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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Milliarden-Konjunkturpaket gegen die Corona-Folgen: Worüber SPD und Union noch streiten – und wo sie sich einig sind

Eine niedrigere Ökostrom-Umlage soll Verbrauchern und Industrie helfen. Andere Punkte des Konjunkturpakets sind weiter umstritten.

Mit teils sehr unterschiedlichen Vorstellungen gehen die Spitzen von CDU, CSU und SPD an diesem Dienstag in den Koalitionsausschuss. Dort will die Koalition ein Konjunkturpaket beschließen, „das der Wirtschaft helfen soll, wieder Tritt zu fassen und zu wachsen“, wie Kanzlerin Angela Merkel am Wochenende sagte.

Besonders dringlich wird ein Ergebnis in der Runde dadurch, dass die neuesten Schätzungen auf einen stärkeren Einbruch der deutschen Wirtschaft infolge der Corona-Epidemie im zweiten Quartal hindeuten, als bisher angenommen wurde.

Für das Gesamtjahr wird von Ökonomen ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt von bis zu neun Prozent nicht mehr ausgeschlossen. Bisher geht die Regierung noch von minus 6,3 Prozent aus. So wächst der Druck, weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Zwar deuten Anzeichen darauf hin, dass sich die Koalitionsspitzen auf eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verständigen könnten. Das hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagen, ohne Widerspruch beim Koalitionspartner zu ernten. Auch die von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in der vorigen Woche ins Gespräch gebrachten Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Betriebe, die starke Umsatzeinbrüche haben, scheint Konsens zu sein.

Kein Kompromiss bei der Kaufprämie für Autos

Doch bei umstrittenen Themen wie der Kaufprämie für Autos, bei der die Konfliktlinien quer durch die Koalitionsparteien verlaufen, und der vorgezogenen (Teil-) Abschaffung des Solidaritätszuschlags war kein Kompromiss erkennbar.

Auch bei zwei von der SPD vorgeschlagenen Maßnahmen – dem großen Kommunalprogramm samt Altschuldenhilfe und dem einmaligen Kinderbonus in Höhe von 300 Euro – deutete sich eine Einigung nicht an.

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Eine Verständigung könnte es dagegen beim Strompreis geben. Ein Zuschuss zur EEG-Umlage – der Mehrbelastung der Stromrechnung von privaten Haushalten und der Unternehmen für die Förderung der erneuerbaren Energien – findet sich in einem Papier des Bundesfinanzministeriums, das am Freitag bekannt geworden war.

Dort heißt es, hohe Stromkosten belasteten nicht nur untere Einkommensschichten überproportional, sondern schwächten auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Zudem hat die SPD-Fraktion zuletzt dafür geworben.

Strompreis-Senkung: "Alle werden erreicht"

Nun sieht auch Unions-Fraktionsvize Andreas Jung in einem geringeren Strompreis einen möglichen Weg. „Eine erhebliche Senkung der Stromabgaben entlastet Bürger und Betriebe, gleichzeitig werden E-Mobilität und Wärmepumpen attraktiver“, sagte Jung dem Tagesspiegel. Auch Wirtschaft und Klimaschutz könnten so „unter einen Hut“ gebracht werden.

Seiner Ansicht nach wäre das Vorziehen einer Stromkostensenkung über eine niedrigere EEG-Umlage auf 2020 rechtlich einfacher als die umstrittene vorgezogene Soli-Senkung – „und auch besser, weil sie alle erreicht“. Die Ökostrom-Umlage könnte nach neuesten Erhebungen im kommenden Jahr deutlich steigen.

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Eine Kaufprämie für Autos – ähnlich wie in der Finanzkrise nach 2008 – wird zwar in den Koalitionsfraktionen mit Skepsis betrachtet. Doch machen neben der Kfz-Branche selbst auch die Ministerpräsidenten der Standortländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen Druck.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sagte, er könne sich eine Prämie für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nicht vorstellen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete von einem Plan Altmaiers, Prämien zwar unabhängig vom Antrieb, jedoch gestaffelt nach Emissionen zu zahlen. Zudem solle es einen Kaufpreisdeckel bei gut 77.000 Euro geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmeier.
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmeier.
© imago images/Emmanuele Contini

Gegenvorschlag der Union beim Pakt für die Kommunen

Zum „Solidarpakt für die Kommunen“, wie Scholz seinen Vorschlag eines Unterstützungsprogramms im Umfang von 57 Milliarden Euro nennt, legte die Union über Pfingsten immerhin einen Gegenvorschlag vor. Der Streitpunkt: Die SPD will partout eine Altschuldenhilfe für Kommunen, vor allem einige Großstädte im Ruhrgebiet, die hohe Kassenkreditlasten haben.

