Streit über 86 Cent höheren Rundfunkbeitrag: Zerbricht heute die Keniakoalition in Sachsen-Anhalt?
In Sachsen-Anhalt droht wegen der Erhöhung des Rundfunkbeitrags der Koalitionsbruch: Der Ministerpräsident prescht nun mit einem neuen Vorschlag vor.
Kurz vor einer wegweisenden Abstimmung zum neuen Rundfunk-Staatsvertrag sucht die schwarz-rot-grüne Koalition in Sachsen-Anhalt nach Auswegen aus ihrem festgefahrenen Streit. Ein gutes halbes Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt steht die Kenia-Koalition von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) vor einer Zerreißprobe.
Knackpunkt ist die bevorstehende Landtagsabstimmung über den Medienänderungsstaatsvertrag, dessen Kern die Anhebung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent ist. Die Grünen drohten bereits mit einem Ende des Bündnisses, sollte die CDU gemeinsam mit der AfD gegen den Medienänderungsstaatsvertrag stimmen. Auch die SPD kündigte für diesen Fall Konsequenzen an.
Am Dienstag (11.15 Uhr) berät der Koalitionsausschuss über das weitere Vorgehen des Regierungsbündnisses. Am Mittwoch soll der Medienausschuss seine Beschlussempfehlung für den Landtag abgeben, das gilt als wegweisend für die Abstimmung im Landtag Mitte Dezember.
Um dabei nicht gemeinsam mit der AfD stimmen zu müssen, eine Beitragserhöhung im Wahljahr 2021 aber dennoch zu verhindern, will die CDU den Landtag bei der Entscheidung nun zunächst umgehen. Dazu will die Fraktion nach dpa-Informationen einen Vorschlag in den Medienausschuss einbringen, der auf Vorschlägen aus der Staatskanzlei aufbaut. Die Vorschläge lagen der dpa vor, zuvor hatten „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und der „Spiegel“ darüber berichtet.
Die Fraktion will das alles als Angebot an die Koalitionspartner verstanden wissen. Da die Beitragserhöhung zum 1. Januar dadurch aber zunächst ausfiele, SPD und Grüne diese aber mittragen wollen, ist die Zustimmung der beiden Juniorpartner der CDU jedoch fraglich. Aber: Weder Grüne noch SPD wussten am Montagabend nach eigenen Angaben von dem CDU-Antrag.
Der „Spiegel“ zitiert aus dem Antragsbeschluss für den Medienausschuss am Mittwoch. Darin soll es heißen, dass „nach den Erklärungen der Fraktionen im Parlament und in der Öffentlichkeit keine Mehrheit für den Gesetzentwurf mehr zu erwarten“ sei.
Weiter heißt es demnach, Haseloff wolle sich stattdessen für „Nachverhandlungen“ über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags in der Rundfunkkommission einsetzen. „Objektive Indikatoren belegen die grundlegend veränderten Rahmenbedingungen und damit die Erosion der Geschäftsgrundlage des Staatsvertrages“, stehe dort zu Begründung. Würde der Medienausschuss dem Antrag zustimmen, gebe es keine Abstimmung im Parlament Mitte Dezember.
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Am Dienstag forderte der Politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, die CDU auf, der Beitragserhöhung zuzustimmen. „Wenn die CDU in so einer zentralen demokratischen Frage lieber mit den Verfassungsfeinden von der AfD gemeinsame Sache macht, statt den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu stärken, dann verlässt die Union die Geschäftsgrundlage der Kenia-Koalition“, sagte Kellner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Kritik kam auch aus den Reihen der Union. „Es ist bedauerlich, dass der Rundfunkbeitrag jetzt wieder hin und her diskutiert wird“, sagte Bayerns Medienminister Florian Herrmann der „Augsburger Allgemeinen“ (Dienstag). „Bayern steht zu dem gefundenen Kompromiss und hält die Beitragsanpassung um 86 Cent für angemessen und erforderlich“, sagte der CSU-Politiker der Zeitung.
Damit der Rundfunkbeitrag zum 1. Januar um 86 Cent auf 18,36 Euro steigen kann, ist ein einstimmiger Beschluss aller Länderparlamente nötig. Das würde die CDU mit einem Nein vorerst boykottieren. SPD, Grüne und Linke wollen dem hingegen zustimmen. Der Kenia-Koalition von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) droht zudem im Fall einer gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD rund ein halbes Jahr vor der Landtagswahl der offene Bruch.
Klingbeil: „Die CDU spielt mal wieder mit dem Feuer.“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte ein Eingreifen der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. „Die CDU spielt mal wieder mit dem Feuer und bereitet wenige Monate nach der Schande von Thüringen nun in Sachsen-Anhalt die nächste Kooperation mit der AfD vor", sagte Klingbeil im Gespräch mit dem „Tagesspiegel“.
„Die CDU muss sich in den kommenden Tagen entscheiden, ob sie am demokratischen Grundkonsens festhält, dass man mit Nazis nicht zusammenarbeitet. Oder ob sie diese Republik dauerhaft verändert, indem sie mit der AfD gemeinsame Sache macht“, sagte Klingbeil.
Auch die medienpolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Elisabeth Motschmann, warnte die Sachsen-Anhalt-CDU vor einer Kooperation mit der AfD. „Mit der AfD sollte man auf keinen Fall gemeinsame Sache machen“, sagte Motschmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. (Tsp/AFP/dpa)