1,6 Millionen Flüchtlinge in Deutschland: Zahl der Asylverfahren verfünffacht
Die Verwaltungsgerichte ächzen unter der Last der Asylverfahren. 320.000 sind anhängig und können nicht zeitnah bearbeitet werden.
Die Zahl der an Verwaltungsgerichten anhängigen Asylverfahren in Deutschland hat sich innerhalb eines Jahres fast verfünffacht. Die Gerichte verzeichneten zum 30. Juni mehr als 320.000 Verfahren, wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ berichtete. Ein Jahr zuvor waren es noch knapp 69.000. Die Zeitung beruft sich auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linkspartei.
Erich Müller-Fritzsche vom Vorstand des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter sprach von einer „dramatischen Zunahme“ der Asylklagen. „Die Verwaltungsgerichte sind so stark belastet, dass sich die Arbeit mit dem gegenwärtigen Personal nicht zeitnah bewältigen lässt“, sagte er der Zeitung. „Auch die von der Politik angekündigte Aufstockung beim Personal wird dafür nicht reichen.“
Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke kritisierte, die Gerichte müssten die Asylpolitik der Bundesregierung ausbaden: „Die Abschreckungspolitik der Bundesregierung steigert die Bürokratie in Behörden und Gerichten. Den betroffenen Flüchtlingen wird hingegen der benötigte Schutz und die Sicherheit versagt, die sie für eine gute Integration so dringend benötigen.“
851.000 mehr als 2014
Rund 1,6 Millionen Schutzsuchende waren zum Jahreswechsel in Deutschland registriert. Das waren 16 Prozent der ausländischen Bevölkerung und 851.000 Personen mehr als Ende 2014, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag mitteilte. Als Schutzsuchende zählen Ausländer, die unter Berufung auf humanitäre Gründe nach Deutschland kommen, also etwa Menschen im Asylverfahren, anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Konvention oder auch abgelehnte Asylbewerber, die sich weiter hier aufhalten.
Bei knapp 400.000 Ausländern war aus den Daten im Ausländerzentralregisters (AZR) laut Bundesamt nicht eindeutig ersichtlich, ob es sich um Schutzsuchende handelte oder nicht. Unter den Schutzsuchenden hatten 573.000 (36 Prozent) einen offenen Schutzstatus, über ihren Asylantrag war also nicht entschieden. 872.000 (54 Prozent) verfügten über einen humanitären Aufenthaltstitel, überwiegend war diese Anerkennung jedoch nur befristet (600.000). Bei 158.000 Schutzsuchenden wurde der Antrag auf Asyl abgelehnt, sie waren daher grundsätzlich ausreisepflichtig. In drei Viertel der Fälle war diese Ausreisepflicht aufgrund einer Duldung jedoch vorübergehend ausgesetzt.
Etwa die Hälfte aller Schutzsuchenden kam der Statistik zufolge aus drei Herkunftsländern: Syrien (455.000), Afghanistan (191.000) und dem Irak (156.000). Die meisten Schutzsuchenden mit offenem Schutzstatus waren Afghanen, die Mehrheit der Schutzsuchenden mit befristeter Anerkennung stammte aus Syrien. Die meisten Schutzsuchenden mit abgelehntem Antrag kamen aus Serbien und Albanien.