Neben Nordrhein-Westfalen würde vor allem Rheinland-Pfalz davon profitieren, weniger dagegen Länder mit geringer Kommunalverschuldung wie Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen oder Thüringen. Um die mit ins Boot zu bekommen, schlägt Scholz zusätzlich eine Bundeshilfe zum Auffangen der Gewerbesteuerausfälle vor, zudem einen kleinen Ost-Bonus, weil es dort ein Sonderproblem mit Altschulden von kommunalen Wohnungsunternehmen gibt.

Die Union unterstützt zwar die Übernahme von Steuerausfällen, aber nicht die Altschuldenhilfe – auch wenn NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, auf seiner ganz eigene Profilierungstour hin zur Kanzlerkandidatur unterwegs, sie gerne hätte.

Fraktionsvize Jung und der Kommunalexperte Christian Haase schlagen nun vor, die Kommunen bei Soziallasten – genauer: den Kosten der Unterkunft von Hilfeempfängern – stärker zu entlasten, die gerade steigen wegen der Öffnung der Grundsicherung für Solo-Selbständige.

Auch eine Gewerbesteuerentlastung sieht das Konzept vor. Und sie wollen die Förderprogramme des Bundes für die Kommunen ausweiten (die allerdings in den Vorjahren nicht so umfangreich genutzt wurden wie erwartet).

Jung sagte dem Tagesspiegel, das Konjunkturpaket müsse schnell bei allen Bürgern, Betrieben „und Kommunen“ ankommen, und zwar „ohne Schieflage“. Will heißen: Sonderregelungen für einen Teil der Kommunen soll es nicht geben.

SPD will hartnäckig bleiben

Doch die SPD will hartnäckig bleiben. „Nur mit starken Städten und Gemeinden kommen wir über höhere Investitionen die Konjunktur anschieben und die Infrastruktur in Bildung, Betreuung und Netzausbau verbessern", sagte Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel.

Kommunen leisteten zwei Drittel der öffentlichen Investitionen. „Deshalb wollen wir die krisenbedingten Steuerausfälle der Kommunen durch Bund und Länder erstatten, aber auch die strukturellen Nachteile der am höchsten verschuldeten Kommunen beseitigen und ihnen die Altschulden abnehmen.“

Das zweite „wichtige Element“ für die SPD, so Schneider, ist der Kinderbonus von mindesten 300 Euro pro Kind, der einmalig über das Kindergeld ausgezahlt werden soll. Schneider nennt diese Erhöhung der verfügbaren Einkommen einen „Impuls für die private Nachfrage“.

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Wird der Kinderbonus auch ausgegeben?

Doch der Bonus ist umstritten – weil er zwar wohl von Geringverdienern ausgegeben würde, aber auch von Besserverdienern? Die Sozialdemokraten brachten ihn ins Gespräch, weil die Union sich – schon vor der Coronakrise – dem SPD-Vorstoß verschloss, doch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Zahler um ein halbes Jahr auf Juli 2020 vorzuziehen.

CDU und CSU wollen eine Komplettabschaffung, was nicht zuletzt Unternehmen entlasten würde, denn die zahlen den Soli auch – wenn sie Gewinn machen.

CSU-Chef Markus Söder hält es für möglich, das eine umzusetzen, ohne das andere zu lassen. Die Koalition müsse die Binnennachfrage stärken, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Wir sollten die Abschaffung des Solidaritätszuschlags vorziehen“, schlug er vor und fügte hinzu: „Auch ein Familienbonus ist sinnvoll.“

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) legte für den Koalitionsausschuss Vorschläge vor: 8,5 Milliarden Euro sollen demnach zusätzlich in Investitionen für digitale Infrastruktur fließen, der Bahn sollen insgesamt 8,1 Milliarden Euro zukommen. Das Konjunkturpaket insgesamt soll nach Informationen der „Bild am Sonntag“ ein Volumen von 75 bis 80 Milliarden Euro haben.

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