Karikaturen in Afrika: Zeichnungen, die die Welt verändern
In vielen afrikanischen Ländern kann eine gelungene Karikatur leicht zum Tagesgespräch werden - auf der Straße, am Arbeitsplatz und manchmal auch im Parlament. Wie arbeiten Karikaturisten in Afrika? Ein Einblick in die Situation in Kenia, Tansania und Südafrika.
Dass eine Karikatur gleich das Parlament beschäftigt, ist selbst in Afrika ungewöhnlich. Das ist in der vergangenen Woche im kenianischen Parlament in Nairobi passiert. Thema war eine Zeichnung des bekanntesten Karikaturisten Ostafrikas: Gado. Gado, dessen Geburtsname Godfrey Mwampembwa ist, hat eine Affäre aufgespießt, die seit zwei Wochen die kenianische Innenpolitik empört, erheitert und auf jeden Fall beschäftigt. Der neu gewählte Vizepräsident William Ruto, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist, hat sich in seiner neuen Funktion eine Reise in drei westafrikanische Staaten in einem ziemlich kostspieligen Luxus-Jet genehmigt. Kenia besitzt bereits einen Präsidentenjet, der noch aus der Zeit des autokratischen Präsidenten Daniel arap Moi stammt. Deshalb findet es Mwalimu Mati, der die Transparenz-Plattform Mars-Group betreibt, ziemlich absurd, ein Privatjet zu mieten, wenn doch schon eines gekauft worden ist. Gado fand das offenbar auch etwas fehlgeleitet und veröffentlichte am 22. Mai in der Tageszeitung "The Daily Nation" eine Karikatur des "Hustler Jet". Es zeigt William Ruto mit einem Kugel wie in einem Straflager vergangener Zeiten um das Bein, der auf dem Bauch liegend von vier Frauen massiert, manikürt und auch sonst gut gepflegt wird. Vor ihm auf einem Tisch stehen eine Tasse Kaffee und ein Cocktail. Ruto sagt ins Mobiltelefon: "Es war eine wunderbare Reise. Die sind auf unserer Seite. Sie wollen mit uns Geschäfte machen."
Die Regierungsparteien waren empört und debattierten den Cartoon im Parlament. Ruto hatte mit dem Bombardier Challenger 850 der österreichischen Charterfirma Vista Jet eine Tour in die Republik Kongo (Brazzaville), nach Gabun (Libreville) und Nigeria (Abuja) unternommen. Die Ergebnisse seiner Reise und der Gespräche, die der neue Präsident Uhuru Kenyatta, ebenfalls Angeklagter vor dem IStGH, geführt haben, dürften am ersten Tag des Gipfeltreffens der Afrikanischen Union (AU) zu besichtigen gewesen sein. Die AU-Vollversammlung hat vor, den IStGH in einer Resolution aufzufordern, die Verfahren gegen Uhuru Kenyatta und William Ruto an die kenianische Justiz abzugeben. Wie schrieb Gado? "Sie sind auf unserer Seite." Die Afrikaner jedenfalls sind in ihrer Mehrzahl auf der Seite der Karikaturisten, die in nahezu allen Gesellschaften sehr geachtet sind.
