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Vor seinem Auftritt beim CDU-Parteitag nimmt Armin Laschet seine Maske ab.
© dpa

„Die CDU ist in einem fragilen Zustand“: Worauf sich Laschet jetzt gefasst machen muss

Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas über die Lehren aus der CDU-Vorsitzendenwahl, die Zukunft von Friedrich Merz und die offene Flanke von Jens Spahn.

Thorsten Faas ist Professor für „Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland“ am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der FU Berlin. Er forscht zu Wahlen, zum Wählerverhalten (aktuell hier) und zur Wirkung von politischen Kampagnen.

Die Entscheidung über den neuen CDU-Vorsitzenden war auch eine Richtungsentscheidung. Was sagt es über die CDU aus, dass sie für Armin Laschet als Parteichef gestimmt hat?
Zwei Dinge kann man ableiten. Erstens: Die Delegierten haben bei der Entscheidung mehrheitlich auf die sicherste Variante gesetzt. Viele von ihnen werden sich gefragt haben: Wer gefährdet am wenigsten die aktuell sehr gute Ausgangslage der Union und damit vielleicht auch meine politische Karriere? Merz wäre zwar spannend gewesen, aber eben auch sehr riskant.

Ebenso klar ist aber zweitens: Die CDU ringt noch immer mit sich und der Frage, wo sie hinwill. Wir haben im Grunde eine ähnliche Situation wie beim Parteitag 2018 in Hamburg erlebt. Die beiden Richtungen - also „Wir müssen konservativer werden“ versus „Wir bleiben in der Mitte“ – sind ungefähr gleich stark. Letztere hat sich erneut nur knapp durchsetzen können.

Was heißt das für die CDU?
Die kritische Frage ist jetzt: Gelingt es jetzt, anders als nach der Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers 2018, die Partei zusammenzuführen? Die CDU ist eine sehr machtbewusste Partei, weswegen die anstehenden Wahlen einend wirken können – aber eine Garantie ist das nicht.

Indem Merz die unrealistische Forderung erhoben hat, jetzt in der aktuellen Bundesregierung Wirtschaftsminister zu werden, hat er schon gezeigt, dass er sich nicht so einfach einbinden lassen wird. Wie gefährlich kann das für die CDU werden?
Die Idee, die Union werde nach der Wahl des neuen CDU-Chefs auf magische Weise geschlossen sein und alle würden sich nun einem gemeinsamen Ziel unterordnen, hat nicht mal ein paar Stunden gehalten. Ich rechne damit, dass sich Merz jetzt erstmal zurückzieht, nachdem sein „Angebot“ zurückgewiesen wurde. Er kann das Narrativ setzen: „Ich wollte mich ja einbringen, aber man ist auf mein Angebot nicht eingegangen.“

Aber so ein Rückzug löst den Konflikt natürlich nicht. Das sieht man schon an den Reaktionen aus konservativen Unionskreisen auf die Niederlage von Merz. Die Rufe, Merz oder die Richtung, für die er steht, einzubinden, die werden bleiben. Genauso wie die Unzufriedenheit in diesen Kreisen. Das ist natürlich für eine wahlkämpfende Partei keine gute Ausgangsbasis.

Wie kann Laschet das gelingen?
Die paradoxe Situation ist ja, dass die derzeit mit Abstand stärkste Partei gleichzeitig massiv mit sich ringt. Die CDU ist in einem fragilen Zustand. Mit Laschet hat man sich für den Kandidaten entschieden, dem man am ehesten zutraut zu integrieren. Er verweist ja gern auf sein Kabinett in NRW, wo er mit Sozialminister Karl-Josef Laumann und Herbert Reul als Innenminister sehr unterschiedliche Strömungen zusammenbringt. Ob dieses Modell skalierbar ist, bleibt eine offene Frage, zumal er eben im innerparteilichen Wettbewerb als derjenige positioniert war, der für Kontinuität zur Ära Merkel steht.

Kann es ihm am Ende so ergehen, wie seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer?
Annegret Kramp-Karrenbauer ist ja nicht nur daran gescheitert, dass sie es nicht geschafft hat, die Partei hinter sich zu einen, sondern auch daran, dass das Nebeneinander aus CDU-Spitze und Kanzleramt offenkundig nicht funktioniert hat. Beides ist eine Gefahr für Laschet. Merkel wird in diesem Pandemie-geprägten Jahr als Kanzlerin weiter stark im Fokus stehen. Zugleich muss sie Laschet jetzt Raum geben, denn der muss sich jetzt positionieren und profilieren.

