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Politik: Zum Abschied: 750 Klopse

Kurz vor dem Abflug serviert Tim Raue im Schloss Charlottenburg. Die Gäste schwitzen, die Kinder fehlen.

Glücklich die Damen, die einen Fächer in der Handtasche hatten. In der großen Orangerie des Schlosses Charlottenburg war es richtig heiß, und Windlichter brannten auch noch rings um die schönen Gestecke aus dicken gelben und rosa Rosen. Kein Wunder, dass sich Präsident Barack Obama nach seinem auf Deutsch gesprochenen „Guten Abend“ herzlich und mit einem Hauch Ironie für das „warme Willkommen“ bedankte – „im wörtlichen und im übertragenen Sinne.“ Nun kennt er auch die spezielle Romantik alter euopäischer Schlösser ohne moderne Klimaanlage. In dem schlauchförmigen Raum schwitzten geladene Gäste wie Klaus Wowereit, Rainer Maria Kardinal Woelki, Giovanni di Lorenzo, Siemens-Chef Peter Löscher, Gary Smith, Iris Berben, Staatsminister Bernd Neumann, Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Renate Künast von den Grünen und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Aber die Wärme schadete der guten Stimmung nicht.

„Cheers“, sagte die Kanzlerin bei ihrer Tischrede, bei der sie sich bei ihrem Gast auch im Namen ihres Mannes für den Empfang im Rosengarten des Weißen Hauses bei ihrem letzten Besuch bedankte. „Viele Menschen blicken mit großer Bewunderung auf Sie, weil Sie in besonderer Weise das Land der unbegrenzten Möglichkeiten repräsentieren.“ Der Kalte Krieg sei zwar vorbei, aber auch für diese Generation gebe es jede Menge zu tun.

„Zum Wohl“, toastete der Präsident auf Deutsch zurück. Er erzählte von einer kurzen Pause im Hotelzimmer, bei der ihm seine Tochter Malia berichtet habe, was sie am Tag alles über deutsche Geschichte gelernt habe (das Essen schwänzten die Töchter allerdings für einen Einkaufsbummel). Im Namen seiner ganzen Familie dankte Vater Obama „für die unglaubliche Gastfreundschaft“. Er selbst habe auch eine Geschichtsstunde bekommen von der Kanzlerin, die ihm von der DDR und ihrer Hoffnung erzählt habe, eines Tages frei zu sein: „Sie sind eine Inspiration für mich und Leute auf der ganzen Welt.“ Dann ging er auf die Deutschen ein, die Amerika mitgeformt und geprägt haben, und sprach über die Bedeutung der Freiheitsglocke für die Amerikaner und die Deutschen. Da war es schon 20 Uhr. Noch eine Stunde Zeit zum Essen.

Es begann der Abend des Königsberger Klopses. 750 Stück hatte Sternekoch Tim Raue mit seinen Leuten hergestellt, als Hauptgang des Menüs für Barack Obama im Schloss Charlottenburg – und die gut 200 Gäste mochten sie. „Die Leute haben Klopse gegessen, als gäb’s kein Morgen“, freute sich der Berliner Koch am Abend kurz vor dem Dessert, „wir nehmen drei oder vier wieder mit nach Hause.“ Und Barack Obama kostete trotz der knappen Zeit alle vier Gänge des Menüs.

Zu diesem speziellen Auftrag war Raue nicht einfach so gekommen. Die Leute vom Protokoll der Bundesregierung hatten sich nämlich nicht auf seine zwei Michelin-Sterne verlassen, sondern persönlich nachgeschaut, ob er auch was Hiesiges zustande bringt. Die Bundeskanzlerin, die zusammen mit ihrem Mann Joachim Sauer eingeladen hatte, habe sich ausdrücklich ein regionales Menü gewünscht – und so etwas kocht Raue nicht im eigenen Restaurant in Kreuzberg, sondern im „La Soupe populaire“ in der alten Bötzow-Brauerei in Prenzlauer Berg, wo er als Berater und Namensgeber fungiert.

Allein16 Kalbsköpfe mussten sorgfältig präpariert werden, um am Ende auf 750 Klopse zu kommen. Das ließ sich gut vorbereiten, aber das Vier-Gänge-Menü sollte natürlich trotzdem in sportlichem Tempo serviert werden, 70 bis 80 Minuten waren gefordert. „Normalerweise würden acht Köche reichen“, erzählte Raue, „aber dafür habe ich alle 14 mitgenommen.“ Das Restaurant blieb deshalb am Abend geschlossen – ein schönes Geschenk für die Leute vom Service, die bei Obama nicht gebraucht wurden.

Das Menü für den US-Präsidenten startete – knapp vor Schluss der Saison – mit weißem Spargel, serviert mit Zitrone, Saiblingskaviar und Sauerampfer. Es folgte Kabeljau mit Schmorgurken und Estragon, dann die Klopse in klassisch heller Soße (Raue: „mit viel Sahne und Butter“) sowie einem Salat von Roten Beeten und Kartoffelpüree, schließlich ein „Bienenstich“, der aus einem Baba-Teig nebst Aprikosensorbet besteht, die Biene kommt dabei gegenständlich ins Spiel, gestaltet aus Schokolade und Mandeln.

Auch die Weinauswahl hatte Raue übernommen. Wer ihn kennt, der ahnt, dass der rheinhessische Winzer Jochen Dreißigacker zum Zuge kam, dessen Beerenauslese auch schon in der Soße zum Klops steckte. Gleich zum Empfang knallten die Korken seines Riesling-Sekts, dann der Sauvignon blanc „Kaitui“ von Markus Schneider aus der Pfalz und schließlich Dreißigackers Riesling „Wunderwerk“.

Trotz der Hitze schmeckten Essen und Gespräche offenbar gut. Obama blieb länger als geplant – und verabschiedete sich mit Verspätung zum Flughafen.

Elisabeth Binder, Bernd Matthies

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