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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
© dpa

Haushalt für 2015: Wolfgang Schäuble präsentiert die Schwarze Null

Im Bundestag geht es heute um den Haushalt für 2015: Finanzminister Wolfgang Schäuble will ein Signal setzen mit dem Ende der Neuverschuldung. Hier erfahren Sie, warum die Schwarze Null vielleicht heute, aber Ende 2015 überhaupt nicht sicher ist.

An diesem Dienstag um zehn Uhr wird Wolfgang Schäuble an das Rednerpult im Bundestag rollen und den versammelten Abgeordneten und dem zu dieser Zeit schon versammelten Fernsehpublikum verkünden, worauf er derzeit besonders stolz ist: die schwarze Null. Es ist der erste Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung seit 1969, seit 45 Jahren. Es ist das erste Mal, dass der dienstälteste Bundestagsabgeordnete Wolfgang Schäuble, der seit 1972 im Parlament sitzt, das erleben darf. Und es ist vor allem sein Werk.

 Erste Lesung

Mit Schäubles Rede beginnt die erste Lesung des Bundeshaushalts für 2015, gipfelnd in der Generaldebatte am Mittwoch. Dass die schwarze Null, also der Verzicht auf neue Schulden, am Ende der parlamentarischen Beratungen nicht mehr stehen wird, ist kaum anzunehmen – in diesem Fall wird das Struck’sche Gesetz, wonach kein Gesetzentwurf den Bundestag so verlässt wie er eingebracht worden ist, nicht greifen. Denn die große Koalition will mit der schwarzen Null ein Signal setzen: Dass  die Haushaltskonsolidierung voranschreitet, dass die hohe Schuldenaufnahme im Zuge der weltweiten Finanzkrise nicht zu einer dauerhaft hohen Schuldenlast führen wird. „Wir wollen nachhaltig ausgeglichene Haushalte“, betont Schäuble seit Monaten. Die Schuldengrenze im Grundgesetz erlaubt dem Bund (im Gegensatz zu den Ländern) zwar einen kleinen Spielraum, um neue Schulden aufzunehmen – 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Doch darauf verzichtet Schwarz-Rot, zumindest im kommenden Haushaltsjahr, denn die Konjunktur ist noch gut, die Steuereinnahmen sprudeln munter. Was später kommt, ist später.

Was bringt 2015?

Ob die schwarze Null auch am Ende des Haushaltsjahres, also in 16 Monaten stehen wird, ist allerdings so klar noch nicht. Denn niemand weiß, was 2015 bringen wird. Die Konjunkturindikatoren haben sich zuletzt eingetrübt, so könnten die Wachstumsprognosen, die dem Etat zugrunde liegen, zu optimistisch gewesen sein. Ein erster Wegposten ist hier die Steuerschätzung im November, die sogar schon zu ersten Korrekturen am Etat führen könnte. Zudem könnten sich die internationalen Krisen nochmals verschärfen und auf die Konjunktur durchschlagen sowie höhere Ausgaben etwa im Verteidigungsressort nach sich ziehen. Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte nun zwar, die Wehrausgaben in Höhe von 1,3 Prozent des BIP genügten derzeit. Doch am Freitag hatten sich die Nato-Staaten verständigt, wieder mehr Geld in die Verteidigungshaushalte zu investieren. Binnen eines Jahrzehnts sollen es zwei Prozent des BIP sein. Leyen betont zwar, oberstes Ziel sei ein ausgeglichener Haushalt. Sie fügt aber hinzu, dass "wenn wir jetzt neue Aufgaben bekommen, zum Beispiel durch die Beschlüsse des Nato-Gipfels oder durch zusätzliche Belastungen im Irak, dass ich mit dem Parlament darüber sprechen muss". Kommt außerdem Bewegung in die Debatte um den Abbau der kalten Progression, müsste Schäublemittelfristig Mindereinnahmen einkalkulieren.

Volumen bei fast 300 Milliarden Euro

Insgesamt will die Bundesregierung im kommenden Jahr 299,5 Milliarden Euro ausgeben, nur drei Milliarden mehr als im laufenden Haushaltsjahr. Ob das zu halten ist, darf man zumindest mit einem Fragezeichen versehen: Denn am Montag wurde bekannt, dass Schäuble und sein französischer Kollege Michel Sapin an einem gemeinsamen Papier für das EU-Finanzministertreffen am Wochenende in Mailand arbeiten. Der Inhalt: Wie die Staaten der Gemeinschaft mit mehr Investitionen in die Infrastruktur die Wirtschaft ankurbeln können. Die Bundesregierung ist hier international unter Druck geraten – auch weil sie die schwarze Null schafft. Doch Schäubles Ehrgeiz ist es, die deutsche Schuldenquote, hochgeschnellt in der Finanzkrise, so zügig wie möglich wieder in die Nähe der vom Euro-Stabilitätspakt geforderten 60 Prozent des BIP zu bringen. In diesem Jahr soll sie 76 erreichen, nach gut 78 Prozent im Vorjahr. Der Finanzminister hat vor, am Ende der Wahlperiode in drei Jahren bei 70 Prozent zu landen und binnen zehn Jahren soll Deutschland die EU-Vorgabe wieder einhalten können. Von der „Vorbildrolle“ Deutschlands in Europa spricht Schäuble in diesem Zusammenhang. Um das zu erreichen, um keine Ausgaben in den Etat nehmen zu müssen, welche dieses Ziel  konterkarieren, haben Schäuble und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Devise ausgegeben, der Staat müsse mehr private Investoren für öffentliche Aufgaben gewinnen – auch um denen angesichts extrem niedriger Zinsen andere, bessere Renditemöglichkeiten zu schaffen.

