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Beate Zschäpe (m.) im Münchener Gerichtssaal mit ihren Verteidigern.
© dpa

NSU-Prozess 154. Tag: Wohnungsbrand in Zwickau: wollte Zschäpe morden oder retten?

Beate Zschäpe soll 2011 ihre Wohnung angezündet und den Tod dreier Nachbarn in Kauf genommen haben. Darüber wurde am Donnerstag im NSU-Prozess verhandelt - mit dem Auftritt eines Anwalts, der für die Angeklagte heikel ist.

Beate Zschäpe schweigt hartnäckig und begrüßt auch keine Zeugen, selbst wenn sie die lange kennt. Doch am Donnerstag gab es eine Ausnahme. Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München nickte und lächelte dem Anwalt aus Jena zu, bei dem sie am 8. November 2011 kurz vor ihrer Festnahme Rat gesucht hatte. Gerald Liebtrau war jetzt als Zeuge geladen, äußern durfte er sich allerdings nur zu einem Detail des Gesprächs mit Zschäpe. Alles andere unterliegt nach dem Willen Zschäpes und ihrer Anwälte weiterhin der Schweigepflicht. Doch das Detail hat es in sich. Es geht um den Brand, den Zschäpe am 4. November 2011 in ihrer Zwickauer Wohnung gelegt haben soll und der laut Bundesanwaltschaft beinahe drei Menschen das Leben gekostet hätte.

Bei dem Beratungsgespräch in der Kanzlei habe Zschäpe gesagt, bevor sie am Nachmittag des 4. November das Haus in Zwickau verließ, habe sie bei einer Nachbarin geklingelt, berichtete Liebtrau. Zschäpe soll auch geäußert haben, sie wollte sicher gehen, dass niemand im Haus ist. Bei der Nachbarin habe es aber keine Reaktion gegeben.

Mit der Aussage des Anwalts hoffen  Beate Zschäpe und ihre Verteidiger, zumindest in einem Fall den Anklagevorwurf des versuchten Mordes zu entkräften. Die Bundesanwaltschaft beschuldigt Zschäpe, sie habe am 4. November 2011 die Wohnung in der Frühlingsstraße 26 angezündet, um Spuren der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ zu beseitigen. Dabei hätten eine Nachbarin und zwei Handwerker  getötet werden können.

In den Räumen hatte Zschäpe seit 2008 mit den NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelebt. Mundlos hatte am 4. November 2011 in einem Wohnmobil in Eisenach nach einem Banküberfall seinen Komplizen Böhnhardt erschossen und sich selbst, als die Polizei anrückte. Das war gegen 12 Uhr. Etwa drei Stunden später gab es in der Zwickauer Wohnung eine Verpuffung, dann brach der Brand aus. Nachbarn sahen, wie Zschäpe mit zwei Katzenkörben aus dem Haus kam und verschwand.

Bundesanwaltschaft sieht versuchten Mord in drei Fällen

Laut Bundesanwaltschaft hatte Zschäpe zehn Liter Benzin in der Wohnung verschüttet und angezündet. Und sie soll in Kauf genommen haben, dass die nebenan lebende, 89-jährige Charlotte E. bei dem Brand ums Leben kommt. Ebenso wie die zwei Handwerker, die im Dachgeschoss tätig waren. Dass die beiden Männer gerade eine Essenspause in einer nahen Bäckerei verbrachten, habe Zschäpe nicht gewusst, glaubt die Bundesanwaltschaft. Aus ihrer Sicht ist Zschäpe der besonders schweren Brandstiftung und des versuchten Mordes in drei Fällen schuldig.

Sollte Zschäpe vor dem Brand bei Charlotte E. geklingelt haben, wäre keine Absicht zu erkennen, vorsätzlich die Rentnerin zu töten, meinen hingegen die Verteidiger. Die Rentnerin selbst hat eine Woche nach dem Brand ausgesagt, sie habe gegen 14 Uhr ein Klingeln gehört, aber niemanden an der Wohnungstür gesehen. Spätere Vernehmungen von Charlotte E. mussten abgebrochen werden, weil die gebrechliche Frau kaum noch ansprechbar war.

Den Vorwurf, Zschäpe habe den Tod der zwei Handwerker in Kauf genommen, halten die Anwälte sowieso für absurd, da die Männer beim Ausbruch des Brandes gar nicht im Gebäude waren. Zschäpe habe nicht gewollt, „dass jemand verletzt oder getötet wird“, erklärte Verteidiger Wolfgang Heer am Donnerstag im Prozess.

