Gorleben als Endlager "alternativlos": Wohin mit 100 000 Tonnen Atommüll?
Das Bundesumweltministerium will abgereichertes Uran in Gorleben lagern. Spezielle Sicherheitsanforderungen sind nicht vorgesehen.
Berlin - Sylvia Kotting-Uhl übt sich in Ironie. 100 000 Tonnen Atommüll, die zwar „vernachlässigbar Wärme entwickeln“, so der Fachbegriff, seien „keine vernachlässigbare Menge“, sagt die atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Erst nach mehreren Nachfragen hat ihr die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen-Esser (CDU), die Menge dieses Mülls verraten. Es geht vor allem um abgereichertes Uran, das bei der Produktion von Brennelementen entsteht. Und da die einzige Fabrik für Urananreicherung, Urenco in Gronau, nach jahrelangen Protesten 2009 ihre Praxis beenden musste, diesen Müll als Wertstoff nach Russland zu exportieren, muss nun eine Lösung in Deutschland gefunden werden.
Auf 100 000 Tonnen schätzt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Menge des abgereicherten Urans. Dazu kämen noch weitere 5500 Tonnen anderer Atomabfälle, die nur wenig Wärme entwickelten. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) schätzt das Volumen des abgereicherten Urans lediglich auf 35 000 Tonnen, die anderen in dieser Gruppe relevanten Abfälle schätzt die GRS dafür auf 9800 Tonnen. In der Antwort an Kotting-Uhl schreibt Heinen-Esser: „Alle Zahlenwerte hängen im Einzelnen davon ab, zu welchem Zeitpunkt beziehungsweise ob betrachtete Stoffe als radioaktiver Abfall deklariert werden.“ Das bezieht sich wohl darauf, dass abgereichertes Uran bis 2009 nicht als Atommüll galt, sondern als Wertstoff. Wird das abgereicherte Uran aus Gronau, das nach wie vor in Sibirien liegt, dazugezählt, dürfte die Zahl jedenfalls höher liegen, als von der GRS geschätzt.
Kotting-Uhl wollte sich mit der Erkenntnis, um welche Müllmenge es dabei geht, noch nicht zufriedengeben. Sie fragte deshalb Ende September noch einmal nach, welche „Sicherheitsanforderungen“ für diesen Atommüll gelten sollen, der nicht in das genehmigte Atomendlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle Schacht Konrad in Salzgitter geliefert werden kann. Dort sollen 280 000 Tonnen Atommüll eingelagert werden. Heinen-Esser schreibt in der dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort: „Spezielle Sicherheitsanforderungen für ,nicht Konrad-gängige’ Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung sind bislang nicht vorgesehen. Möglicherweise ergibt sich die Notwendigkeit aus den Ergebnissen der vorläufigen Sicherheitsanalyse.“ Die „vorläufige Sicherheitsanalyse“ bezieht sich auf den umstrittenen Salzstock in Gorleben, der seit einem knappen Jahr wieder auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktiven, wärmeentwickelnden Atommüll erkundet wird. In den Antworten Heinen-Essers heißt es aber auch, dass „im Rahmen einer Optionsbetrachtung“ geprüft werden solle, „ob und unter welchen Bedingungen“ die besagten Abfälle „im Salzstock Gorleben eingelagert werden können“.
Diese beiden Informationen sind insofern interessant, als die Sicherheitsanforderungen an den Salzstock in Gorleben in der Vergangenheit stets an die vorgefundenen Bedingungen angepasst worden waren. Außerdem hat die GRS im Juli 2010 den Auftrag erhalten, diese vorläufige Sicherheitsanalyse zu erarbeiten. Die GRS wiederum hat für sechs von 14 Bewertungsaufgaben die International Nuclear Safety Engineering GmbH (NSE) eingespannt, die bei einem Gesamtauftragsvolumen von knapp neun Millionen Euro mehr als 800 000 Euro damit verdienen soll. Der alleinige Gesellschafter der NSE ist Bruno Thomauske, der vor seiner Tätigkeit als Chef der Atomsparte von Vattenfall im BfS für die Erkundung des Salzstocks Gorleben zuständig war. Und Thomauske hat schon 2004 in einem Fachaufsatz zur Kenntnis gegeben, dass Gorleben als Endlager „alternativlos“ sei, wenn Deutschland in einem Zeitraum von 30 Jahren ein Endlager haben wolle.
Dagmar Dehmer
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