Konflikt zwischen Israel und Hamas: Zahl der Toten in Gaza steigt auf über 200
Erstmals seit dem Beginn des jüngsten Konflikts zwischen Israel und der Hamas ist ein Israelischer Zivilist von einer Rakete getötet worden. Netanjahu will nun die Angriffe weiter ausweiten. Die Zahl der Opfer im Gazastreifen steigt indes auf über 200.
Nach dem Scheitern einer Waffenruhe in Nahost geht das Blutvergießen im Gazastreifen weiter. In dem seit einer Woche dauernden jüngsten Konflikt zwischen Israel und der Hamas ist am Dienstag erstmals ein Israeli getötet worden. Der Zivilist sei seinen Verletzungen erlegen, die er beim Raketenbeschuss des Gaza-Grenzübergangs Eres erlitten hat, teilten die israelischen Streitkräfte mit. Die Zahl der Toten bei israelischen Luftangriffen stieg am Mittwoch auf 203, wie der Sprecher der örtlichen Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, über Twitter mitteilte. 1520 Menschen seien seit Beginn der Offensive vor acht Tagen verletzt worden.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nun eine Ausweitung der Angriffe auf Ziele im Gazastreifen angekündigt. Israel habe keine andere Wahl, als eine Ausweitung und "Intensivierung" seiner militärischen Einsätze, sagte Netanjahu am Dienstagabend.
Israel griff wieder an
Nach etwa sechsstündiger Feuerpause hatte Israel zuvor am Dienstagnachmittag seine Luftangriffe auf den Gazastreifen wieder aufgenommen. Dies sei eine Antwort auf den Raketenbeschuss aus dem Palästinensergebiet, sagt eine Militärsprecherin in Jerusalem. Mindestens ein Ziel in der Nähe von Gaza-Stadt wurde beschossen, wie ein AFP-Korrespondent beobachtete. Das israelische Sicherheitskabinett hatte erst am Morgen einen Vorschlag Ägyptens für eine Feuerpause akzeptiert, die Hamas hatte aber weiter Raketen auf Israel abgefeuert.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat Israel im neuen Gaza-Konflikt Deutschlands volle Solidarität versichert. „Wir stehen fest zur deutsch-israelischen Freundschaft, gerade in diesen schweren Stunden“, sagte Steinmeier am Dienstag nach einem Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Tel Aviv. Zugleich appellierte er an die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas, wie Israel einer sofortigen Waffenruhe zuzustimmen. „Ich fordere die Verantwortlichen in Gaza mit aller Eindringlichkeit auf, die Waffenruhe einzuhalten“, sagte der SPD-Politiker. „Der Abschuss von Raketen auf Israel aus Gaza muss enden, und zwar sofort.“ Dies sei auch „im Interesse der Menschen, die im Gazastreifen leben“. Steinmeier fügte hinzu: „Jetzt sind die Tore für eine Waffenruhe geöffnet. Ich hoffe, dass es gelingt, auf diesem Weg weitere Schritte zu gehen.“
Hamas: Kein offizielles Angebot
"Ein Waffenstillstand ohne eine Einigung (mit Israel) ist ausgeschlossen", sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum der Nachrichtenagentur AFP. "In Zeiten des Krieges lässt man nicht die Waffen ruhen, um anschließend zu verhandeln." Die Hamas habe kein offizielles Angebot erhalten, fügte Barhum hinzu. Ähnlich äußerte sich der bewaffnete Arm der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden: Von offizieller Stelle habe niemand den "in den Medien diskutierten" Vorschlag einer Waffenruhe an die Gruppe herangetragen. "(Aber) wenn der Inhalt dieses Vorschlags stimmt, handelt es sich um eine Kapitulation, und wir lehnen dies entschieden ab", erklärte die Gruppe. "Unser Kampf gegen den Feind wird sich verstärken."
Erst Waffenruhe, dann Verhandlungen
Die von der ägyptischen Regierung vorgelegte Initiative sah vor, dass am Dienstagmorgen eine Waffenruhe in Kraft tritt. Anschließend sollte über den Eintritt von Waren und Personen in den abgeriegelten Gazastreifen verhandelt werden. Binnen 48 Stunden nach Inkrafttreten des Waffenstillstands wollte Ägypten ranghohe palästinensische und israelische Delegationen empfangen, um indirekte Verhandlungen zu führen. Bei einer Dringlichkeitssitzung zum Gaza-Konflikt forderten die Außenminister der Arabischen Liga Israel und die Hamas auf, den ägyptischen Vorschlag umzusetzen. Auch die US-Regierung und der Sondergesandte des Nahost-Quartetts, Tony Blair, begrüßten die Initiative aus Kairo. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas reist am Mittwoch nach Kairo. Das bestätigte der palästinensische Botschafter in Ägypten. Geplant seien unter anderem ein Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und Vertretern der arabischen Liga.
Viele der Opfer sind Frauen und Kinder
Seit dem Beginn der israelischen Luftangriffe im Gazastreifen am Dienstag vergangener Woche wurden in der palästinensischen Enklave nach neuesten Angaben bereits 203 Menschen getötet und über 1500 verletzt. Nach UN-Angaben sind viele der Opfer Frauen und Kinder. Laut dem UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) suchten 17000 Menschen in von ihm geführten Schulen Zuflucht. Israel begehe "Kriegsverbrechen" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte der Vorsitzende der Arabischen Liga, Nabil al Arabi, bei dem Treffen der Organisation in Kairo. "Israel genießt eine politische Immunität, es begeht Verbrechen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden", sagte al Arabi. Der palästinensische Außenminister Riad al Malki sagte, der Konflikt im Gazastreifen sei "kein Krieg zwischen zwei Armeen oder gegen die Hamas, sondern gegen das gesamte palästinensische Volk und gegen seine Rechte".
Der israelische Militäreinsatz ist die Vergeltung für Raketenangriffe aus dem Gazastreifen. Seit Beginn der Offensive schlugen 800 Raketen in Israel ein. Auf israelischer Seite wurde bislang niemand getötet. Es gab mehrere Verletzte, darunter vier Schwerverletzte. Das südisraelische Eilat wurde am frühen Dienstagmorgen nach israelischen Armeeangaben von drei palästinensische Raketen getroffen. Zwei Menschen wurden leicht verletzt. (dpa/AFP/rtr)