KENIA
Victor Ndula arbeitet seit zehn Jahren als Karikaturist in Kenia. Inzwischen ist der fest angestellter Karikaturist bei der drittgrößten kenianischen Zeitung "The Star". Auch er kann sich nicht über einen Mangel an Beachtung beklagen. "Die Kenianer lieben Zeitungen", sagt er. Zwar haben alle Zeitungen auch eine Online-Präsenz, und auch Ndula veröffentlicht seine Arbeiten auch im Internet sowie über die sozialen Netzwerke Twitter oder Facebook. Aber die gedruckte Zeitung ist in Kenia immer noch das wichtigste Medienprodukt. Eine Zeitung wird von mindestens zehn Leuten gelesen. Im ewigen Stau von Nairobi schlängeln sich ohne Unterlass Straßenverkäufer hindurch, die die drei großen Zeitungen "The Eastafrican Standard", "The Daily Nation" oder "The Star" an die wartenden Autofahrer verkaufen. Eine gelungene Karikatur wird in Nairobi aber auch auf dem Land leicht zum Tagesgespräch. Der "Star" gilt als regierungskritisch, entsprechend frei fühlt sich Ndula in seiner Arbeit. Kenia verfügt seit Jahren über eine freie Presse. Es gibt allerdings trotzdem immer wieder Versuche, die Presse einzuschüchtern. 2006 hat der damalige, inzwischen verstorbene Minister John Michuki, die Standard-Gruppe von der Polizei durchsuchen lassen. Immer wieder werden Journalisten, die sensible Themen recherchieren, getötet. Drohungen sind nicht selten. Dennoch gilt Kenia im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten in Sachen Pressefreiheit als relativ frei. Allerdings listet der amerikanische Think Tank Freedom House Kenia lediglich als "teilweise frei" in Sachen Pressefreiheit. Ndula berichtet jedenfalls, dass der neue Vizepräsident William Ruto ein halbes Dutzend Journalisten wegen ihrer Berichte verklagt hat. Ruto gilt als extrem ehrgeizig, als relativ gewissenlos, was er nach der umstrittenen Wahl 2007 bewiesen hat, als er die Jugend seiner Kalenjin-Ethnie in Bewegung gesetzt haben soll, um ihre Kikuyu-Nachbarn zu ermorden. Deshalb steht es vor dem IStGH. Ruto gehörte auch den vorhergehenden Regierungen als Minister an, und in jedem Amt war er in einer oder anderen Form mit einem Korruptionsskandal verknüpft. Zudem soll er in undurchsichtige Landgeschäfte verwickelt gewesen sein, deshalb stand er im vergangenen Jahr in Kenia vor Gericht. William Ruto setzt bisher noch auf die Justiz, um sich gegen missliebige Journalisten zu wehren. Victor Ndula weist darauf hin, dass angesichts des sehr knappen und immer noch umstrittenen Ausgangs der Wahl vom 4. März "das halbe Land in der Opposition ist".
Das Jubiläum der Afrikanischen Union 50 Jahre nach der Gründung in ein Bild zu packen, ist Ndula gar nicht so leicht gefallen. Herausgekommen ist eine Zeichnung, die den Alltag in Nairobi und die Lage der Afrikanischen Union beschreibt. Eine Arche mit einem Prediger davor, der die Afrikaner einlädt, einzusteigen. Über der Arche braut sich ein Unwetter zusammen. Die Afrikaner rennen mit Schirmen bewaffnet daran vorbei. Wenn es in der kenianischen Hauptstadt regnet, benehmen sich die Einwohner der Hauptstadt jedes Mal als wäre es das erste Mal, dass Regen vom Himmel fällt. Dort ist zwar fast jeder Regen ein "Starkregen". Die Schlaglöcher füllen sich, der Verkehr steht stundenlang, und alles rennt kopflos herum. So ähnlich, als wenn in Berlin Schnee fällt.
TANSANIA
Obwohl Freedom House Tansania in die gleiche Kategorie packt wie Kenia, nämlich "teilweise frei", was die Pressefreiheit angeht, sieht Samuel Mwamkinga in seiner Heimat noch größere Hindernisse für Journalisten - und Karikaturisten. In Tansania gebe es immer noch eine staatliche Zensur, berichtet er. Außerdem gibt die Verfassung der Regierung nach wie vor das Recht, Zeitungen zu schließen, ohne dafür präzise Gründe angeben zu müssen. Erst im Juli 2012 hat die tansanische Regierung, deren demokratische Fortschritte von der Gebergemeinschaft mit stetig wachsenden Entwicklungsmitteln honoriert werden, die suaheli-sprachige Zeitung "Mwana