Ist es klug von der Union, mit der Nominierung ihres Kanzlerkandidaten bis zum Frühjahr zu warten?
Einerseits hat Laschet mit seiner Wahl natürlich jetzt ein Momentum; genau das wollte ja Markus Söder schon in seinem Grußwort vor der Wahl bremsen. Schaut man auf die SPD, so hat sie dieses Mal ihren Kandidaten sehr früh benannt. Warum? Weil das späte Nominieren 2017 im Nachgang zur Wahl als ein großer Fehler identifiziert wurde. In der Abwägung glaube ich trotzdem, dass es für die Union klüger ist, jetzt noch zu warten. Denn wenn es der CDU im Frühjahr bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nicht gelingt, mindestens einmal das Amt eines Ministerpräsidenten zurück zu erobern, dann geht das gleich auch auf die Kappe des Kanzlerkandidaten.

Wenn diese Wahlen schlecht laufen, wird es schwer für Laschet, Kanzlerkandidat zu werden.
Es würde die Zweifel an ihm nähren. Seine Umfragewerte sind derzeit ohne schon schlecht, gerade einmal 30 Prozent der Deutschen halten ihn für kanzlertauglich. Er muss da Bewegung reinkriegen. Sonst kann ihn die Union schlecht als Hoffnungsträger präsentieren. Gleichzeitig wissen die Strategen in der Union: Dass der alternative Kanzlerkandidat Söder auf einer Welle der Euphorie ins Ziel segeln würde, ist auch nicht selbstverständlich. Man denke nur an den CSU-Kanzlerkandidaten Stoiber, der 2002 enorme Probleme hatte, die Menschen auch im Norden zu begeistern.

Was kann Laschet tun, um sich als kanzlertauglich zu erweisen?
Sichtbarkeit ist wichtig. Die hat er als Ministerpräsident von NRW. Als Parteivorsitzender wird er jetzt auch von der Union häufiger eine Bühne bekommen. Aber er wandelt da auf einem sehr schmalen Grat in der Pandemie: Einerseits muss sich an seinem öffentlichen Bild etwas ändern, andererseits darf nicht der Eindruck entstehen, dass er seine Position als Ministerpräsident missbraucht, um billigen Wahlkampf zu führen und dabei seinen Job vernachlässigt.

Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas.
Der Politikwissenschaftler Thorsten Faas.
© Bernd Wannenmacher

Haben viele Wähler noch immer das Bild des „Lockerers“ Laschet im Kopf, das sich zu Anfang der Pandemie festgesetzt hat?
Dafür steht Laschet ja schon lange nicht mehr. Aber solche Bilder sind zäh, wenn sie einmal gesetzt sind. Das ist jetzt die Herausforderung: Einen bekannten Politiker, der mit vielen Bildern verbunden ist, der aber gerade in Umfragen nicht gut dasteht, neu zu positionieren.

Einige in der Union betonten ja zuletzt auch, dass nicht zwingend der CDU- oder der CSU-Chef Kanzlerkandidat werden müsste – das zielte auf die Möglichkeit, dass Gesundheitsminister Spahn es macht. Ist diese Möglichkeit mit gestern endgültig passé?
Sein Momentum ist mit dem Parteitag gebrochen worden. Er hatte schon immer die gefährliche offene Flanke, als zu ehrgeizig und ungeduldig zu gelten. Dass er die Aussprache nach der Vorstellung der Kandidaten dazu genutzt hat, noch einmal Werbung für sich und seinen Teampartner Laschet zu machen, kreiden ihm viele an. Das Ergebnis, mit dem er zum Vizeparteichef gewählt wurde, war auffallend schlecht.

Das ist keine Situation, in der man sagt: Das ist jetzt der natürliche Kandidat, der die CDU eint. Abgesehen davon: In der Pandemie würden es viele Bürger ohnehin als unzulässig empfinden, wenn der Gesundheitsminister sich in den Wahlkampf stürzt. Eine Kanzlerkandidatur von Spahn – das sehe ich gerade nicht.

Bei den politischen Gegnern der Union hofft man, dass Umfragewerte von CDU und CSU wieder sinken, sobald bei den Bürgern ins Bewusstsein eingesickert ist, dass die Kanzlerin im Herbst nicht mehr zur Wahl steht. Ist die Annahme berechtigt?
Studien zeigen, dass die Menschen immer später ihre tatsächliche Wahlentscheidung treffen. Sie reagieren viel stärker auf den Moment, auf aktuelle Themen und Personen. In der Pandemie hat Angela Merkel noch einmal enorm an Zuspruch gewonnen. Wenn bei den Bürgern angekommen ist: Es geht gar nicht mehr um die beliebte Kanzlerin, da steht jemand anders zur Wahl – dann werden die Karten tatsächlich noch einmal neu gemischt. Das macht das Wahljahr auch so spannend.

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