NSU-Prozess: Zschäpe-Anwälte stellen Befangenheitsantrag gegen alle Richter
Beate Zschäpe und ihre Verteidiger ziehen offenbar wieder an einem Strang. Im NSU-Prozess haben die Anwälte einen Befangenheitsantrag präsentiert - der Vorsitzende Richter soll einen Zeugen einseitig befragt und entlastende Punkte ignoriert haben.
Die Verteidiger von Beate Zschäpe gehen in die Offensive. Am Dienstag haben die drei Anwälte im NSU-Prozess am Oberlandesgericht einen Befangenheitsantrag präsentiert, der sich gegen sämtliche Richter des 6. Strafsenats richtet, auch gegen die drei Ergänzungsrichter. Als Grund nannte Verteidiger Wolfgang Stahl die vorangegangene Einvernahme eines Zeugen durch den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Aus Sicht der Anwälte hatte Götzl einseitig Fragen gestellt und Sachverhalte ignoriert, die Zschäpe entlasten würden. Da die weiteren sechs Richter sich nicht zu Wort meldeten, rechnen Zschäpes Anwälte auch ihnen das Verhalten Götzls zu. Das Gericht habe „bewusst eine selektive Befragung des Zeugen vorgenommen“, sagte Stahl.
Anwälte: Götzl hat wesentliche Passagen nicht beachtet
Götzl hatte am Vormittag den Richter des Bundesgerichtshofs Wolfgang S. befragt, der im Dezember 2011 gegen einen mutmaßlichen Unterstützer des NSU, Matthias D., einen Haftbefehl ausgestellt hatte. Götzl hielt Wolfgang S. mehrfach Passagen aus dem Protokoll der Vernehmung von Matthias D. vor und stellte dazu Fragen. Matthias D. hatte allerdings nicht selbst geantwortet, sondern einen Anwalt für sich sprechen lassen. Zschäpes Verteidiger monieren, Götzl und seine Kollegen hätten bei der Einvernahme von Richter Wolfgang S. wesentliche Passagen aus dem Protokoll vom Dezember 2011 nicht beachtet.
So soll der Anwalt von Matthias D. damals gesagt haben, für seinen Mandanten habe sich aus dem Verhalten von Beate Zschäpe und ihrer beiden Gefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt „keinerlei Ansatz für ein Sichverbergen“ ergeben. „Sie grüßten die Nachbarn, hatten Katzen und gaben diese in Obhut.“
Matthias D. soll für die drei in den Jahren 2001 und 2008 in Zwickau Wohnungen gemietet haben. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe lebten dort unter falschen Namen. Offen bleibt, ob Matthias D. die wahre Identität der drei bekannt war. Gegen den Mann ist weiterhin ein Ermittlungsverfahren anhängig. Im NSU-Prozess verweigerte er die Aussage.
Opferanwalt nennt Antrag "absurd"
Der Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben, Olaf Klemke, schloss sich im Namen seines Mandanten dem Ablehnungsgesuch gegen den Strafsenat an. Die Richter hatten kürzlich einen Antrag der Anwälte Wohllebens abgelehnt, den Haftbefehl gegen den Angeklagten aufzuheben. Spätestens seitdem gehe Wohlleben nicht mehr davon aus, dass der Strafsenat unparteiisch sei, sagte Anwalt Klemke.
Bundesanwalt Herbert Diemer und der Opferanwalt Thomas Bliwier nannten den Befangenheitsantrag gegen den Strafsenat „absurd“. Diemer und Bliwier sprachen sogar vom Verdacht der Prozessverschleppung.
Götzl setzte die Hauptverhandlung fort, der Richter des Bundesgerichtshofs wurde weiter befragt – nun durch Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl. Über den Befangenheitsantrag muss nun ein anderer Strafsenat des Oberlandesgerichts München entscheiden.
Mit dem Antrag haben die Anwälte der Hauptangeklagten auch demonstriert, dass sich ihr Verhältnis zu Zschäpe offenbar wieder verbessert hat. Zschäpe hatte Mitte Juli Götzl mitteilen lassen, sie habe ihr Vertrauen zu den Pflichtverteidigern verloren. Die Richter hielten jedoch Zschäpes Argumente, die sie in einer schriftlichen Stellungnahme nachreichte, für dürftig und lehnten es ab, die drei Anwälte Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl zu entpflichten. Danach sprach Zschäpe zumindest im Gerichtssaal zunächst nur mit Stahl. Es dauerte allerdings nicht lange, bis zu sehen war, dass sie sich wieder mit allen drei Anwälten unterhielt. Der Bruch scheint überwunden zu sein. Der Befangenheitsantrag vom Mittwoch könnte zudem Zschäpes Vertrauen in ihre Verteidiger weiter festigen.