Mögliche Einflussnahme: Wollte CSU-Sprecher Fernsehbeitrag über SPD-Parteitag verhindern?
Aus den Folgen von Christian Wulffs Anruf bei "Bild"-Chef Kai Diekmann scheint die CSU wenig gelernt zu haben. Auch Parteisprecher Strepp griff nun zum Hörer und wählte die Nummer des ZDF - offenbar, um einen Bericht über die SPD zu verhindern. Das ZDF fordert eine Erklärung, die Opposition spricht von einem "Zensurversuch".
Beim CSU-Parteitag lagen sie dezent auf allen Promi-Tischen, die Schreibblocks aus dem CSU-Fanartikelshop: „Das können Sie alles senden“, steht oben auf jedem Blatt. Mit dem Spruch hatte CSU-Chef Horst Seehofer ein deftiges ZDF-Interview gegen den damaligen Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) freigegeben. Die CSU vermarktet den Spruch seither als Kult. Seit Mittwoch hat ausgerechnet ihr Parteisprecher Sendepause. Hans Michael Strepp wird vorgeworfen, dass er beim ZDF eine Sendung verhindern wollte.
Der Vorgang, über den die „Süddeutsche Zeitung“ zuerst berichtete, ist in einem Punkt unbestritten: Strepp hat am Sonntag den diensthabenden Redakteur der „heute“-Redaktion angerufen und mit ihm über den Parteitag der Bayern-SPD gesprochen, die am gleichen Tag Christian Ude zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2013 gekürt hat. Der Redakteur aber hat den Anrufer eindeutig so verstanden, dass die ZDF-Nachrichten über das Ereignis nicht berichten sollten, schon um „Diskussionen“ zu vermeiden.
Strepps Anruf blieb ergebnislos; der Bericht aus Nürnberg lief wie geplant in der 19-Uhr-Sendung. „Wir senden, was wir senden, egal wer anruft. Die „heute“-Redaktion hat ihre Unabhängigkeit bewiesen“, sagt ZDF-Chefredakteur Peter Frey und fordert von Strepp Antwort, warum und mit welcher Absicht er direkt in der „heute“-Redaktion angerufen habe.
Strepp schweigt und verweist nur auf einen Brief an ZDF-Vizechef Elmar Theveßen, der ihn am Montag telefonisch zur Rede gestellt hatte. In dem Schreiben versichert der Sprecher, dass er weder Einfluss genommen noch dies vorgehabt habe. „Die Berichterstattung des ZDF ist bekanntermaßen von einer Unabhängigkeit geprägt, bei der sich bereits jeder Gedanke an eine Beeinflussbarkeit verbietet“, ein etwaiger anderer Eindruck aus dem Telefonat erkläre sich ihm „deshalb“ nicht. Aber Strepp fügt an: „Sollte ein solcher entstanden sein, so möchte ich dazu mein Bedauern ausdrücken.“
Ein Dementi sieht anders aus. Der CSU kommt der Vorfall hochgradig ungelegen. Er verweist auf erstaunliche Angst vor dem Gegner, und er erinnert an üble Sitten aus den Zeiten der allmächtigen Staatspartei. Dabei gab Seehofer just am Mittwoch als Auftaktredner der Münchner Medientage den Pressefreiheitshelden: „So viel Freiheit wie möglich und so wenig politische und rechtliche Hürden wie nötig“ brauche die Branche. Dass sein eigenes Parteiorgan „Bayernkurier“ im vergangenen November gegen den Bayerischen Rundfunk polemisiert hatte, der sich zum „Rotfunk“ entwickelt habe, „genauer gesagt zum Rot-Grün- Funk“, erwähnte der Redner nicht. Anlass waren auch damals Berichte über SPD-Konkurrent Ude. Beim BR hat Strepp am Sonntag nicht angerufen, obwohl auch die „Tagesschau“ über den SPD-Parteitag berichtete. Es sei nicht bekannt, dass sich der CSU-Sprecher „mit einem vergleichbaren Anliegen“ gemeldet habe, sagt BR-Sprecher Marc Sauber.
Seehofer ging sofort auf Distanz zu dem engen Mitarbeiter. Nach dessen Angaben seien die Berichte unzutreffend, sagt er – was sich kaum als Rückendeckung deuten lässt, zumal mit dem Nachsatz: „Das wäre auch inakzeptabel.“ Generalsekretär Alexander Dobrindt, vom Parteichef zur Klärung aufgefordert, verweist lediglich auf den Brief an Theveßen: Strepp habe versichert, dass er keine Zensur versucht habe, und sich für eventuell Mißverständliches entschuldigt. Die SPD aber reagiert nicht nur empört, sondern, noch böser, mit einem neuen Spruch: „Das können Sie alles senden. Außer SPD.“