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Politik: Wowereit zieht sich ins Rathaus zurück

Platzeck übernimmt den Vorsitz im BER-AufsichtsratFünfte Verschiebung der Flughafeneröffnungjetzt offiziellVertrauensfragein Potsdam – in Berlin Misstrauensantrag.

Berlin - Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit gerät nach der erneuten Verschiebung der BER-Eröffnung immer stärker unter Druck. Am Montag gab er den Vorsitz des Aufsichtsrats der Berliner Flughafengesellschaft an den Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (beide SPD) ab. Der Vorsitz gehe von Berlin auf das Land Brandenburg über, sagte er und bestätigte gleichzeitig, dass der bislang geplante Eröffnungstermin 27. Oktober nicht mehr einzuhalten sei. „Es ist gut deutlich zu machen, dass drei Gesellschafter Verantwortung für den Flughafen tragen. Und Platzeck hat sich bereit erklärt, den Vorsitz zu übernehmen“, sagte Wowereit. Er selbst werde im Aufsichtsrat bleiben. Auch als Regierender Bürgermeister werde er nicht zurücktreten. Platzeck selbst kündigte an, bei der nächsten Landtagssitzung am 23. Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Außerdem will er Veränderungen in Geschäftsführung und Aufsichtsrat.

Die nächste Aufsichtsratssitzung wird vom 25. Januar auf den 16. vorverlegt. Auch eine Neuordnung der Geschäftsführung steht dann auf der Tagesordnung. Geschäftsführer ist Rainer Schwarz, dessen Rücktritt seit längerem vom Bund gefordert und von Wowereit sowie Platzeck blockiert wird. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sagte am Montagabend, dass der Bund den Antrag auf Entlassung von Schwarz stellen werde. „Ich erwarte eine Mehrheit“, sagte Ramsauer.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte den Rücktritt von Wowereit auch als Regierender Bürgermeister. „Das war’s. Klaus Wowereit hat Berlin jahrelang hinter die Fichte geführt. Er selbst hat den Flughafen zum größten Infrastrukturprojekt erklärt, aber jahrelang nur Nichtstun zulasten von Berlin geboten“, sagte sie dem Tagesspiegel. Hinweise, Wowereit könnte bereits seit Wochen von der Verschiebung gewusst haben, hatten Empörung ausgelöst. Wowereit betonte, erst am 4. Januar von Technikchef Horst Amann über die Schwierigkeiten informiert worden zu sein. Bei der Nennung eines Termins werde er sich nun zurückhalten.

Auch das Bundesverkehrsministerium verweist auf ein Schreiben der Flughafengesellschaft, das auf den 4. Januar datiert sei. „Darin wurde uns vom Management der Flughafengesellschaft der neue Kenntnisstand übermittelt“, sagte ein Ministeriumssprecher. Am 18. Dezember habe es eine Sitzung gegeben, auf der Amann Firmen und Vertreter des Bundes über den aktuellen Stand informiert habe. Dabei seien zwar Bedenken zum Ausdruck gekommen, aber es habe geheißen, dass weitere Tests nötig würden und diese sich bis ins Jahr 2013 zögen. Von einer definitiven Absage des Termins sei keine Rede gewesen.

Innensenator Frank Henkel (CDU) empörte sich über die „Desinformationspolitik“ um den BER. „Ich bin nicht nur fassungslos, sondern auch stinksauer“, sagte der CDU-Landeschef der Nachrichtenagentur dpa. Henkel, der Mitglied im BER-Aufsichtsrat ist, kritisierte die Kommunikation der Flughafengeschäftsführung unter Schwarz: „Das kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Auch aus der CDU wurde Kritik an Wowereit laut. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel forderte einen „Neuanfang“. Das Maß sei voll. Wenn Wowereit nicht Handlungsfähigkeit dokumentiere, „wird es ihn seinen Job kosten – entweder bei Wahlen oder durch die eigene Partei“, sagte Steffel.

SPD-Chef Sigmar Gabriel verteidigte Wowereit. „Ich halte die Vorwürfe gegenüber Klaus Wowereit für absolut unberechtigt“, sagte er in Berlin. Als Aufsichtsrat sei man nun mal auf Informationen der Projektleiter angewiesen, bis wann eine Eröffnung machbar sein könnte.

Die Lage am Flughafen ist nach Tagesspiegel-Informationen dramatischer als angenommen. Auch unter Amann, der für den Ausbau zuständig ist, habe es keine Fortschritte auf der Baustelle gegeben, noch immer gebe es keine verlässliche Planungsgrundlage, hieß es bei beteiligten Firmen. „Keiner hat ein Gesamtbild im Kopf“, klagte ein Insider. Die ursprünglichen Planer waren geschasst worden, weil man ihnen die Schuld am Desaster gab.

Die Grünen-Bundestagsfraktion will in der kommenden Woche eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses auf Bundesebene beantragen. Auf Wunsch der Berliner Grünen, der Linken und der Piratenpartei kommt das Abgeordnetenhaus am Donnerstagmorgen zu einer Sondersitzung zusammen. Grüne und Piraten wollen dabei einen Misstrauensantrag gegen Wowereit einbringen, den die Linke unterstützen will. Laut Verfassung könnte darüber frühestens nach 48 Stunden, also am Sonnabend abgestimmt werden.

S. Beikler

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