Papst Franziskus in Asien: Wo der Geist pulsiert
Papst Franziskus feiert in Manila die größte Messe aller Zeiten. Das hat seinen Grund: In Asien explodiert die Zahl der Christen. Das aufgeklärte, in der historisch-kritischen Analyse geschulte europäische Christentum befindet sich längst in der Defensive. Ein Kommentar.
Es gießt in Strömen. Doch die klatschnassen Menschen lachen, singen, freuen sich. Mitten unter ihnen Papst Franziskus. Er trägt denselben Plastik-Regenschutz wie viele andere der rund sechs Millionen Gläubigen, die sich rund um den Rizal-Park in Manila, der Hauptstadt der Philippinen versammelt haben. Sie alle feiern miteinander die größte katholische Messe aller Zeiten. Es ist wohl auch – die größte christliche Messe. Aus europäischer Perspektive wirken solche Bilder exotisch. Exotisch wie der Glaube selbst.
Laut dem „Pew Research Center“ leben heute 2,18 Milliarden Christen auf der Welt, und stetig wächst ihre Zahl. In Europa allerdings geht sie zurück, in Afrika und Asien explodiert sie. Die Statistik spricht Bände: Vor hundert Jahren lebten in Europa zwei Drittel aller Christen, inzwischen ist es nur noch ein Viertel. Während sich in Afrika vor hundert Jahren nur neun Prozent der Menschen als Christen bezeichneten, sind es heute 63 Prozent. Und der „Economist“ zitierte unlängst aus einer Studie der „Purdue University“ aus dem US-Bundesstaat Indiana, der zufolge im Jahre 2030 das zahlenmäßig größte christliche Land der Welt China sein dürfte. Das Christentum in China ist die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft überhaupt.
Durch die tektonische Verschiebung der Zentren des globalen Christentums verändert sich freilich auch dessen Charakter. Das aufgeklärte, in der historisch-kritischen Analyse geschulte europäische Christentum befindet sich in der Defensive. Im Aufwind sind der katholische Traditionalismus sowie evangelikale und pfingstkirchlich-charismatische Formen des Protestantismus. Überall da, wo das Christentum wächst, ist es anders ausgeprägt als in Europa.
Wann wird ein Papst zum erstenmal nach China reisen dürfen?
Der Vorgänger von Papst Franziskus, Benedikt XVI., hatte sich die Re-Christianisierung des alten Kontinents auf die Fahnen geschrieben. Er beklagte die „Gottesfinsternis“, warnte vor „aggressiven Formen des Säkularismus“, befürchtete, dass eine Verdrängung Gottes aus dem öffentlichen Leben zu einer „herabwürdigenden Sicht des Menschen“ führe. Doch an Europa scheiterte Benedikt.
Franziskus wiederum sieht eine seiner Prioritäten in Asien. Sein sechstägiger Besuch dort war bereits der zweite innerhalb seiner Amtszeit – bei nur sieben Auslandsreisen insgesamt. Und als erster Papst, der aus der südlichen Hemisphäre stammt, und als einer, der nachdrücklich Bescheidenheit, Gemeinsinn, Opferbereitschaft und Hingabe lehrt, trifft er in Asien genau den richtigen Ton. Die unmittelbare Aufeinanderfolge von brutalem Kommunismus (Maos Kulturrevolution) und brutalem Kapitalismus (Aufstieg der Tigerstaaten, zweistellige Wirtschaftswachstumsraten in China) hat vielerorts eine spirituelle Ödnis hinterlassen und zu einer Sehnsucht nach Halt und Transzendenz geführt.
Zusätzliche Brisanz erzeugt die nur mitschwingende politische Dimension des Papst-Besuches. Warum soll zwischen Süd- und Nordkorea nicht möglich sein, was zwischen Amerika und Kuba ermöglicht wurde? Und wann wird ein Papst zum erstenmal nach China reisen dürfen? Für Franziskus gehören Mut und Demut zusammen. Er lässt auch weiterhin hoffen.