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Blumen für die Opfer. Vor der Synagoge trauern die Kopenhagener um den Wachmann Dan Uzan.
© dpa

Dänemark stellt sich vor seine jüdische Gemeinde: Zehntausende demonstrieren gegen Terror von Kopenhagen

Nach den Attentaten von Kopenhagen demonstrieren Zehntausende gegen Terror – Dänemark stellt sich vor seine jüdische Gemeinde.

Leuchtend rote Farbtupfer an einem grauen Montagmorgen. Die Dänemark-Flaggen vor dem ältesten Vergnügungspark der Welt, dem Tivoli am H.-C.-Andersen-Boulevard, hängen auf Halbmast, wehen leicht im kalten Wind. Ein Land zeigt seine Trauer.

Nach den Anschlägen in Kopenhagen sind am Montagabend in der dänischen Hauptstadt zehntausende Menschen gegen den Terror auf die Straße gegangen. „Es sind 30 000 Menschen“, sagte ein Polizeisprecher. „Heute will ich allen dänischen Juden sagen: Ihr seid nicht allein. Ein Angriff auf die Juden Dänemarks ist ein Angriff auf Dänemark – auf uns alle“, rief Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt bei der Kundgebung der Menge zu. Sie alle wollten „frei leben in Sicherheit in einem demokratischen Land“. Dafür seien sie an dem Abend da. „Wenn andere uns Angst zu machen und uns zu spalten suchen, ist unsere Antwort immer eine geeinte Gemeinschaft“, sagte Thorning-Schmidt.

Rosen und dänische Flaggen säumen den Trauerzug für die beiden Terroropfer.
Rosen und dänische Flaggen säumen den Trauerzug für die beiden Terroropfer.
© reuters

An den Tatorten liegen Blumen. Am höchsten stapeln sie sich vor der Synagoge in der Krystalsgade. Dort hatte Omar Abdel Hamid El-Hussein, der mutmaßliche 22-jährige Attentäter, am Samstagabend Dan Uzan erschossen, ein 37-jähriges Mitglied der jüdischen Gemeinde, das während eines Bat- Mizwa-Festes Wache hielt. Bei einem Bat-Mizwa-Fest wird ein Mädchen zeremoniell in die religiöse Mündigkeit übergeführt, der Ritus bei einem Jungen heißt Bar Mizwa.

"Keine Angst" steht auf einem Schild

Auch an der „Krudttønde“, dem Kulturzentrum, wo der erste Anschlag stattfand, liegen Sträuße, außerdem ein Schild. Darauf stehen nur zwei Worte: „Keine Angst“. Sie wirken wie ein trotziges Bekenntnis. Nein, wir Dänen lassen uns nicht einschüchtern vom Terror, soll das heißen. Bitterkeit und Zorn tragen die meisten Kopenhagener nicht in sich. Sogar für den Attentäter haben sie Blumen niedergelegt an der Stelle in der Svanegade im Stadtteil Nørrebro, wo er nach einem Schusswechsel mit der Polizei am frühen Sonntagmorgen starb. Ein Land zeigt Haltung. Und erfährt Solidarität.

Eine Frau in Kopenhagen zündet am Tatort eines Attentats eine Kerze an.
Eine Frau in Kopenhagen zündet am Tatort eines Attentats eine Kerze an.
© dpa/Britta Pedersen

An der Trauerveranstaltung am Abend im Kulturzentrum „Krudttønde“ mit Kopenhagens Oberbürgermeister Frank Jensen, Oberrabbiner Moise Lewin und Vertretern aller dänischer Parteien nehmen auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo und der „Charlie Hebdo“-Journalist Patrick Pelloux teil. Politiker aus der ganzen Welt verurteilen am Montag erneut die Anschläge. US-Außenamtssprecherin Jen Psaki versichert, die USA seien in Gedanken bei den Opfern und „vereint mit dem dänischen Volk sowie mit allen, die das universelle Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigen und sich gegen Antisemitismus und jede Form von Bigotterie auflehnen“.

Die Kopenhagener Polizei hat das Bild des Verdächtigen und am Sonntag von Spezialeinheiten getöten Omar El-Hussein veröffentlicht.
Die Kopenhagener Polizei hat das Bild des Verdächtigen und am Sonntag von Spezialeinheiten getöten Omar El-Hussein veröffentlicht.
© AFP

Unterdessen verdichten sich die Hinweise auf ein islamistisches Motiv des Attentäters. Der 22-jährige arabischstämmige Todesschütze wollte sich einem Medienbericht zufolge der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien anschließen. Weil er diesen Wunsch während einer Gefängnisstrafe geäußert habe, hätten ihn die Behörden auf eine Liste radikalisierter Häftlinge gesetzt, berichtet die Zeitung „Berlingske“.

Der 22-Jährige war der Polizei unter anderem wegen Gewaltdelikten und Verstößen gegen das Waffengesetz bekannt. Der Mann sei in Dänemark geboren und im Bandenmilieu aufgefallen. Dass er sich dem IS anschließen wollte, bestätigen die Behörden nicht.

Der Täter war erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden

Die Eltern des Attentäters sind Medienberichten zufolge Palästinenser. Der Mann habe keinen Schulabschluss gehabt und sei später obdachlos gewesen. Er soll sich mehrfach sehr wütend über Israel geäußert und gesagt haben, dass er Juden hasse. Nach Informationen des dänischen Rundfunks war er erst vor wenigen Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden. Im November 2013 hatte er laut Danmarks Radio einen Messerangriff in einer S-Bahn verübt. Der Vater des Täters zeigt sich bestürzt. „Ich bin genauso schockiert wie der Rest der Welt“, sagt er der Zeitung „Jyllands Posten“. Er habe erst durch einen Anruf der Polizei von den Anschlägen seines Sohnes erfahren. Die dänische Polizei arbeitet unterdessen mit Hochdruck an der Aufklärung des Tathergangs.

Dieses Fahndungsfoto hat die dänische Polizei am Samstagabend veröffentlicht. Es soll den mutmaßlichen Attentäter zeigen.
Dieses Fahndungsfoto hat die dänische Polizei am Samstagabend veröffentlicht. Es soll den mutmaßlichen Attentäter zeigen.
© dpa

Bereits am Sonntag hatte sie zwei mutmaßliche Komplizen festgenommen, die nun wegen Verdachts der Mithilfe in Untersuchungshaft sitzen. Ihnen werde vorgeworfen, dem Täter ein Versteck verschafft und bei der Entsorgung der Tatwaffe geholfen zu haben, sagt der Anwalt eines der Verdächtigen. Der Attentäter war zwischen den beiden Angriffen in einem Internetcafé in der Nähe seiner Wohnung im Stadtteil Nørrebro. Er hielt sich dort zwischen 22 und 22.25 Uhr auf. Die Polizei untersucht jetzt, ob er dort Kontakt mit anderen Personen hatte.

Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt brachte ihre Erleichterung zum Ausdruck.
Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt brachte ihre Erleichterung zum Ausdruck.
© dpa

Keine Angst, kein Zurückweichen vor dem Terror: Dänemarks Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt erklärt, die dänische Luftwaffe werde sich weiter am Militäreinsatz gegen die Terrormiliz IS im Irak beteiligen. (mit dpa/AFP)

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