 IWF mischt sich ein

Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, drängt die Bundesregierung zu mehr Investitionen. Deutschland habe noch „Handlungsspielraum beim

Haushalt“, sagte sie der Pariser Wirtschaftszeitung „Les Echos“. Es müsse mehr Geld in die Infrastruktur fließen. „In den vergangenen Jahren hat Deutschland sehr wenig in seine Verkehrs-Infrastruktur investiert.“ Wie in den USA hätten sich die Verkehrsnetze verschlechtert. Deutschland könne daher in den nächsten vier Jahren gegenüber den bisherigen Planungen einen halben Prozentpunkt des BIP zusätzlich in Infrastruktur investieren. Lagarde sprach sich auch für stärkere Lohnerhöhungen aus – die entsprechenden Steuermehreinnahmen würden dann die höheren Ausgaben finanzieren helfen.

 Investitionen sollen ab 2016 wachsen

Dabei hat die Bundesregierung durchaus vor, mehr Geld auf die Schippe zu legen. Aber eben noch nicht 2015. Dem eher mageren Ausgabenplus von etwa einem Prozent im kommenden Jahr soll nach der Finanzplanung dann aber ein stärkerer Zuwachs von 3,7 Prozent im Jahr 2016 folgen, im Jahr darauf sollen es drei Prozent mehr sein, und 2018 schließlich 2,9 Prozent. Über die gesamte Wahlperiode bis 2017 gerechnet soll laut Schäuble das Ausgabenwachstum jedoch nicht höher liegen als das Wirtschaftswachstum. Die nach der Finanzkrise deutlich gestiegenen Steuereinnahmen haben die Regierungen – Schwarz-Gelb wie Schwarz-Rot – nicht zuletzt für den Schuldenabbau verwendet. Die Neuverschuldung wurde seit 2010 um 44 Milliarden Euro gesenkt, die Mehreinnahmen in den fünf Jahren (die Planung für 2015 schon eingeschlossen) liegen bei gut 52 Milliarden Euro.

 Vorrang für Wissenschaft und Forschung

Den Investitionen in Forschung und Wissenschaft hat die Koalition Vorrang gegeben vor Investitionen in Beton. So steigt der Etatposten von Bildungsministerin Wanka (CDU) im kommenden Jahr um 8,6 Prozent weit überdurchschnittlich, während Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nur 1,2 Prozent mehr ausgeben kann – der Etat 2015 soll aber der letzte sein, der frei von Mauteinnahmen ist. Über alle Ministerien rechnet der Bund im kommenden Etat 21,3 Milliarden Euro an Ausgaben für Bildung, Wissenschaft  und Forschung zusammen. Die Summe soll im Wahljahr 2017 sogar auf 23,9 Milliarden steigen. Für den Verkehr sollen es im kommenden Jahr 10,8 Milliarden sein, 2017 dann 11,9 Milliarden, wovon nach den Berechnungen Dobrindts etwa 600 Millionen aus der Maut stammen.

 Gespräche mit den Ländern

Ob Schäubles Ansatz mit der schwarzen Null am Ende Wirklichkeit wird, dürfte auch noch von den Finanzverhandlungen mit den Ländern abhängen. Zwar wirken sich die Ergebnisse der aktuellen Gespräche über Finanzausgleich, Solidaritätszuschlag und Schuldenfonds erst ab 2019 aus, doch gibt es einige Unterpunkte, die früher haushaltswirksam werden könnten. So will der Bund die Kommunen (über die Länder) bis zum Inkrafttreten eines Bundesteilhabegesetzes bis 2017 jährlich um eine Milliarde beiden Kosten für die Eingliederungshilfe von Behinderten zu entlasten. Kommunen und Länder hatten hier mehr erwartet.

 Kritik aus der Opposition

Die Opposition sieht den Etatentwurf naturgemäß kritisch. Der Linken-Haushaltspolitiker Roland Claus kündigte zwar an, seine Fraktion werde im Parlament keine Anträge für höhere Schulden stellen. „Aber die so genannte schwarze Null hat mit dem Lebensalltag der allermeisten Menschen nichts zu tun“, fügteer hinzu. Die Linke fordert Umfinanzierungen zugunsten des Sozialen, vor allem für ein höheres Kindergeld, und mehr Ausgaben im Bildungssektor. Der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner warf der Koalition vor, sie konzentriere sich zu sehr auf den ausgeglichenen Haushalt. „Die große Koalition starrt auf die schwarze Null wie die Schlange auf das Kaninchen und vergisst dabei, dass sie das Land auf Verschleiß fährt“, sagte er in der ARD. Es sei kein großes Kunststück, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wenn die Investitionen gekürzt würden, die Steuereinnahmen aber gleichzeitig sprudelten. „Meine Sorge ist, dass es uns im Moment zwar gut geht, aber dass wir in fünf oder zehn Jahren dann die Auswirkungen zu spüren bekommen“, sagte er.

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