Halisi" geschlossen, die über ein beträchtliches Insiderwissen aus Regierungskreisen verfügte. "Politiker haben immer noch großen Einfluss auf Zeitungen", sagt Mwamkinga. Außerdem hat sich in Tansania ein Phänomen durchgesetzt, das beispielsweise auch in Nigeria Gang und Gäbe ist: Journalisten, die Pressekonferenzen besuchen, bekommen häufig ein Kuvert mit Geld zugesteckt. Angesichts der miesen Bezahlung der meisten Journalisten ist das einerseits ein Ausdruck der schieren Not. "Es ist aber auch Korruption", sagt Mwamkinga. Bis vor einiger Zeit zeichnete Mwamkinga als fest angestellter Karikaturist für die tansanische Tageszeitung "The Citizen", die wie die kenianische "Daily Nation" und der ugandische "Daily Monitor" zum Medienimperium des Aga Khan gehört, dessen "Nation Media Group" in Ostafrika eine bedeutende Meinungsmacht erworben hat. Mwamkinga arbeitet inzwischen aber freiberuflich, "weil ich nicht einmal meinen Kollegen im Newsroom trauen konnte", berichtet er. Man wisse nie, wer Journalist sei und wer als Spion für die Regierung arbeite. Der Druck auf die Medien werde also eher im verborgenen aber deutlich fühlbar ausgeübt, sagt Mwamkinga. Es gibt aber auch ganz offene Repression gegen Journalisten. Ein Kollege, der die Kundgebungen der Opposition beschrieben hat, sei ermordet worden. Die Kundgebungen der Opposition würden stets von einem massiven Polizeiaufgebot niedergeknüppelt. Der betreffende Kollege sei Fotojournalist gewesen und zwischen die Fronten geraten. Einer seiner Freunde ist zusammengeschlagen worden und liegt seit Wochen in einem südafrikanischen Krankenhaus.
Samuel Mwamkinga hat für den Karikaturen-Wettbewerb des Dritte-Welt-Journalisten-Netzwerks zum 50. Jahrestag der Afrikanischen Union die Bemühungen um panafrikanische Lösungen und die gegenläufigen Kräfte ins Bild gesetzt. Der Kleinbus der AU wird von einem umgestürzten Baum blockiert, auf dem wütende Männer und Frauen stehen. Davor ein AU-Repräsentant, der den Baum samt den Leuten darauf wegzerren will, hinter ihm die politische Klasse repräsentiert durch einen wohlgenährten Anzugträger, der das Seil in die entgegengesetzte Richtung zerrt.
SÜDAFRIKA
John Swanepoel und John Curtis verbindet mit Samuel Mwamkinga, dass auch sie "niemandem vertrauen können", wie sie sagen. Mit Ausnahme vielleicht dem jeweils anderen. Die beiden Karikaturisten beliefern als Dr. Jack & Curtis alle großen südafrikanischen Tageszeitungen mit ihren Arbeiten. Auf der Internetseite www.africartoons.com präsentieren sie ihre Arbeiten und die weiterer südafrikanischer Kollegen seit nunmehr fünf Jahren. Freedom House listet auch Südafrika als eines der Länder auf, in denen die Presse nur "teilweise frei" arbeiten kann. Und im Angesicht des neuen Presserechtes, das demnächst umgesetzt werden dürfte, sehen Swanepoel und Curtis ihre Freiräume weiter gefährdet. Noch sei die südafrikanische Presse sehr lebendig, die Karikaturisten scheren sich kaum um Restriktionen. Doch ihre Arbeit dürfte schwerer werden, wenn sie für die Veröffentlichung von "geheimen" Regierungsunterlagen demnächst belangt werden dürfen. Aus Curtis Sicht ist das Gesetz vor allem ein Mittel, "um Korruption zu decken". Das sei die Linie des Präsidenten Jacob Zuma, denkt auch Swanepoel. In Südafrika litten die Medienhäuser jedoch, wie in Europa, vor allem unter ökonomischen Zwängen. Auch in Südafrika fällt es den Zeitungen zunehmend schwer, ihre Arbeit zu finanzieren. Dazu kommt, dass die Wirtschaft und die Regierung in Südafrika sehr eng miteinander verbunden sind. Missliebige Medien bekommen dann einfach keine Anzeigen mehr. Sie können aber, wenn sie gute Qualität geliefert haben, auf die Solidarität ihrer Leser hoffen.
Dr. Jack & Curtis haben die Afrikanische Union als unvollendete panafrikanische Vision gezeichnet. Ein Range Rover ohne Räder beladen mit allen Problemen des Kontinents, und alle fragen: "Wann sind wir da?"
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