"Wendung im Verfahren"

Die Aussage von Anwalt Liebtrau, Zschäpe habe ihm über das Klingeln bei Charlotte E. berichtet, sei „eine Wendung“ im Verfahren, sagte sogar Verteidiger Wolfgang Stahl. Zumindest beim Vorwurf, Zschäpe habe „in versuchter Mordabsicht gehandelt“. Dennoch bleibt der Auftritt des Jenaer Anwalts für Zschäpe heikel.

Indirekt stärkt seine Aussage den Vorwurf der  Bundesanwaltschaft, die Angeklagte habe eine besonders schwere Brandstiftung begangen. Wenn Zschäpe geklingelt hat, muss sie zumindest gewusst haben, dass es bald brennt und  Charlotte E. in Gefahr geraten könnte. Das ist noch nicht der ultimative Beweis, Zschäpe selbst habe gezündelt. Doch im Prozess spricht niemand, auch nicht  Zschäpes Verteidigung, von einer anderen Person, die das Feuer verursacht haben könnte. So entsteht der Eindruck, für die Anwälte ist es wichtiger, den Tatvorwurf des versuchten Mordes auszuräumen als den der besonders schweren Brandstiftung. Das erscheint beim Blick auf das Strafmaß verständlich. Versuchter Mord kann mit lebenslanger Haft bestraft werden. Bei besonders schwerer Brandstiftung sind maximal zehn Jahre fällig.

Selbst wenn Zschäpes Verteidiger den Vorwurf des versuchten Mordes in drei Fällen in Zwickau abwehren können, bleiben die noch massiveren Anklagepunkte unberührt. Die Bundesanwaltschaft hält Zschäpe auch vor, sie sei bei den zehn Morden und weiteren schweren Verbrechen des NSU die Mittäterin gewesen. Sollten die Münchner Richter zum selben Ergebnis kommen, würde Zschäpe höchstwahrscheinlich zu lebenslanger Haft verurteilt – mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Damit wäre eine Entlassung nach 15 Jahren ausgeschlossen.

Ringen um Aussage von V-Mann Carsten S.

Unterdessen bahnt sich ein Konflikt um die Vernehmung eines ehemaligen V-Mannes des Brandenburger Verfassungsschutzes an. Der Strafsenat hat für den 4. November, den ersten Termin nach den bayerischen Herbstferien in der kommenden Woche, den früheren Neonazi Carsten S. geladen. Der Brandenburger Verfassungsschutz hatte Carsten S. von 1994 bis zur Enttarnung im Jahr 2000 als Quelle „Piatto“ geführt. Der V-Mann berichtete ausgiebig über militante Umtriebe der rechten Szene. Im Spätsommer 1998 sagte Carsten S. dem Verfassungsschutz, der sächsische Neonazi Jan W. habe den Auftrag, dem untergetauchten „Trio“ Waffen besorgen. Mit „Trio“ waren offenkundig Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gemeint, die im Januar 1998 den Gang in den Untergrund angetreten hatten.

Die Brandenburger Polizei bewahrt  den früheren Spitzel und seine Familie über ein Zeugenschutzprogramm vor Racheakten von Rechtsextremisten. Eine Aussage von Carsten S. im NSU-Prozess macht Brandenburgs Innenministerium nun von mehreren Bedingungen abhängig. Opferanwälte, Verteidiger und  Bundesanwaltschaft wollen jedoch nicht alles akzeptieren. So verlangt das Ministerium in einem Schreiben an den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, bei der Vernehmung müsse die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. „Das wäre überzogen“, sagte am Donnerstag Bundesanwalt Herbert Diemer. Drei Opferanwälte stellten den Antrag, der Strafsenat solle beim Ministerium darauf hinwirken, dass Carsten S. „unter geeigneten Zeugenschutzmaßnahmen in öffentlicher Hauptverhandlung unter persönlicher Anwesenheit im hiesigen Verhandlungssaal vernommen werden kann“.

Brandenburg will aber nur eine audiovisuelle Befragung gestatten, bei der Carsten S. sich an einem geheimen Ort aufhält. Außerdem soll der frühere V-Mann in Bild und Ton verfremdet werden. Richter Götzl deutete am Donnerstag indirekt an, dass er mit dem Ministerium sprechen wird. Er betonte am Ende des Verhandlungstages, er habe den Zeugen Carsten S. „nicht abgeladen“.

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