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Nationalstolz: Ministerpräsident Victor Orban eröffnet eine Kunstausstellung mit 15 Bildern zu Ehren der neuen Verfassung in der ungarischen Nationalgalerie in Budapest.
© AFP

Proteste in Ungarn: Wütende Bürger, leere Kassen

Die Ungarn demonstrieren gegen ihre neue Verfassung und Demokratieabbau. EU und IWF drohen, dem beinahe zahlungsunfähigen Land den Geldhahn abdrehen.

Berlin - Der Druck auf die rechtskonservative Regierung in Ungarn nimmt zu. Während Ministerpräsident Viktor Orban am Montagabend mit Staatspräsident Pal Schmitt und geladenen Gästen im Opernhaus von Budapest die zur Jahreswende in Kraft getretene neue Verfassung feierte, versammelten sich auf den Straßen der Hauptstadt bis zu 100 000 Demonstranten. Dazu stehen Orbans Regierung weitere Probleme ins Haus: Wegen eines umstrittenen Gesetzes, das die Unabhängigkeit der ungarischen Zentralbank beschneidet, droht dem Land eine Finanzklemme.

Das Zentralbank-Gesetz ist Teil einer Reihe von Verfassungsänderungen, gegen die sich der Unmut der Demonstranten in Budapest richtete. „Genug“, „Orbans Diktatur“ oder „Orbanistan“ hatten sie auf ihre Protestbanner geschrieben. Der sozialistische Abgeordnete Tibor Szanyi sagte, Orban habe Ungarn „von einem verheißungsvollen Ort in Europas dunkelsten Fleck“ verwandelt. Die Demonstration verlief friedlich – der Regierungschef und die Festgäste verließen die Oper über den Hinterausgang.

Bereits im vergangenen April hatte die Regierung mehrere Verfassungsänderungen beschlossen, welche die Unabhängigkeit der Medien und der Justiz beschneiden. Kurz vor dem Jahreswechsel legten die National-Konservativen nach: Nicht nur die Unabhängigkeit der Zentralbank wurde eingeschränkt, sondern auch das Wahlgesetz zugunsten der Regierungspartei Fidesz geändert.

Wegen dieser Gesetze droht Ungarn jetzt Ärger aus Brüssel. Die EU-Kommission will „innerhalb der nächsten Tage“ über Maßnahmen gegen die ungarische Regierung wegen Verstoßes gegen das EU-Recht entscheiden, sagte ein Sprecher der Kommission am Dienstag. Die Brüsseler Behörde habe im vergangenen Monat insgesamt fünfmal vor geplanten Gesetzesänderungen in Ungarn gewarnt, weil diese nicht im Einklang mit EU-Recht stünden.

Das neue Gesetz über die Budapester Zentralbank sieht vor, dass die Regierung künftig einen größeren Einfluss im Notenbankrat nehmen kann. Aus Protest gegen das Gesetz hatten die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) im Dezember Gespräche in Budapest über einen von Ungarn benötigten Hilfskredit in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Euro abgebrochen. Nach Angaben der EU-Kommission gab es zwischen den Jahren zwar einen Briefwechsel zwischen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Orban, in dem es um das Zentralbankgesetz ging. Das änderte offenbar aber nichts an der Konfrontation zwischen Brüssel und Budapest: Weder die EU-Kommission noch der IWF hätten derzeit darüber entschieden, ob sie nach Budapest zurückkehrten, sagte der Kommissionssprecher weiter.

Ursprünglich war geplant, dass die Verhandlungen über den Hilfskredit für Ungarn formell noch in diesem Monat beginnen. Die Unklarheit über den Fortgang der Gespräche trieb am Dienstag die Renditen für ungarische Anleihen in die Höhe. Damit wird es für Ungarn noch schwieriger, sich an den Kapitalmärkten frisches Geld zu besorgen.

Die SPD kritisierte die neue Verfassung Ungarns als „Bruch mit demokratischen Traditionen und Rechtsstandards in Europa“. „Die Aushebelung der Rechte des Verfassungsgerichts und die Nichtbeachtung von Minderheitenrechten sind ein Skandal“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich.

Der für Ungarn zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Europaausschuss, Karl Holmeier, verwies hingegen darauf, dass Orbans Regierung „von der überwältigenden Mehrheit der Bürger“ gewählt wurde und auch durch jahrelangen Reformstau notwendig gewordene Projekte anschiebe, die nur mit der bestehenden Zweidrittelmehrheit im Parlament möglich seien.

Den nun anschwellenden Protesten in Budapest waren Kundgebungen im Dezember vorausgegangen, die sich vor allem gegen die Beschneidung der Pressefreiheit gerichtet hatten. Die von der Fidesz kontrollierte Medienaufsichtsbehörde NMHH hatte dem oppositionellen Rundfunksender „Klubradio“ die Sendefrequenz entzogen. Die Demonstranten drückten auch ihre Solidarität mit mehreren Gewerkschaftern des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aus, die sich seit dem 10. Dezember im Hungerstreik befinden. Sie protestieren gegen Manipulationen der Medien sowie Massenentlassungen.

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