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"Ist es eben gerade der Überdruss an den allfälligen Weltuntergangsprognosen, der uns Deutsche zuversichtlicher macht?"
© dpa/ Edith Geuppert

Matthies meint: Wo bleibt die Panik auf der Titanic?

Die Stimmung der Deutschen ist laut einer Studie so gut wie seit 25 Jahren nicht. Gibt es die "German Angst" heute gar nicht mehr?

Wie viele Jahre waren’s jetzt gleich noch bis zum Armageddon, neun, zehn? Und wird die Erde dann mit einem Schlag ausgelöscht oder über Jahrzehnte langsam unter schmelzendem Eisbergwasser verbrannt? Panik solle uns erfassen, hat Greta T. gefordert und damit wohl nirgendwo soviel Resonanz erfahren wie in Deutschland. Und was machen die Deutschen? Fühlen sich wohl.

Klingt komisch, ist aber so. Jedenfalls sagt das die R+V-Versicherung, die seit 1992 repräsentativ nach den „Ängsten der Deutschen“ fragen lässt. Die Stimmung, so heißt es nun auf Grundlage der aktuellen Ausgabe, sei sogar so gut wie seit 25 Jahren nicht. Nur jeder Vierte fürchtet sich davor, den Job zu verlieren – so wenige wie nie zuvor. Mit 35 Prozent erreicht auch die Sorge vor einer Rezession den geringsten Wert seit 20 Jahren.

Der Überdruss an Weltuntergangsprognosen

Das ist soweit nachvollziehbar, aber es gibt weiter oben dennoch drei deutsche Top-Ängste, zwei brisante politische Fragen und eine banale: Ist der Staat mit der großen Zahl von Flüchtlingen überfordert? Kommt es dadurch zu Spannungen zwischen Deutschen und eingewanderten Ausländern? Wird die Welt durch Donald Trump gefährlicher? Viel weiter hinten: der Klimawandel.
Optimismus, sagte der Schwarzseher Heiner Müller, ist nur ein Mangel an Information. Aber niemand wird ja sagen können, dass es in Sachen Klimawandel an Informationen (und Desinformationen) mangelt. Kein Mensch, der relativ regelmäßig das allgegenwärtige Elend in „Tagesthemen“ und „Heute“ verfolgt, hätte demnach den geringsten Grund zum Optimismus. Oder ist es eben gerade der Überdruss an den allfälligen Weltuntergangsprognosen, der uns Deutsche zuversichtlicher macht?

Ist die "German Angst" Geschichte?

Die gute alte „German Angst“ jedenfalls, so scheint es nun, ist nur noch eine historische Randnotiz. Die Deutschen, die sich doch seit Jahrzehnten vor praktisch allem fürchteten, was ihnen nur eindringlich genug eingeredet wurde, sind über den Berg, sie entscheiden selbst über ihre Ängste. Ihren Politikern geben sie zwar laut Umfrage nur noch die Note „ausreichend“ – aber selbst das ist ja ein Zeichen großer Gelassenheit, denn was ausreichend ist, reicht eben aus, wozu brauchen wir mehr? Ob die Umfrage der Versicherung auch eine Rubrik „Berlin“ hat, ging aus der Meldung nicht hervor. Aber wenn wir mal rausrechnen, wie mies die Stimmung hier aktuell ist – dann muss es dem Rest Deutschlands im Moment geradezu paradiesisch gehen.

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