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Die Rolle der Bahn für die Verbrechen der Nazis thematisiert seit fünf Jahren die Ausstellung „Zug der Erinnerung“ – hier im Münchner Hauptbahnhof. Foto: Lennart Preiss/dapd
© dapd

Rolle der Reichsbahn bei der Judenvernichtung: "Zug der Erinnerung" und Bahn können sich nicht einigen

Dem Projekt „Zug der Erinnerung“ droht das Aus. Die Verantwortlichen weisen sich gegenseitig Schuld zu.

Die Deutsche Bahn will den Vorwurf, sie zwinge den „Zug der Erinnerung“ auf das Abstellgleis, nicht auf sich sitzen lassen. Der Konzern will künftig alle Einnahmen, die ihm durch den Zug entstehen, der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ) spenden, wie Sprecher Jens-Oliver Voß am Donnerstag versichert. Doch vom Tisch ist der Streit um das Gedenkprojekt damit noch lange nicht. Denn die Protagonisten der Bahn und des Vereins „Zug der Erinnerung“ haben sich schon vor einiger Zeit völlig verkracht – und es ist nicht abzusehen, dass sich daran etwas ändert.

Der „Zug der Erinnerung“ fährt seit fünf Jahren Bahnhöfe im In- und Ausland an. In seinen Waggons erinnert eine Ausstellung an die Rolle der Deutschen Reichsbahn bei der Judenvernichtung während der nationalsozialistischen Diktatur. Doch seit Ende vergangenen Jahres steht der Zug. Ob das engagiert gestartete Gedenkprojekt jemals wieder im Leben erfüllt werden kann, ist äußerst fraglich.

Dass es überhaupt so lange lief, ist Hans-Rüdiger Minow zu verdanken, dem Vorstandssprecher des Vereins. Er forderte unnachgiebig die Unterstützung der Bahn, trug manchen Streit aus um Halte der mobilen Ausstellung an Hauptbahnhöfen etwa in München und Berlin. Oft fühlte der Verein sich von der Bahn schikaniert. Doch weil die Bahn zunächst nicht viel getan hatte zur Vergangenheitsaufarbeitung, stand sie unter Druck. So zahlte sie - nicht rechtlich, wohl aber moralisch verpflichtet und auch mit Druck im Rücken von politischer Seite. Sie bestand aber auf einem umständlichen Verfahren, um das es seither Streit gibt.

Wie andere Eisenbahnunternehmen auch muss der Verein über die von ihm beauftragten Privatbahnen Gebühren bezahlen für Bahnhöfe und Trassen. Die Bahn erstattet dieses Geld dann über die Stiftung EVZ, welche dann wieder den Verein bedient – nach entsprechender Prüfung. Das klappte zunächst relativ gut. 150 000 Euro aus dem Spendenetat der Bahn kamen 2009 beim Verein „Zug der Erinnerung“ an. Einen grundsätzlichen Gebührenerlass für den „Zug der Erinnerung“ verweigert die Bahn seit Jahren. Auch die Bundesregierung erklärte eben erst auf eine Anfrage der Linksfraktion, die Frage nach einem „ausnahmsweisen Verzicht“ auf diese Gebührenberechnung stelle sich nicht.

Im Vordergrund geht es also nur um ein paar zehntausend Euro. Die Bahn gibt aus den vergangenen Jahren einen Fehlbetrag von 30 000 Euro zu, den sie noch an die Stiftung EVZ überweisen wolle. Vereinssprecher Minow kalkuliert das aufgelaufene Defizit auf 90 000 Euro. Er fordert, auch die Rechnungen der Privatbahnen für die Fahrten zu verschiedenen Bahnhöfen müssten von der Bahn erstattet werden – schließlich seien diese von ihr verschuldet, weil sie nicht selbst die Loks gestellt habe.

Das sieht die Bahn zwar nicht so. Aber vielleicht ließe es sich einigen über einen Fehlbetrag von 60 000 Euro, wenn sich Beteiligten gut leiden könnten. Das tun sie aber nicht. Minow sagt zwar, mit dem Wechsel von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn zu Rüdiger Grube sei der „ruppige Ton“ von „hanseatischer Höflichkeit“ abgelöst worden. In der Sache bleibe die Abrechnung so bürokratisch wie eh und je. Minow betont, dass die polnische Bahn PKP und die französische Staatsbahn SNCF kostenlos geholfen hätten. Zuletzt ging ein Gespräch zwischen Verein und Bahn-Vertretern im Herbst in Düsseldorf schief. Seitdem herrscht Funkstille.

Minow empört sich auch über die Bundesregierung. Obwohl rechtlich zweifelhaft sei, ob die Bahn für sein Projekt Gebühren erheben müsse, beharre sie auf der bürokratischen Praxis. Auch das Verkehrsministerium hat das eben erst in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion bestätigt. „Unredlich, falsch und unverantwortlich“ seien die Auskünfte, sagt Minow dazu.

Umgekehrt hat offenbar auch die Bahn keine Lust mehr, sich von den Initiatoren des „Zuges der Erinnerung“ beschimpfen zu lassen – und das Projekt dennoch am Leben zu halten. Ausführlich schildert Sprecher Voß, was alles an Erinnerungsarbeit geleistet werde. Das reicht vom Mahnmal Gleis 17 am Berliner Bahnhof Grunewald über die Schau „Sonderzüge in den Tod“, die von den in Paris lebenden Nazi-Jägern Serge und Beate Klarsfeld initiiert wurde, bis zur Förderung von Buch- und Filmvorhaben. Vor gut einem Jahr überwies die Bahn fünf Millionen Euro an die Stiftung EVZ, um Überlebende von NS-Verbrechen in Osteuropa zu unterstützen.

Auch die Stiftung sitzt zwischen den Stühlen. Ihr Sprecher Dietrich Wolf Fenner nennt die von der Bahn angekündigte neue Spende „erfreulich“, der „Zug der Erinnerung“ könne sich gern um eine Projektförderung bewerben. „Es handelt sich um zwei voneinander unabhängige Sachverhalte“, betont er. Ausdrückliches Lob für eine Initiative hört sich anders an.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Anton Hofreiter sagt: „Da wir die Arbeit und das Engagement des Vereines ,Zug der Erinnerung’ anerkennen und schätzen, wünschen wir, dass ein Kompromiss bei dem Streit um die Finanzierung gefunden wird.“ In erster Linie aber sei nicht die Bahn, sondern der Bund gefragt. Auf den hofft auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke): „Wenn die Bahn AG nun dem ,Zug der Erinnerung’ mit finanzieller Über-Forderung droht, dann ist die erste Protest-Adresse Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Und die schwarz-gelbe Bundesregierung.“

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