen von CDU und CSU sich selbst beweisen wollen, dass sie doch noch viel gemeinsam haben. Im Saal sitzen Fachpolitiker aus beiden Parteien, auf dem Podium Experten aus vielen Fächern. Die auf dem Podium reden sehr differenziert über Islamunterricht und Leitkultur.
Im Saal mögen es aber nicht alle differenziert. Der Mann aus dem Hessischen zum Beispiel nicht, der vorgibt wissen zu wollen, „wann in Deutschland 50 Prozent der Einwohner Muslime sind“, und im Übrigen anmerkt, dass bei abstiegsbedrohten Fußballvereinen „schon mal der Trainer gewechselt“ werde. Bouffier muss also doch was zum heißen Brei sagen. „Das ist alles ziemlich sinnlos“, gibt der hessische Regierungschef zurück. „Denn es ist immer Ausdruck von Panik.“
Panik ist ein gutes Stichwort. Die Lage in der Union ist verfahren. Und niemand weiß, wie man da wieder rauskommt. Bei ihrem letzten Vier-Augen-Gespräch haben selbst Angela Merkel und Horst Seehofer, so weit sich das aus Hinweisen rekonstruieren lässt, über Zeitpläne geredet, aber nicht über den heißen Brei.
Ohne Sieg hier und Niederlage da
Im Grunde sind die beiden ja auch nicht viel weiter als vor einem Jahr. Der Bayer erwartet von Merkel schon wieder ein weithin schallendes Signal – bloß diesmal nicht Richtung Flüchtlinge, sondern Richtung flüchtiger Wähler. Merkels Eingeständnis von Versäumnissen Anfang der Woche war ihm in der Sache zu wenig. Aber Merkel wird nicht ihre gesamte Flüchtlingspolitik zum Fehler erklären.
Ob es einen Weg zwischen den Extremen gibt, ohne Sieg hier und Niederlage da, ist alles andere als sicher. Ihn zu finden wird doppelt schwer, so lange alle in ihren Rollen gefangen sind. Angela Merkels Mea-Culpa-Rede war zumindest ein Versuch, sich etwas aus ihrer Selbstfesselung zu befreien. Horst Seehofer steckt in seiner noch sehr stabil fest.
Ein Kniefall Merkels wäre auch keine Lösung
Dabei schadet ihm das inzwischen selbst, weil die Öffentlichkeit sogar dann, wenn der Bayer Kompromissbereitschaft signalisieren will, wieder bloß die Halbsätze wahrnimmt, die in das Schema des bitteren Streits passen. Dass er diese Erwartung immer wieder bedient, macht die Sache nicht leichter. „Obergrenze“, „Wende“, „unverzichtbar“ – er werde, hat er gerade der CSU-Landtagsfraktion zu verstehen gegeben, eher die Union sprengen als einen „Offenbarungseid“ zu leisten. Ob ihm schon einer gesagt hat, dass es mit einer Wiederannäherung nichts wird, wenn sich nur die CDU-Chefin bewegt und der CSU-Chef nicht?
Theoretisch weiß er das. Einen Formelkompromiss merken die Wähler sofort, ein Kniefall Merkels wäre aber auch keine Lösung. „Jeder der beiden muss das Ergebnis aus vollem Herzen vertreten können“, sagt einer aus dem engeren CSU-Führungskreis. „Alles andere wäre ja für beide Seiten schädlich.“
Eigentlich also ist das jedem klar. Ein triumphierender CSU-Chef und eine gedemütigte Kanzlerin ergäben keinen Wahlsieg, weder im Bund noch in Bayern. In München registrieren sie sehr genau, dass selbst die eigene Basis des Gezänks überdrüssig wird. In Würzburg bekommt der CSU-Landtagsabgeordnete Oliver Jörg starken Applaus für den Appell, zwischen CDU und CSU endlich von der „Schlagwortdebatte“ runterzukommen.
Aber dieses Jahr des Zerwürfnisses zu überwinden braucht Zeit. Zeit, die sie kaum haben. Der nächste Koalitionsgipfel soll am 6. Oktober stattfinden. Die Einladungen zum CSU-Parteitag gehen Mitte Oktober raus, auch die an die Chefin der Schwesterpartei. Merkel will kurz nach dem CSU-Parteitag und kurz vor dem der eigenen Partei die CDU-Basis in einem Regionalkonferenzen-Marathon bearbeiten. Wenn bis dahin kein Frieden wäre – nicht auszudenken. Eigentlich.