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Souvenirs mit dem Bild des chinesischen Präsidenten Xi Jinping und Mao Zedongs
© Reuters/Thomas Peter

Präsident auf Lebenszeit: Xi Jinping wird Chinas neuer Kaiser

Im März wird Chinas Volkskongress eine geplante Verfassungsänderung abnicken: Xi Jinping kann dann so lange Präsident bleiben, wie er will. Nicht alle finden das gut.

Vor fünf Jahren glaubte ein Kolumnist der „New York Times“, der designierte chinesische Präsident Xi Jinping sei ein Reformer. Xi werde seinem Land „wirtschaftliche Reformen und wahrscheinlich auch einige politische Lockerungen bringen“, das läge in seinen Genen, argumentierte Nicholas Kristof. Xis Vater habe das Tian'anmen-Massaker verurteilt, Xis Mutter habe bei Shenzhen gelebt, der kapitalistischsten Enklave des Landes. Auch habe Xi als einer der ersten politischen Führer des Landes seine Tochter frühzeitig zum Studieren in die USA geschickt. Inzwischen weiß man es besser: Xi Jinping ist das Gegenteil eines Reformers. Er stärkt das autoritäre politische System, schwächt Institutionen und zentralisiert alle Macht bei sich. Xi Jinping ist Chinas neuer Kaiser.

Das unterstreicht auch die geplante Verfassungsänderung, die die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua unlängst bekannt gemacht hat: Die Amtszeit des Präsidenten soll nicht länger auf maximal zehn Jahre beschränkt bleiben. Wenn der Volkskongress im nächsten Monat die Entscheidung des Zentralkomitees abgenickt haben wird, kann Xi Jinping so lange Präsident bleiben, wie er will. Auf Lebenszeit oder zumindest solange es seine körperliche und geistige Gesundheit zulässt. Der 64-Jährige vereint nun unter anderem als Präsident, Generalsekretär der Kommunistischen Partei und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission eine zeitlich unbegrenzte Machtfülle auf sich wie zuvor nur Staatsgründer Mao Zedong.

„Xi Jinping versetzt sich selber in die Lage, China als starker Mann, als persönlichkeitsbezogener Führer – und ich habe auch kein Problem, ihn Diktator zu nennen – auf Lebenszeit zu regieren“, sagte die ehemalige Vize-Staatssekretärin im US-Außenministerium Susan Shirk dem „Guardian“. Mit diesem Schritt dürften sich auch viele Hoffnungen auf politische und juristische Reformen in China erledigt haben.

Maos Nachfolger Deng Xiaoping hatte die Zehnjahresbegrenzung eingeführt, um nicht mehr von nur einer Person abhängig zu sein und Exzesse wie die Kulturrevolution oder den „Großen Sprung nach vorne“ mit seiner Hungersnot zu verhindern, die für viele Millionen Chinesen tödlich endeten. Jiang Zemin (1993–2003) und Hu Jintao (2003–2013) mussten nach zehn Jahren das Präsidentenamt aufgeben. Xi Jinping aber hatte schon 2017 beim Parteikongress keinen potenziellen Nachfolger aufgebaut.

Die chinesische Propaganda begründet den Schritt als besonders wichtig für die Stabilität des Landes. Die staatliche Zeitung „Global Times“ schreibt, Peking brauche eine starke und stabile Führung für den entscheidenden Zeitraum von 2020 bis 2035. Bis zu diesem Jahr will sich China zu einem modernen wohlhabenden Staat entwickelt haben.

Ist die Verfassungsänderung ein Zeichen von Stärke oder Schwäche?

Trotz der großen Machtfülle ist es fraglich, ob die Entscheidung nun ein Zeichen seiner Stärke oder vielleicht doch auch der Schwäche ist. Denn das Präsidentenamt ist das unbedeutendste der drei wichtigsten Ämter Xi Jinpings. Er hätte in der Ein-Parteien-Diktatur als Vorsitzender der Zentralen Militärkommission oder als Generalsekretär der KP auch nach 2023 weiter die Macht in seinen Händen behalten können. Er hätte auch wie einst Deng Xiaoping im Hintergrund die Fäden ziehen können. „Xis Fähigkeit, so eine Entscheidung durchzudrücken, ist auf kurze Sicht unzweifelhaft ein Zeichen seines festen Griffs auf alle Ebenen der Macht“, schreibt der China-Experte Richard McGregor auf ChinaFile.com. „Aber die Tatsache, dass er die Notwendigkeit dafür sieht, könnte auch ein Zeichen für etwas anderes sein: Er könnte es als dringlich ansehen, noch mehr Macht anzusammeln, als er ohnehin schon hat, um seine Feinde in Schach zu halten.“

Auf Weibo, dem chinesischen twitterähnlichen Kurznachrichtendienst, kam die Nachricht vom ewigen Präsidenten zum Teil nicht so gut an. „Wir verwandeln uns in Nordkorea“, schrieb ein Nutzer. Andere posteten Bilder der Disney-Figur Winnie Puuh, die wegen seiner figürlichen Ähnlichkeit im chinesischen Internet gerne auch als Synonym für Xi Jinping verwendet wird. Auf manchen Bildern hängt Winnie Puuh an einem Honigtopf fest.

Derartig offensichtliche Kritik an Xis Festkleben an der Macht löschten Chinas Zensoren schnell wieder aus dem Internet. Auch Bilder, auf denen Winnie Puuh als Kaiser verkleidet ist, hatten nur eine kurze Halbwertszeit. Laut der Webseite „Free Weibo“ gehörten am Montag Begriffe wie „Noch eine Amtszeit“, „Verfassung“, „Xi Jinping“, „Winnie“, aber auch „Einwanderung“ zu den am meisten zensierten Begriffen des Tages. Offenbar lässt Xis neue Machtfülle einige Chinesen über Auswanderung nachdenken. Andere aber sehen die Entwicklung auch als Chance. So kauften ungewöhnlich viele abergläubische chinesische Kleinanleger an den Börsen Aktien, die die Schriftzeichen „Huangdi“ im Namen führen. „Huangdi“ heißt Kaiser.

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