750-Milliarden-Hilfspaket der EU: Zu komplex für einen EU-Videogipfel
Beim EU-Videogipfel gibt es zwar grundsätzlich Einigkeit über eine Schuldenaufnahme der Gemeinschaft. Aber viele Details im Milliardenpoker sind strittig.
Eines war nach der Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs der EU am Freitag klar: Es bedarf noch einiger Detailverhandlungen, bevor mitten in der Corona-Krise das größte Hilfsprogramm in der Geschichte der EU steht. „Die Brücken, die wir noch zu bauen haben, sind groß“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem virtuellen Gipfel.
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Zwar hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Auftakt des Gipfels eine schnelle Einigung angemahnt. Allerdings war da schon absehbar, dass den Staats- und Regierungschefs im Format der Videokonferenz kein Durchbruch gelingen würde. EU-Ratschef Charles Michel kündigte daher nach dem Gipfel an, dass Mitte Juli ein physisches Treffen in Brüssel stattfinden soll. Ein „echter“ Gipfel gilt zur Lösung der zahlreichen komplexen Finanzfragen als unerlässlich. Vorher will Michel konkrete Lösungsvorschläge auf den Tisch legen.
Italien kann mit Zuschüssen und Krediten über 173 Milliarden Euro rechnen
Von der Leyen hatte Ende Mai Corona-Hilfen für die 27 EU-Staaten mit einem Volumen von insgesamt 750 Milliarden Euro vorgeschlagen. 500 Milliarden Euro sollen dabei ab Anfang 2021 in der Form von Zuschüssen fließen, 250 Milliarden Euro sind als Kredite vorgesehen. Nicht alle Staaten werden nach jetzigem Stand gleichermaßen profitieren: Während Italien mit Zuschüssen und Krediten in Höhe von 173 Milliarden Euro rechnen kann und für Spanien rund 140 Milliarden Euro eingeplant sind, kann Deutschland nur knapp 30 Milliarden Euro erwarten. Das geplante 750-Milliarden-Euro-Paket addiert sich zum EU-Haushalt für die kommenden sieben Jahre mit einem geplanten Volumen von 1,1 Billionen Euro. Über diesen Etat verhandeln die 27 EU-Staaten ebenfalls parallel.
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Wie von der Leyen nach der Videokonferenz erläuterte, gibt es vier Punkte, die zwischen den EU-Staaten umstritten sind: das Gesamtvolumen des Wiederaufbauprogramms, die Vergabekriterien für die Mittel, das Verhältnis zwischen nicht rückzahlbaren Zuschüssen und Krediten sowie die so genannten Eigenmittel. Damit sind mögliche EU-Steuern gemeint, die bei der Tilgung jener Schulden ins Spiel kommen könnten, welche die EU für das 750-Milliarden-Programm aufnehmen muss. Dass die EU-Kommission überhaupt Anleihen im großen Stil am Markt platzieren soll, wurde indes nach den Worten von Merkel am Freitag von keinem der Gipfelteilnehmer in Frage gestellt.
Streit über den Verteilungsschlüssel
Diskussionsbedarf gibt es allerdings nicht zuletzt angesichts des Verteilungsschlüssels für die Gelder, den von der Leyen vorgeschlagen hat. Der Plan der Kommissionschefin sieht vor, dass sich die Zuteilung der Gelder an der Arbeitslosenquote in den Empfängerländern zwischen 2015 und 2019 bemisst. Zahlreiche Staaten monieren, dass mit diesem Kriterium die Corona-Hilfen nicht zwangsläufig in jene Länder geleitet würden, in denen die Pandemie aktuell die stärksten wirtschaftlichen Verwerfungen hervorruft. „Auch ich habe daran Zweifel geäußert, dass es die einzige Bezugsgröße sein sollte“, sagte Merkel.
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Von der Leyen verteidigte hingegen den Ansatz der Kommission. Die Arbeitslosenzahlen in der Zeit von 2015 bis 2019 seien gerade in jenen Ländern in der EU am höchsten gewesen, die der Pandemie am schlechtesten widerstanden hätten, erklärte sie.